Die Bilanz bei Ansorge Logistik, Biessenhofen
Morgens, 8.37 Uhr im Allgäu. Die Straßen sind weiß gefärbt, die Menschen dick angezogen. Im Schneetreiben setzt sich am 10. Februar 2012 der erste Lang-Lkw im Rahmen des bundesweiten Feldversuchs in Bewegung. Damit löst Ansorge Logistik in Biessenhofen ein beispielloses Medienecho aus. Bereits auf der Fahrt zum etwa 120 Kilometer entfernten Kombi-Terminal München-Riem berichtet der Bayerische Rundfunkt über die Jungfernfahrt des 25-Meter-Lkw.
Lange hatte der Geschäftsführende Gesellschafter Wolfgang Thoma, ein Freund von technischen Innovationen in der Logistik, auf diesen Moment gewartet und sich mit seinem Team intensiv auf den Tag X vorbereitet. Daher ließ er sich weder vom Schneegestöber von seinem Unterfangen abbringen, noch vom Appell des damaligen Bundesverkehrsministers Peter Ramsauer (CSU). Er hatte den Weg für den Lang-Lkw zum 1. Januar 2012 freigemacht, jedoch an Speditionen und Werkverkehre appelliert, mit dem Start so lange zu warten, bis Schnee und Eis aufgetaut sein würden.

„Wir wollen keine Schönwetterveranstaltung“, erklärte Thoma damals gegenüber der Fachzeitschrift trans aktuell. Ihm sei vielmehr daran gelegen, die Teilnahme am bundesweiten Feldversuch so alltagstauglich wie möglich zu gestalten. „Wir schicken jeden Tag auch unter widrigen Umständen 200 Fahrer auf unsere Straßen“, sagte er. „Es wäre nicht angebracht, dieses absolut alltagstaugliche Objekt dem Straßenverkehr vorzuenthalten.“ Wie damals ist der Firmenchef auch heute noch von den Vorteilen des 25,25 Meter langen Fahrzeugs und dem dahinter stehenden modularen Konzept überzeugt. Es handele sich um Standard-Equipment, das problemlos zwischen den Verkehrsträgern wechseln könne.
Es mache keinen Unterschied, ob Behälter eines konventionellen Lkw oder eines 25-Meter-Lkw am Terminal ankommen, hatte der Terminalbetreiber Duss damals erklärt. „Die Verladezeit bleibt die gleiche.“ Tatsächlich zeigte sich bei der Erstverladung, dass sowohl die Wechselbrücke als auch der Sattelauflieger innerhalb von zwei Minuten vom Lang-Lkw auf die Schiene wechseln – also in der gleichen Zeitspanne wie jede andere Ladeeinheit. Der große Unterschied im Fall des Lang-Lkw ist, dass nur ein Lkw benötigt wird, um die Ware anzuliefern beziehungsweise abzuholen. Sonst wären zwei Zugmaschinen erforderlich. Neben der Kombi-Tauglichkeit schätzt der Ansorge Logistik-Chef unter anderem auch die Sicherheitsausstattung des Fahrzeugs. Thoma hatte die damaligen Lang-Lkw in ein Riskmanagement-Projekt zur Schadenprävention in der Flotte integriert, um zu zeigen, dass die Langfahrzeuge in Sachen Sicherheit keinerlei Grund zur Sorge geben: Sie kommen bei einem Bremsmanöver schneller zum Stehen und sind mit allen modernen Fahrzeug-Assistenzsystemen ausgestattet.
Zur Wahrheit beim Lang-Lkw gehört aber auch: Die anfängliche Euphorie bei Ansorge Logistik ist verflogen. Zehn Jahre später macht sich bei Wolfgang Thoma Ernüchterung breit. Zwei Dolly-Achsen stehen auf dem Betriebshof, werden aber aktuell nicht eingesetzt, um daraus Lang-Lkw zu bilden. „Wir konzentrieren uns aktuell auf unsere Standardeinheiten mit starkem Fokus auf den Intermodalverkehr“, sagt der Unternehmer. Dass die XXL-Laster nicht fahren, liege vor allem an der Tonnagebeschränkung auf 40 beziehungsweise 44 Tonnen im Kombinierten Verkehr.
Thoma hatte sich immer für eine Freigabe für 60 Tonnen ausgesprochen, damit auch gewichtsaffine Branchen wie die Papierindustrie die Fahrzeuge nutzen können. Hinzu komme das Problem der langen Genehmigungszeiten, um eine Freigabe für eine neue Strecke und ihre Aufnahme in das sogenannte Positivnetz zu bekommen. „Wir haben für eine Relation drei Jahre gestritten“, bilanziert Thoma. Er fordert eine Reaktionszeit der Behörden innerhalb von 14 Tagen, um der Branche Planbarkeit zu geben. Die Beschränkung der Tonnage und die bürokratischen Hürden hätten den Siegeszug des Lang-Lkw verhindert. „Als großer Heilsbringer gefeiert, fristet er nun ein Mauerblümchendasein.“ Mit einer überbordenden Regelungswut habe die Politik die Innovation im Keim erstickt.
- Zugang zu allen Webseiteninhalten
- Kostenloser PDF-Download der Ausgaben
- Preisvorteil für Schulungen und im Shop
Sie haben bereits ein Digitalabo? Hier einloggen.
* Sie sind DEKRA-Mitglied? Dann loggen Sie sich ein und ergänzen ggf. in Ihrem Profil Ihre DEKRA-Mitglieds-Nummer.
Mitgliedsnummer ergänzen* Jahrespreis 22,65 Euro, Preis für FERNFAHRER Flexabo Digital in Deutschland,flexible Laufzeit, jederzeit kündbar.
Weiter zum Kauf