DVF-Chef Florian Eck: Über-Bürokratisierung beenden

DVF-Geschäftsführer Florian Eck
Über-Bürokratisierung beenden

Nicht doppelt planen, sondern die Über-Bürokratisierung beenden und schnell bauen, das fordert Dr. Florian Eck, Geschäftsführer des Deutschen Verkehrsforums.

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trans aktuell: Herr Eck, das Deutsche Verkehrsforum feiert dieses Jahr den 40. Geburtstag. Was hat sich seit der Gründung geändert?

Florian Eck: Ursprünglich war das Verkehrsforum mit dem Ziel gegründet worden, die Bundesbahn in Deutschland auf dem Weg zum Wirtschaftsunternehmen zu begleiten und Lobbying für den Schienenverkehr zu machen. Nach dem Anstoßen der Bahnreform hat man gesehen, dass für das Thema der Mobilität insgesamt eine Plattform fehlt. So ist aus dem Verkehrsforum Bahn 1992 das deutsche Verkehrsforum als weltweit einzigartiger Verband entstanden. Ziel sind seither die Vernetzung der einzelnen Verkehrsträger, eine Entwicklung von Zukunftsstrategien für den Verkehrssektor und die Aufstellung von politischen Forderungen insgesamt, um Mobilität und Transport als Standortfaktoren für Deutschland voranzutreiben.

Treibt aktuell aber nicht die Kostenfrage einen Spalt zwischen die Bereiche? Etwa die Lkw-Mauterhöhung, die dem Schienengüterverkehr zugutekommt.

Für den gesamten Verkehrssektor sehen wir insgesamt eine Scherenbewegung aus zunehmenden Belastungen wie die zusätzliche CO2-Maut im Straßengüterverkehr, die geplante Trassenpreiserhöhung im Schienengüterverkehr, steigende Luftverkehrssteuern und allgemein steigende Energiekosten.

Reden wir über den Straßengüterverkehr – die Speditionen wurden zusätzlich belastet, sollen aber in den nächsten Jahren wesentlich zur Dekarbonisierung des Sektors beitragen.

Natürlich kritisieren wir den Wegfall der Fördermaßnahmen, die die Transformation ja eigentlich unterstützen und Anreize setzen sollten – das ist eine extreme Mehrbelastung für die Unternehmen. Bei der CO2-Maut landen außerdem die Komponenten nicht zu 100 Prozent in dem Sektor, in dem sie generiert werden, sondern werden auch zur Sanierung des allgemeinen Haushalts verwendet. Unsere Schlussfolgerungen daraus sind, schnellstmöglich bei anderen Aspekten anzusetzen. Erstens bei der Über-Bürokratisierung, was die monetäre Entlastung für die Firmen bedeutet, ohne zusätzlichen Einsatz von Steuergeldern. Zweitens das Festhalten an Sanierung und Ausbau der Infrastruktur, und zwar bei allen Verkehrsträgern. Und drittens die Transformation weiter unterstützen, denn hier liegen die Zukunftsbausteine des Sektors. Ebenso wie bei der Digitalisierung – hier gibt es einen investiven Ansatz, der Geld kostet. Es gibt aber auch einen entbürokratisierenden Ansatz, der aber genauso angefasst werden muss.

Für die Transformation etwa auf der Straße braucht es Ladeinfrastruktur. Wo stehen wir da?

