Plaß: Wir haben grundsätzlich ein hohes Vertrauen in die Politik, aber das Auf und Ab beim Gas-Lkw verwundert sehr – erst wird er vom Bundestag per Gesetz von der Maut befreit, um dann gleich wieder zum Zankapfel zwischen Berlin und Brüssel zu werden. Das hat Verunsicherung in der Branche ausgelöst, und die Fahrzeugbestellungen bei den Herstellern rissen komplett ab. Investitionssicherheit sieht anders aus. Bei der Zippel-Group hatten wir auch 20 CNG-Lkw bestellt. Es war die Kombination aus Mautbefreiung und Anschaffungsprämie, die die Fahrzeuge interessant gemacht hat.
Plaß: Da es bei der Mautbefreiung bereits keine Sicherheit über 2023 hinaus gibt, haben wir einen Teil der Bestellungen stornieren und durch modernste Euro VI-Diesel-Lkw ersetzen müssen. Es war von Anfang an ein handwerklicher Fehler, die Mautbefreiung auf ein bestimmtes Jahr zu begrenzen und nicht auf die Nutzungsdauer des Fahrzeugs. So hat der Gesetzgeber ein Bestell-Peak provoziert, während klar ist, dass 2022 niemand mehr bestellen wird. Ich glaube nicht, dass der Gasantrieb unter diesen Voraussetzungen eine Zukunft hat – und der Nutzfahrzeuggipfel hat mir die Zweifel nicht genommen.

Huster: Wir bedauern natürlich, dass es auf dem Nutzfahrzeuggipfel zum Gas-Lkw keine positiveren Signale gab. Nicht ganz glücklich fanden wir zudem, dass im Grunde ein bereits beschlossenes Konzept vorgelegt wurde, das nicht mehr viel Raum für Diskussionen ließ. Andererseits ist das Konzept überwiegend überzeugend. Minister Scheuer ist es letztlich gelungen, die wesentlichen Akteure an den Tisch zu holen – die Logistikbranche, die Fahrzeug- und auch die Energieindustrie –, weil alle Gruppen einander bei der zügigen Verbreitung alternativer Antriebe brauchen. Mit Blick auf die Zukunft hat das „Gesamtkonzept klimafreundliche Nutzfahrzeuge“ jetzt deutlich mehr Klarheit gebracht.
Huster: Wir wissen nun, welche Technologien gefördert werden, und wie der Zeitrahmen aussieht. Die Förderkulisse über 1,16 Milliarden Euro für den Markthochlauf von Lkw ohne fossile Antriebe und über 4,1 Milliarden Euro für den Aufbau einer Tank-, Lade- und Oberleitungsinfrastruktur halten wir zunächst für ausreichend dimensioniert, so lange keine Förderkonkurrenz mit dem Pkw-Sektor entsteht. Positiv auch: Das Konzept unterscheidet zwischen regionalen logistischen Anwendungen, bei denen batterie-elektrische Konzepte gute Einsatzmöglichkeiten haben, und dem Fernverkehr, wo alles eher für den Wasserstoff- oder möglicherweise auch für den Oberleitungs-Lkw spricht. Das Konzept berücksichtigt ferner die voraussichtliche technische Verfügbarkeit der Antriebe, was ebenfalls ein wichtiger Aspekt ist. Das hat durchaus Hand und Fuß.
Huster: Sie finden in der Langzeitbetrachtung im Konzept leider keine Erwähnung, obwohl sie unter den Antrieben eine wichtige Brücke ist, die über 2023 hinaus bestehen bleiben könnte, beim Einsatz von Biogas auch mit längerfristigen Perspektiven. Wenn es auch keine Null-Emissions-Fahrzeuge sind, bringen sie doch unstrittig eine Reduktion der Emissionen. Das ist doch schon ein Fortschritt, aber politisch offensichtlich nicht durchsetzbar.
