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BSK-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Draaf Lange Genehmigungszeiten schaden Deutschland

Foto: Karl-Heinz Augustin, BSK

Lange Genehmigungsverfahren bringen Schwergut- und Großraumtransporteure in Bedrängnis. Auch schaden sie dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Wolfgang Draaf, Hauptgeschäftsführer der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK), spricht im Interview mit der Fachzeitschrift trans aktuell über die Folgen und mögliche Abhilfe.

trans aktuell: Herr Draaf, mit der geballten Schlagkraft von 23 Wirtschaftsverbänden mahnen Sie bei den 16 Landesverkehrsministern kürzere Genehmigungsverfahren an. Wie fiel das Echo auf Ihren Brandbrief aus?

Draaf: Das Echo war leise. Von Bremen haben wir Antwort bekommen, zudem gab es ein Treffen mit dem Staatssekretär im niedersächsischen Verkehrsministerium. Aus den anderen Ländern haben wir noch keine Reaktion, was aber auch der Urlaubszeit und der besonderen Art der Initiative geschuldet sein kann.

Wie groß ist Ihre Zuversicht, dass die Politik reagiert und für Abhilfe sorgt?

Die Zuversicht ist schon da – spannend ist, in welche Richtung dann agiert wird.

Dass verladende und transportierende Unternehmen ihre Interessen bündeln, erlebt man ja nicht alle Tage …

Der Leidensdruck war eben besonders hoch. Es ist die größte und hochkarätigste Initiative, die im Verkehrsbereich gelaufen ist. Es handelt sich zwar um einen speziellen Verkehrsbereich, der nur drei bis vier Prozent der Tonnenkilometer ausmacht, aber trotzdem eine enorme Bedeutung für die Industrie und den Wirtschaftsstandort hat.

Wie haben Sie es geschafft, 23 Verbände unter einen Hut zu bekommen?

Das war gar nicht so schwierig. Von der Idee bis zur Fertigstellung hat der Prozess keine vier Wochen gedauert. Aufgrund der geografischen Nähe haben eigentlich nur wir, der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände zusammengesessen, alles andere lief via E-Mail. Vereinfacht wurde die Sache dadurch, dass wir uns nur auf einen Punkt konzentriert haben – nämlich die lange Bearbeitungszeit.

Weil?

Weil sie eine mittelprächtige Katastrophe für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Leidtragende der langen Genehmigungszeiten ist auch die Energiebranche. Ihr droht großer Schaden, wenn Anlagen nicht bis Oktober montiert sind – das ist der Stichtag für Zuschüsse.

Liegt es am Boom bei Windkraftanlagen, dass die Behörden mit Genehmigungen nicht mehr hinterherkommen?

Sicherlich trägt die Windenergie das ihre dazu bei, dass eine extreme Zunahme von Anträgen festzustellen ist. Hinzu kommt, dass die Transporte größer und schwerer werden. Eine Windkraftanlage vor zehn Jahren war ein Klacks gegen eine Windkraftanlage von heute. Früher hatten wir 50 Meter lange Flügel, heute sind knapp 70 Meter Standard. Früher hatten wir 119 Tonnen Gesamtgewicht, heute 155. Der Anstieg der Genehmigungen hängt aber nicht nur mit der Windenergie, sondern mit der anziehenden Konjunktur insgesamt zusammen. Es wird verstärkt gebaut und Betonteile müssen befördert werden. Aufgrund der oft unzureichenden Verkehrsinfrastruktur kommt es verstärkt zu Ablehnungen von Strecken. Der Antrag muss neu gestellt werden, und das Verfahren beginnt von vorne.

Sie fordern mehr Mitarbeiter in den Behörden, aber auch größere Entscheidungskompetenz. Will denn keiner mehr Verantwortung übernehmen?

Das will ich gar nicht beurteilen. Fakt ist aber, dass wir mehr Personal brauchen, das sicher in der Rechtsauslegung ist. Denn je weniger Sicherheit ich habe, desto größer ist die Angst, die falsche Entscheidung zu treffen. Zustimmungs- oder Genehmigungsbehörden müssen in der Lage sein, ihre Entscheidungen vor Gericht begründen zu können. Daher geht man häufig lieber den Weg des geringeren Widerstands.