Wir sind langsam auf dem Weg, aber noch nicht auf einem gutem Weg. Bei Ladeinfrastruktur gilt das Henne-Ei-Prinzip – ohne Ladeinfrastruktur gibt es keine Bereitschaft, in elektrische Flotten zu investieren. Auch hier gibt es einen riesigen bürokratischen Aufwand, der hemmt. Die logistische Realität mit Logistikzentren und Leasingflotten ist in der Förderkulisse nicht richtig abgebildet, so dass Unternehmen bei den Fördermitteln für die Ladeinfrastruktur durch das Raster fallen. Wir haben außerdem das Problem der fehlenden Flächen vor Ort, um Ladeinfrastruktur bei den Betrieben und in Logistikansiedlungen zu schaffen. Auch gibt es so banale Dinge, dass ein Lärm-Emissionsgutachten für einen Transformator erstellt werden muss, auch wenn dieser direkt neben der Autobahn steht. Das alles bedeutet mitunter auch einen Aufschub um mehrere Monate, Wenn wir in die Transformation kommen wollen, brauchen wir aber alle Signale auf Grün.

Im Rahmen der Transformation soll auch mehr auf die Schiene verlagert werden. Reichen die Gelder aus der Lkw-Maut für den Ausbau aus, um schnell Kapazitäten auszubauen?

Tatsächlich benötigen wir alle Finanzierungsquellen für alle Verkehrsträger. Und ich fürchte, wir werden in Zukunft auch eine noch stärkere Nutzungsbelastung sehen, allein schon über die steigenden CO2-Preise. Das geht aber nur mit einer höheren Transparenz der Politik, wofür die zusätzlichen Einnahmen verwendet werden. Selbstverständlich brauchen wir auch zusätzliche Mittel speziell für die Schienen-Infrastruktur. Sonst verfehlen wir die Verlagerungsziele, und wir werden auch die vorhandenen Verkehre nicht mehr stemmen können. Das schadet dem Standort Deutschland. Leider haben wir fast täglich Meldungen über zu stopfenden Haushaltslöcher zur Sanierung der Verkehrswege, ohne dass es eine Einigung zur Finanzierung gibt.

Was sind aktuell die schlimmsten Auswüchse bei der Infrastruktur?

Beispielsweise Stuttgart 21 oder die Rheintalbahn – hätte man am Anfang ein schnelles Bekenntnis gehabt, dann wären auch die Kosten heute anders. Ein positives Beispiel hingegen ist die Generalsanierung der Schiene mit der Riedbahn als erstes Projekt – hier wurde alles durchgetestet und alle Beteiligten ziehen zusammen an einem Strang. Es ist wichtig, dem Bürger zu sagen, was mit so einem Neubau verbunden ist, und es ist wichtig, das dann auch schnell durchzuziehen. Das sehen wir im Ausland, etwa bei der Fehmarnbeltquerung oder dem Gotthard-Basistunnel. Wir haben in Deutschland das Bedürfnis, alles doppelt zu regeln und abzustimmen: Nach der vorgezogenen Bürgerbeteiligung kommt das eigentliche Verfahren, in dem nochmals eine Beteiligung möglich ist und Details erneut auf den Prüfstand kommen.

Bei der Straße liegt ein Investitionsschwerpunkt auf den sanierungsbedürftigen Brücken. Was halten Sie außerdem für wichtig?

Bei allen Verkehrsträger gibt es Warnmeldungen, dass Zustandswerte kritisch sind. Aber Brücken sind besonders neuralgisch, weil Engpass-Stellen entstehen, wenn sie gesperrt oder abgelastet werden. Das folgende weiträumige Umfahren kumuliert in andere Bereiche. Es gibt aber auch einfach viele Streckenabschnitte – bei der Straße, der Schiene oder den Wasserstraßen – die bröckeln. Meistens sind wir uns erst beim Totalausfall bewusst, dass wir keine Redundanz in der Infrastruktur haben, um solche Baustellen abzufedern. Das zeigt dann, wo gespart wurde – und macht den Aufholbedarf umso dringlicher und teurer.

Inwiefern?

Auch wegen der Baukostensteigerungen. Nach unserer Berechnung haben wir einen aufgelaufenen Investitionsstau bei der Infrastruktur von insgesamt mindestens 80 Milliarden Euro, der abgearbeitet werden muss. Wir müssen also über die 26 Milliarden Investitionsmittel gehen, die jährlich zur Verfügung stehen. Allein 2021/2022 haben wir aber bei den Baukosten Teuerungsraten von 16 Prozent verzeichnet – das verteuert zukünftige Projekte, aber auch die Projekte im Rückstau.