Plaß: Vielleicht hätte man dem Kind einen anderen Namen geben müssen. Wir haben die Chance, dem Gas-Lkw zum Durchbruch zu verhelfen, leider amateurhaft vertan. Nun ist der Zug abgefahren. Gas ist für viele zu negativ besetzt, viele denken an Russland, Pipelines und Putin. Niemand denkt daran, dass es auch in Deutschland produziertes Biogas gibt. Für unsere CNG-Lkw haben wir ein funktionierendes Tankstellennetz. Das Stroh, aus dem das Biogas gewonnen wird, hatte zuvor als Getreidepflanze ja auch schon CO2 aufgenommen – was ebenfalls ein Pluspunkt für diesen Antrieb ist. Wir haben Kunden, die auf den Gas-Lkw abfahren. Und wir können ihn effizient im Vor- und Nachlauf zum Kombinierten Verkehr einsetzen. Das alles scheint aber nicht zu zählen.
Huster: Das kommt sehr auf den Blickwinkel an. Die Bundesregierung nimmt viel Geld in die Hand und will ja beides fördern: die modernste Diesel-Technologie ab dem Baujahr 2021 durch das Flottenerneuerungsprogramm und alternative Antriebe mit einem weiteren Programm, dessen Inhalte wir heute noch nicht kennen. Aber richtig: die überwiegende Mehrheit unserer Mitgliedsunternehmen, die eigene Lkw-Flotten betreiben, hat tatsächlich heute bereits nur noch EURO VI-Fahrzeuge im Bestand – neben den LNG-/CNG-Trucks derzeit die ökologischte Variante. Diese Unternehmen werden von dem Programm gar nicht profitieren, aber einige EURO V-Lkw sind ja auch noch am Markt. Entscheidend für den Umgang mit dieser Schadstoffklasse wird die Abwägung zwischen Restwerterlösen und Verschrottungsprämie sein. Das Flottenerneuerungsprogramm fördert zwar auch innovative Trailertechnologen, hat aber ansonsten wenig Bedeutung für die Verkehrswende in der Logistik. Es ist wohl mehr ein Konjunkturprogramm für die Nutzfahrzeugindustrie.
Huster: Aktuell gibt es beim Wasserstoff lediglich Insellösungen und Prototypen. Und die Fahrzeugindustrie trifft noch keine verbindlichen Aussagen über die Marktreife bis zum Jahr 2025. Als Speditionsverband müssen aber auch nicht wir die Technologieoffensive zünden. Die Ausschließlichkeit von Wasserstoff ist nicht unser Ziel. Unsere Forderung ist simpel: wir brauchen CO2-neutrale Antriebe.
Plaß: Der DSLV ist neutral und breit aufgestellt und wird sich nicht in eine Richtung festlegen. Wasserstoff hat Potenzial und könnte eine Technologie sein, die wir im breiten Umfang einsetzen. Aber wir sollten niemandem die Technologie vorschreiben. Viele Antriebsarten haben in unserem Mitgliederkreis ihren Anwendungsfall und deshalb eine Berechtigung.
Huster: Wir haben Zusagen sowohl von Bundesumweltministerin Schulz als auch von Bundesverkehrsminister Scheuer, dass es keine doppelte Belastung geben wird. So steht es im übrigen auch in der Begründung zum BEHG. Wie dies unbürokratisch geschenen soll, ist allerdings offen. Der deutsche Alleingang für einen nationalen Emissionshandel war leider ein politischer Fehler. Der CO2-Aufschlag für den Liter Diesel in Höhe von acht Cent ist seit 1. Januar 2020 in Kraft und es gibt heute keine Alternativen, von denen die Umwelt profitieren könnte. Ein Unternehmer wie Axel Plaß ist mit bis zu 2.000 Euro Mehrkosten pro Lkw im Jahr dabei und es gibt für ihn keinen Ausweg aus der zusätzlichen Kostenbelastung: Er kann heute noch keinen Wasserstoff-Lkw einsetzen und er kann auch derzeit kaum mehr Fracht auf die Bahn verlagern.
Plaß: Wir sehen das ausgesprochen kritisch. Das ist nicht das erste Mal, dass die Bahn ihre Logistikkompetenz ausbauen will. Die letzten Versuche haben allerdings nicht gefruchtet. Wenn das Ganze als Staatsunternehmen buchstäblich nur über die Preisschiene funktioniert und der Markt und die Wettbewerbsbahnen dann das Nachsehen haben, hat am Ende keiner etwas davon. Leistet sich der Staat ein eigenes Logistikunternehmen und mit TFG Transfracht eine eigene Güterbahn für den maritimen Hinterlandverkehr, haben diese auch andere Preise als die marktwirtschaftlich orientierten Anbieter.
