Traton-Chef will die Wirtschaft ankurbeln

Traton-Chef will die Wirtschaft ankurbeln
Renschlers Vorstoß für ein Konjunkturprogramm

Traton-CEO Andreas Renschler macht sich für Investitionszuschüsse und eine Flottenerneuerung stark. Wie die Anreize konkret ausgestaltet sein sollen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, erläutert er exklusiv gegenüber eurotransport.de.

Renschlers Vorstoß für ein Konjunkturprogramm
Foto: Traton
eurotransport.de: Herr Renschler, die Bevölkerung freut sich über die nächsten Corona-Lockerungen. Führt die Öffnung von Läden und Gastronomie zu einer Belebung der Wirtschaft insgesamt?

Renschler: Es ist nicht damit getan, dass Restaurants, Läden, Kitas oder Schulen aufmachen. Wir brauchen mehr. Sonst wird die Normalität nicht zurückkehren. Wenn ein Restaurant nur 50 Prozent der Plätze belegen darf, fehlen 50 Prozent des Umsatzes. Es ist unwahrscheinlich, dass ein Gastwirt so einfach 50 Prozent seiner Kosten reduzieren kann, um den Rückgang aufzufangen. In Deutschland haben wir die Ausbreitung der Pandemie bisher gut gemanagt. Nun müssen wir die Auswirkungen auf die Wirtschaft in den Griff bekommen. Die Rezession ist ein Tsunami in Zeitlupe, den wir mit aller Entschiedenheit abwenden müssen.

Worauf kommt es an?

Das große Thema ist, die Liquidität der Unternehmen sicherzustellen. Nur dann können sie überleben und ihre Ziele realisieren, auch mit Blick auf den Klimaschutz. In Deutschland bilden kleine und mittelständische Unternehmen das Rückgrat der Wirtschaft. Gerade ihnen droht die Luft auszugehen. Traton ist zwar ein großes Unternehmen, aber auch unsere finanziellen Spielräume sind begrenzt.

Wie stark hat die Pandemie Traton erwischt?

Wir mussten die Produktion im März fast überall anhalten aufgrund der erheblich beschleunigten Infektionsrate durch das Corona-Virus und dem sich daraus abzeichnenden Abbruch der Lieferketten und dem Einbruch der Nachfrage auf den Märkten.

Zudem wollten wir natürlich unsere Mitarbeiter schützen. Der Auftragseingang ging im ersten Quartal bereits um 16 Prozent zurück. Das zweite Quartal wird nicht besser werden, weil wir die volle Wirkung von Corona nun erst zu spüren bekommen. Ende April haben wir begonnen, die Produktion wieder schrittweise hochzufahren. Wir haben noch einen Auftragsbestand, der uns hilft. Doch eines muss uns klar sein: Die Coronakrise wird massive Spuren hinterlassen.

Was heißt das mit Blick auf Traton konkret?

Wir hatten für 2020 einen Rückgang des europäischen Markts um 10 bis 20 Prozent gegenüber 2019 prognostiziert. Das war vor Corona. Angesichts der Wucht, mit der die Krise die Branche trifft, ist aktuell keine Vorhersage mehr möglich. Zielführender ist es jetzt, in Szenarien zu denken und auf Sicht zu fahren: Was müssen wir tun, wenn der Markt im Umfang x zurückgeht?

Gibt es denn Bereiche, die trotz Corona laufen?

Natürlich kommen nach wie vor Aufträge rein. Transport ist notwendig und systemrelevant. Und Gott sei Dank gibt es genügend Güter, die täglich transportiert werden müssen. In dem Zusammenhang möchte ich eines ganz klar sagen: Manche Berufsgruppe hat bisher nicht den nötigen Respekt erfahren. Dazu zählen auch die Berufskraftfahrer. Sie haben es schon in normalen Zeiten sehr schwer, aber derzeit ist ihre Lage fatal. Traton unterstützt daher den Verein DocStop und die Initiative #Logistikhilft.

Damit sich Fahrer unterwegs duschen können und saubere Toiletten vorfinden, werden Sanitärcontainer aufgestellt. In Spanien, Frankreich und Italien stellen wir mittlerweile fest, dass wieder mehr Güter bewegt werden. Doch eine nennenswerte Nachfrage nach Transporten wird erst eintreten, wenn die Wirtschaft nachhaltig anspringt. Daher brauchen wir jetzt schnelle Konjunkturmaßnahmen. Damit darf nicht bis September gewartet werden. Die Regierung muss ihre Handlungsfähigkeit zeigen, um der Krise entschieden entgegen zu wirken. Wenn wir jetzt Parteipolitik machen, sind wir nicht handlungsfähig.

