Das Expertenforum klimafreundliche Mobilität und Infrastruktur (EKMI) wurde im Juni von Patrick Schnieder, Bundesminister für Verkehr, ins Leben gerufen. Nach nur fünf Wochen Austausch hat das Gremium seine Arbeitsergebnisse vorgestellt. Denn das Bundesministerium für Verkehr (BMV) muss bis Mitte September seinen Beitrag zum Klimaschutzprogramm der Bundesregierung an das federführende Bundesumweltministerium übermitteln. Die Bundesregierung ist verpflichtet, bis spätestens März 2026 ein neues Klimaschutzprogramm vorzulegen.
Dafür haben die 27 Experten – Vertreter etwa von der Allianz pro Schiene (ApS), des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), vom Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), Bundesverband Paket- und Expresslogistik (BPEX), Die Güterbahnen, Verband der Automobilindustrie (VDA) und vom Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) – in fünf Themenfeldern Maßnahmen unter Berücksichtigung ihrer ökologischen, ökonomischen und sozialen Auswirkungen diskutiert und in einem gemeinsamen Arbeitspapier bewertet.
Das wird jetzt vom BMV geprüft.„Die Mitglieder des EKMI haben in kürzester Zeit Ergebnisse erzielt, die wichtige Impulse für den Beitrag des BMV zum Klimaschutzprogramm leisten“, sagte Schnieder bei der Präsentation der Ergebnisse. Die Zusammenarbeit mit dem EKMI soll demnach fortgesetzt werden.
Themenfeld Dekarbonisierung des schweren Straßengüterverkehrs
Eines der Themenfelder war die „Dekarbonisierung des schweren Straßengüterverkehrs“. Die vorgeschlagenen Maßnahmenbündel orientierten sich an dem Ziel, dass bis 2030 ein Drittel der Fahrleistung im schweren Straßengüterverkehr elektrisch oder auf Basis strombasierter Kraftstoffe sein soll.
Dabei zeigte sich auch, dass die Experten in ihrer Einschätzung aber nicht immer einer Meinung sind. So gab es beim Thema Flottengrenzwerte schwerer Lkw zwei Positionen: Die erste verlangte eine Überprüfung der Vorgaben vor 2027 und eine Prüfung, ob Trailer aus der Flottenregulierung herausgenommen werden sollten. Die zweite Position lehnte einen vorgezogenen Review ab, da erst mit den Registrierungszahlen bis Mitte 2026 der Beitrag zur Zielerreichung abschätzbar sei. Auch bei der Frage der Berücksichtigung erneuerbare Kraftstoffe bei der Mautbefreiung waren sich nicht alle einig.
Gewichtsfreigabe für ZEV
Und auch bei der batteriebezogenen Gewichtskompensation gibt es zwei Positionen zur Anpassung des EU-Rechtsrahmens (Überarbeitung der Richtlinie 96/53/EG): Einmal die pauschale Gewichtsfreigabe von vier Tonnen für ZEV; Anpassung der Antriebsachlast auf 12,5 Tonnen und gegebenenfalls Erweiterung auf sechs Achsen zur Erreichung von 44 Tonnen Gesamtmasse, plus die EU-weite Einführung des verlängerten Sattelaufliegers. Oder – so die zweite Position – keine pauschale Gewichtsfreigabe, sondern eine degressive Ausgestaltung, „die sich an dem tatsächlichen Mehrgewicht des E-Antriebs im Vergleich zum Dieselantrieb sowie an den (zu erwartenden) technologischen Fortschritten bei der Verringerung des Mehrgewichts orientiert“. Und: Kompatibilität des verlängerten Sattelaufliegers mit dem Kombinierten Verkehr.
Weitere vorgeschlagene Maßnahmen waren ein Bundeszuschuss zum KfW-Investitionskredit „Nachhaltige Mobilität“; Instrumente wie KfW-Kredite und Sonderabschreibungen sollten durch direkte Zuschüsse ergänzt und bürokratiearm ausgestaltet werden und die Förderung auf Leasing und Mietkauf ausgeweitet sowie KMU-gerecht gestaltet werden.
Verlängerte Mautbefreiung bis 2032
Auch die Verlängerung der Mautbefreiung für emissionsfreie Lkw bis 2030, idealerweise bis 2032 schlugen die Experten vor, sowie, abhängig vom Ausgang der Revision und sofern Trailer weiter in der Flottenregulierung inkludiert sind, perspektivisch eine Aufnahme von Trailern in die CO₂-Maut. Und: CO₂-Mauterlöse sollten zweckgebunden in klimafreundliche Infrastruktur und Antriebe zurückgeführt werden.