Dr. Florian Eck, Geschäftsführer Deutsches Verkehrsforum (DVF)
Erika Borbély Hansen
Dr. Florian Eck, Geschäftsführer beim Deutschen Verkehrsforum (DVF).
Wird das Beschleunigungsgesetz für den Verkehr helfen und wann kommt es?

Es ist in den Beratungen durch, aber es enthält noch nicht alles, was notwendig ist. Etwa die Stichtagsregelung für Umweltbelange, die wir vorgeschlagen haben, die Finanzierung von Planungspersonal vor Ort oder von Digitalisierung vor Ort. Alles Dinge, die Maßnahmen beschleunigen können. Die Stichtagsregelung beispielsweise ist noch nicht in Gesetzesform gegossen, weil Kritik vom EuGH befürchtet wird. In der Theorie ist das alles im von Bundeskanzler Olaf Scholz formulierten Deutschlandpakt enthalten. Darum muss dieser jetzt dringend Realität werden.

Aktuell wird vermehrt über die Planung und Finanzierung des Verkehrshaushaltes diskutiert.

Klar ist, dass der Haushalt konsolidiert werden muss. Weg vom Gießkannenprinzip, hin zu Ausgaben, die stärker investiv und weniger konsumorientiert sind. Wir müssen natürlich zusätzliche Finanzquellen erschließen. Wir müssen aber auch effizienter bauen, Stichwort partnerschaftliches Bauen. Die Richtung geht weg vom jährlichen Haushalt, hin zu langfristigen Strukturen. Etwa durch Fonds, die dafür sorgen, dass Mittel für die Infrastruktur gebunden werden, egal aus welcher Quelle sie kommen. Darüber müssen sich Regierung und Opposition aber einig werden. Es braucht aber auch ein politisches Bekenntnis, welche Projekte wichtig sind, und das über ganze Regierungsperioden hinweg – das ist wichtig für die Planbarkeit der Wirtschaft. Das haben wir bei den Anträgen für die Lkw-Förderprogramme gesehen: Durch die Verzögerung der Bewilligungen wurden die Planungsprozesse vieler Unternehmen durchkreuzt. Viele haben daher die Förderung wieder in den Wind geschlagen.

Was ist für 2025 notwendig?

Es ist klar, dass wir 2025 mehr Geld für den Verkehrshaushalt brauchen. Dieses Jahr hatten wir angesichts der enormen Kostensteigerungen real betrachtet eine Seitwärtsbewegung in vielen Bereichen, bei der Transformation und bei vielen Neu- und Ausbauprojekten. 2025 müssen wir aber Fahrt aufnehmen, ansonsten scheitern wir am Zustand der Infrastruktur und an der Vorbereitung auf den Klimawandel. Und dafür brauchen wir eine richtige Finanzierung. Ich weiß nicht, ob wir dafür an die Schuldenbremse gehen müssen oder nicht – aber es muss klar sein, dass fehlende Zukunftsinvestitionen die künftigen Generationen eher stärker schädigen als die heutigen Schulden.

Zur Person

  • Dr. Florian Eck ist seit Anfang 2020 Geschäftsführer im Deutschen Verkehrsforum (DVF), dem Mobilitätsverband der deutschen Wirtschaft mit Sitz in Berlin.
  • Neben dem kaufmännischen Bereich verantwortet Dr. Eck den Think Tank des Verbandes und die Verbandsentwicklung. Seine inhaltlichen Schwerpunkte liegen in den Bereichen Güterverkehr / Logistik, Digitale Vernetzung und Infrastruktur.
  • Vor dem Wechsel zum DVF 1998 war der promovierte Volkswirt als selbständiger Unternehmer im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologien tätig.