Es heißt, in Bremen ist der Genehmigungsstau am größten. Stimmt das?

In Bremen sind die Engpässe eklatant, aber auch in Hessen, in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Bremen ist ein reines Transitland, worauf Teile der A 27 verlaufen. Viele Windenergiehersteller haben ihre Produktionsstandorte im Emsland und müssen mit ihren Bauteilen über die A 27. Entsprechend hoch ist die Zahl der Anträge. In Bremen liegen bei den Mittelbehörden etwa 3.000 bis 5.000 noch unbearbeitete Anträge. Dass Hessen und Rheinland-Pfalz so viele Anträge zu bewältigen haben, kommt auch nicht von ungefähr: Im Regelfall haben wir nur noch zwei Autobahnen, die Nord-Süd- und West-Ost-Verbindungen möglich machen: die A 61 und die A 9.

Sind fünf Werktage, die Sie bis zur Erteilung einer Genehmigung fordern, nicht ein etwas zu anspruchsvolles Ziel?

Früher waren wir davon gar nicht weit entfernt, im Schnitt hatten wir die Genehmigungen in fünf bis zehn Werktagen. Heute warten wir fast dreimal so lange darauf. Dass es schneller geht, zeigt uns die Niederlande. Dort klappt ein 100 Tonnen-Transport in zwei Tagen. Auch Dänemark ist sehr flink.

Was passiert, wenn sich die Genehmigungszeiten nicht verkürzen?

Dann verliert Deutschland als Standort für Windparks massiv an Bedeutung. Betroffen ist neben der Energiewirtschaft aber die gesamte Exportbranche: Wenn Unternehmen mit ihren Maschinen oder Bauteilen der Zugang zu See- oder Binnenhäfen versperrt ist, droht die Schließung von  Produktionsstandorten. Für unsere Unternehmen ist der jetzige Zustand schon der helle Wahnsinn. Sie können weder planen noch Termine zusagen. Sie haben Angst, dass es auf sie zurückfällt, dass die Verfahren so lange dauern. Zum Glück weiß die verladende Seite um die Malaise – und hat unsere Initiative ja mit unterzeichnet.

Feste Transportkorridore könnten die angespannte Situation entschärfen. Wie genau sollten diese ausgestaltet sein?

Es müssen keine Korridore sein, die man permanent mit einer einmaligen Genehmigung nutzen kann. Uns geht es mehr um eine Sicherheit, dass wir mindestens eine Strecke von Nord nach Süd und von West nach Ost haben, die wir immer befahren können – trotz Baustellen und obwohl Brücken abgelastet werden. Das gilt für Makrokorridore auf der Autobahn, aber auch für Mikrokorridore auf dem nachgelagerten Netz zur Autobahn oder von der Autobahn zur Entladestelle.

Seit Jahren hat die Branche mit der Online-Plattform Vemags ein Werkzeug, um Schwer- und Großraumtransporte effizient und digital abzuwickeln. Wäre da nicht noch Musik drin?

Wenn man sie von Anfang an richtig aufgebaut und konsequent mit elektronischer Kartenführung ausgestattet hätte, gäbe es noch großes Potenzial. Doch das hat man unterlassen. Die Entscheidung, das Integrationsnetz Straße nach hinten zu stellen, fällt einem jetzt auf die Füße. Es gibt keine Hebel, die Verfahren zu beschleunigen. Insofern ist Vemags eine reine Kommunikationsplattform, um Genehmigungen in Echtzeit einzustellen, mehr aber auch nicht, weil der Unterbau fehlt. Sie ist zumindest ein Anfang, und man muss den Hut ziehen, dass es überhaupt gelungen ist, alle 16 Bundesländer daran anzuschließen.

Zur Person

  • Wolfgang Draaf ist seit 1984 bei der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK) in Frankfurt am Main
  • 1986 wurde er Geschäftsführer, 1997 Geschäftsführender Vorstand und 2015 Hauptgeschäftsführer und alleinvertretungsberechtigter Vorstand



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