Welche Art von Maßnahmen regen Sie konkret an, um die Wirtschaft und speziell die Nutzfahrzeugbranche zum Laufen zu bringen?

Mir geht es nicht um Unterstützung einer einzelnen Industrie, sondern um Investitionszuschüsse, von denen alle Branchen profitieren. Sie sollten für Investitionsgüter ebenso wie für einen Autokauf gelten, die Fahrzeugindustrie ist immerhin eine europäische und vor allem deutsche Schlüsselbranche. Das wäre ein großer Hebel und ein starkes Signal.

Wie käme ein Flottenbetreiber, der bereit ist, in der Krise den einen oder anderen Lkw zu erwerben, konkret zu seinem Zuschuss?

Das ließe sich relativ einfach darstellen. Nehmen wir an, es gibt als Zulage zehn Prozent der Investitionssumme, dann erhalten Flottenbetreiber bei einer Investition von 100.000 Euro einen Zuschuss von 10.000 Euro. Das würde nicht nur für die Nutzfahrzeugindustrie gelten, die gesamte Investitionsgüterbrache würde so profitieren. Zusätzlich halte ich Sonderabschreibungen für sinnvoll, etwa die Abschreibung des Anschaffungswerts eines Lkw in nur zwei bis drei Jahren.

Trotzdem verschwinden die alten Lkw bei einem Investitionszuschuss nicht vom Markt. Bleibt der Umweltschutz da nicht auf der Strecke?

Dem Klimaschutz könnte ebenfalls Rechnung getragen werden, indem das Ganze sinnvoll mit einer Flottenerneuerung verbunden wird. Wer zum Beispiel seinen Euro-3-Lkw zurückgibt und sich für einen Lkw der Euro-Norm 6 entscheidet, könnte dann einen Bonus bekommen. Ein Drittel der Flotten in Europa ist noch mit Euro 3 bis 5 unterwegs. Wenn wir diese Fahrzeuge ausrangieren und nachhaltig recyceln, hätten wir viel für die Umwelt getan. Im ersten Schritt geht es um ein Dachprogramm, also um Investitionszuschüsse. Im zweiten Schritt könnte damit ein Programm zur Flottenerneuerung verknüpft werden.

Ist es nicht sinnvoller, im Sinne des Umweltschutzes nur alternative Antriebe zu fördern?

Es ist nicht sinnvoll, heute alternative Antriebe zu fördern, die niemand kauft, weil sie in der Betrachtung der Gesamtkosten für den Betreiber (TCO) noch keinen Vorteil haben. Lkw sind Wirtschaftsgüter – der Betreiber muss Geld damit verdienen können. Man könnte natürlich sagen: Wir fördern ab sofort nur noch die Brennstoffzelle, weil das gut für die Umwelt ist. Das ist aber realitätsfern, weil es diese Lkw noch nicht gibt. Jetzt braucht es vor allem realistische Lösungen. Wir bekennen uns klar zum Umweltschutz und zum Pariser Abkommen. Ein Lkw der Euro-Norm 6 hat hervorragende Emissionswerte, die entsprechende Zuschüsse allemal rechtfertigen.

Ist Ihr Vorstoß denn finanzierbar?

Gegenfrage: Wie lange kann die Kurzarbeit das Instrument unserer Wahl sein, wenn wir auf unabsehbare Zeit in eine tiefe Rezession fahren? Viele Unternehmen fangen bereits an, sich von Mitarbeitern zu trennen. Arbeitslosigkeit ist allemal teurer und muss überdies ebenfalls finanziert werden. Wenn wir nur einen Bruchteil dieses Geldes in die Konjunktur stecken und Kurzarbeit sowie erst recht Arbeitslosigkeit vermeiden, ist das Geld gut angelegt. Am wirkungsvollsten wäre ein europäisches Konjunkturprogramm. Hier sind Merkel und Macron auf dem richtigen Weg. 500 Milliarden Euro sind viel Geld, aber eine Rezession würde uns mehr kosten.

Was passiert, wenn die Konjunkturförderung ausbleibt?

Wenn Sie sehen, wie viele Mitarbeiter bei uns in Kurzarbeit sind, können Sie hochrechnen, was nach sechs Monaten passiert, sofern sich die Lage nicht bessert. Dauert die Krise ein Jahr an, können Sie nicht weiter mit der Kurzarbeit leben, weil diese Liquidität kostet. VW beispielsweise stockt die Gehälter auf bis zu 100 Prozent auf, weshalb die finanzielle Entlastung in der Gesamtkostenbetrachtung nicht so groß ausfällt. Und es geht um Tausende von Mitarbeitern. Es braucht nicht viel Kreativität, um sich auszumalen, was passiert, wenn wir 50 Prozent weniger Nachfrage haben.