Huster: Das Spannungsfeld von Staatskonzern mit Versorgungsauftrag und aktivem Engagement im freien Logistikmarkt ist natürlich per se kritisch.
Plaß: Wir plädieren seit Jahren dafür, dass die DB Ganzzüge und Einzelwagenverkehre anbieten und bestmöglich abwickeln soll, aber wohlgemerkt als neutraler Anbieter zum Wohle der Allgemeinheit und nicht der eigenen Logistiktochter. Dann haben wir eine realistische Chance, den angestrebten Marktanteil von 30 Prozent auf der Schiene zu erreichen. Aber durch diese Vermischung der Geschäfte sind viele Spediteure zurückhaltend.
Plaß: Wer garantiert uns, dass DB Cargo nicht direkt unsere Kunden anspricht und abwirbt, wozu sie in der Lage wäre, wenn wir ihr sämtliche Auftragsdaten an die Hand geben? Es wäre eine Umfrage wert, zu erfahren, wie viele Lkw unterwegs sind, weil sich der Transportketten-Verantwortliche in der Spedition aus diesem Grund nicht traut, die Güter auf die Bahn zu bringen. Das mangelnde Vertrauen ist das Grundproblem und die Erklärung für den Erfolg der privaten Wettbewerber. Seit 15 Jahren vertraut auch unser Unternehmen ausschließlich privaten Traktionären. DB Cargo-Töchter würden auch die entsprechenden Relationen im Hinterlandverkehr bedienen. Doch wenn wir ihr die Container übergeben, könnten wir unsere Kunden gleich an die DB abgeben.
Huster: Bei allen Masterplänen, die bisher geschrieben wurden, hat noch keiner explizit das Marktverhalten der DB Cargo untersucht. Das soll überhaupt kein Misstrauen gegenüber Frau Dr. Nikutta sein. Wir schätzen sie sehr und setzen auf ihren Erfolg. Aber wenn es von der Bahn nun sinngemäß heißt: Wir brauchen keine Spediteure mehr, sondern organisieren die Logistik und die ganze Lieferkette künftig komplett selbst, tut sie sich mit dieser Ankündigung keinen Gefallen. Sie verhindert damit sogar, dass ein großes Gütervolumen auf der Schiene landen wird. Dann können wir lange über Flüsterbremsen und automatische Kupplungen reden – alles wichtige Themen. Aber wir treten beim Hauptthema, der Verlagerung von Verkehren, dann weiter auf der Stelle.
Plaß: Der Verkehrsträger Schiene tickt anders, das verlangt eine andere Denke. Ich muss mich darauf einlassen, frühzeitig planen und kann, wenn ich erstmal auf der Schiene unterwegs bin, nicht mal eben von heute auf morgen den Verkehrsträger wechseln. Das muss als erstes in die Köpfe der Logistikleiter rein. Wer sich darauf einlässt, stellt fest, dass die Schiene Chancen bietet – und weiteres technisches Potenzial hat, mit 740 Meter langen Güterzüge oder automatischen Kupplungen. Unser Unternehmen hat sich vor 15 Jahren auf die Schiene eingelassen und macht heute mehr als 80 Prozent des Umsatzes auf der Schiene. Wir haben in diesem Monat eine neue Relation ins südliche Brandenburg und nach Sachsen eröffnet. Die Genehmigung lief problemlos. Die Dinge dauern aber einfach länger. Das muss man akzeptieren.
Zur Person: Axel Plaß
- Axel Plaß ist seit September 2018 Präsident des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV).
- Seit 1990 bei Konrad Zippel Spediteur beschäftigt, seit 2007 als geschäftsführender Hauptgesellschafter.
- Ausbildung zum Agrotechniker, Pädagogikstudium in Berlin. Geboren 1966 in Hagenow.
Zur Person: Frank Huster
- Frank Huster ist seit 2013 Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV).
- Seit 1992 beim DSLV bzw. seiner Vorläuferorganisation, zunächst als Leiter des Referats Umweltpolitik, Gefahrgutlogistik und Logistiksicherheit.
- Speditionslehre, VWL-Studium in Hamburg und Köln. Geboren 1964 in Hamburg.