Förderung der Ladeinfrastruktur
Vorgeschlagen werden auch in einem Maßnahmencluster eine Förderung zur Unterstützung des Aufbaus von Lkw-Ladeinfrastruktur auf Betriebsgeländen – inklusive Förderung der Netzanschlüsse und des erforderlichen Lade- und Energieerzeugungsequipments, von E-Lkw-Stellplätzen und der dazugehörigen Beratungsleistung. Das privatwirtschaftliche Engagement für öffentliche Ladeinfrastruktur auf privaten Flächen zur Verdichtung des Lkw-Ladenetzes entlang der Bundesfernstraßen steht auch im Fokus: Hier sind die Beschleunigung von Genehmigungen und Flächenzugang sowie das Aufsetzen eines Förderprogramms zur Errichtung neuer E-Lkw-Stellplätze wichtig, ebenso die Möglichkeit zur öffentlichen Beschilderung durch eine StVO-Regelung für Autohöfe und E-Lkw-Stellplätze.
Zudem soll der Bund im Güterverkehr Transparenz herstellen zu Marktentwicklung (E-Lkw-Technologie, Stückzahlen, Preise; MCS-/CCS-Lade-Hubs) und den Anschlusskapazitäten. Der vorgeschlagene Maßnahmenkatalog beinhaltet auch die Förderung von Wasserstofftankstellen für Nutzfahrzeuge, eine Strompreisreduzierung für den Logistiksektor, die Einführung eines neuen E-Kennzeichens für Nutzfahrzeuge sowie Anpassungen beim Mittelansatz des Mautharmonisierungs-Programms, um eine CO₂-Mehrfachbelastung durch den CO₂-Aufschlag in der Lkw-Maut und durch das BEHG (künftig ETS II) zu verhindern.
Soziale Auswirkung der Maßnahmen
Allerdings: „Das Maßnahmenpaket enthält wichtige Ansätze, reicht zur Zielerreichung der erforderlichen THG-Minderungen jedoch nicht aus“, so die Experten: Die politischen Zielsetzungen seien daher mit praktischen Umsetzungspfaden zu unterlegen sowie Nutzungsvorteile, wie die befristete Mautbefreiung, als ökologische Lenkungsinstrumente weiterzuentwickeln. In der Wirkungsabschätzung geben die Experten auch zu bedenken, dass sich die soziale Frage im Lkw-Bereich primär als Herausforderung mit wirtschaftlichem Druck und Arbeitsplatzrisiken für KMU darstelle – es bedürfe daher spezifischer Fördermaßnahmen zur Stärkung.
Insgesamt stellte das EKMI für den Güterverkehr ein Maßnahmenbündel zusammen, das zumindest „eine gute, aber keine ausreichende Grundlage für die zukunftsfähige Ausrichtung des Sektors“ biete. Einzelne Maßnahmen seien gezielt zu ergänzen und müssen „mit der bestehenden regulatorischen Landschaft miteinander austariert und mit politischen Leitplanken konsolidiert werden“. Die Maßnahmen sollten zudem besser aufeinander abgestimmt sein, aktuelle ökonomische Rahmenbedingungen berücksichtigen und verlässlich ausgestaltet werden. Auch die Heterogenität der Marktteilnehmer – etwa hinsichtlich Unternehmensgröße und finanzieller Ausstattung – sollte laut EKMI berücksichtigt werden.
Forderung von Kombiverkehr
- In einem Appell an die Bundesregierung fordert der Operateur Kombiverkehr mit Blick auf die auch vom EKMI vorgeschlagenen Maßnahmen für den Kombinierten Verkehr schnelle Hilfe.
- „Jetzt muss auch sofort politisch gehandelt werden“, sagt Kombiverkehr-Geschäftsführer Heiko Krebs und nennt die Situation des KV infolge der geplanten Totalsperrungen der DB InfraGO und der katastrophalen Netzqualität „dramatisch“.
- Arbeitsergebnisse und Empfehlungen der EKMI beinhalten demnach eine Trassenpreisreform, den Mehrkostenausgleich bei sanierungsbedingten Umleitungen, die Senkung der Stromsteuer und die Befreiung von der Lkw-Maut im Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr.
Das sind die fünf EKMI-Handlungsfelder
- Elektrifizierung des Pkw-Antriebs.
- Dekarbonisierung des schweren Straßengüterverkehrs,
- Kommunale Mobilität und Multimodalität,
- Verlagerung auf die Schiene, Binnenschiffe und den kombinierten Güterverkehr,
- Einsatz regenerativer Kraftstoffe.