Müssen Sie angesichts der Krise wichtige Investitionen auf Eis legen?

Im Gegenteil: Bei unseren Innovationsprojekten müssen wir weiter durchstarten. Insbesondere die Themen alternative Antriebe und Digitalisierung laufen mit voller Kraft weiter. Alles andere können wir uns nicht erlauben. Was wir heute nicht entwickeln fehlt uns in Zukunft. Wir haben bei MAN mit den neuen TG-Fahrzeugen eine Baureihe gelauncht, die auf eine sehr digitale Zukunft baut.

Wie bringen Sie die Mittel auf, die es für die nächsten Entwicklungssprünge bei der Brennstoffzelle braucht? Fassen Sie wie Daimler und Volvo eine Kooperation ins Auge?

Unser Modell sind Partnerschaften. Wir arbeiten seit einem Jahr mit der Toyota-Tochter Hino zusammen und fühlen uns damit gut aufgestellt. Asko als größter Lebensmittelhändler Norwegens testet Brennstoffzellenfahrzeuge von Scania bereits und hat sich gerade bereiterklärt, in den kommenden drei Jahren bis zu 75 batterieelektrische Lkw bei Scania zu bestellen.

Ich warne aber bei der Brennstoffzelle vor zu hohen Erwartungen. Die Brennstoffzelle ist keine Technologie, die schon morgen wettbewerbsfähig ist. Der Mainstream im Bereich der alternativen Antriebe wird für die nächsten Jahre der batterieelektrische Antrieb sein.

Welche Rolle spielen in der Traton-Welt die Gasmotoren, die ja Scania sehr stark voran treibt?

Traton ist technologieoffen. Gasmotoren haben den Vorteil, dass sie CO2 reduzieren. Sie sind aber nicht CO2-frei. Wir sehen sie daher als Brückentechnologie. In Schweden wird Biogas stark gefördert, das aus Abfällen hergestellt wird und einen CO2-neutralen Fahrzeugbetrieb ermöglicht.

Nun hat die Bundesregierung den Mautbonus für Gasfahrzeuge eben erst verlängert. War es das richtige Signal, wenn für Sie der Gas-Lkw nur ein Nischenprodukt ist?

Ob wir nun Gas fördern oder nicht – es bleibt eine Nischentechnologie. Daher brauchen wir in jedem Fall auch eine weitere Förderung von batterieelektrischen Lkw.

Und was soll ein mittelständischer Spediteur nun kaufen? Verbände kritisieren, dass es hierzu keine richtigen Empfehlungen für künftige Investitionsentscheidungen gibt.

Sicher ist: Auf die Brennstoffzelle müssen wir noch warten. Bis Ende des Jahrzehnts wird der Diesel seine tragende Rolle behalten. Wer sich heute einen sauberen Lkw der Euro-Norm 6 kauft, hat mit sieben Jahren Abschreibung kein Problem. Im Lieferverkehr wird der batterieelektrische Lkw das Rennen machen und seine TCO-Vorteile ausspielen, wenn wir die nötigen Stückzahlen fertigen können. Beim Pkw haben wir keine Chance, die CO2-Ziele ohne Elektroantrieb zu erreichen, sonst kommen wir nicht auf die geforderten 95 Gramm pro Kilometer. Damit steigen auch die Stückzahlen der Batterien. Von den sinkenden Preisen werden auch wir profitieren und einen Vorteil bei den TCO erreichen. In der zweiten Hälfte des Jahrzehnts werden wir dann sehen, was das auch für den Fernverkehr bedeutet. Sicher ist auf jeden Fall, dass Traton nicht von den Klimazielen abweichen wird.

zur Person

  • Andreas Renschler verantwortet seit Februar 2015 als Mitglied des Vorstands von Volkswagen den Geschäftsbereich Truck & Bus. Er ist zudem CEO von Traton. Unter seiner Führung wurde Traton Mitte 2019 erfolgreich an die Börse gebracht. Das Unternehmen bündelt das frühere Geschäft von Volkswagen Truck & Bus und umfasst die Marken MAN, Scania und Volkswagen Caminhões e Ônibus und RIO.
  • Renschler wurde 1958 in Stuttgart geboren. Er absolvierte eine Ausbildung zum Bankkaufmann und erlangte Abschlüsse als Diplom-Wirtschaftsingenieur und Diplom-Kaufmann. 1988 begann Renschler seine berufliche Laufbahn bei Daimler. 2004 wurde er zum Mitglied des Vorstands für den Bereich Daimler Trucks berufen. 2013 übernahm er im Vorstand die Verantwortung für das Ressort Produktion und Beschaffung Pkw & Vans.