Elektro- oder Wasserstoff-Lkw anschaffen – machbar. Die dafür nötigen Ladesäulen oder eine Wasserstoff-Tankstelle auf dem Betriebsgelände aufbauen – ebenfalls machbar. Doch nicht alles, was technisch machbar ist, ist auch finanziell sinnvoll. Will sich ein mittelständisches Unternehmen vom Diesel abwenden und seine Flotte komplett auf Fahrzeuge mit Elektro- und Wasserstoff-Antrieb umstellen, ist das ein nicht zu unterschätzender Kraftakt und ein erhebliches unternehmerisches Risiko. Das zeigt sich anhand einer Machbarkeitsstudie, die das Steinbeis-Transferzentrum Energie- und Mobilitätssysteme (STEM) im Auftrag des Bau- und Entsorgungsunternehmens Eugen Mayer aus Kirchheim am Neckar (Landkreis Ludwigsburg) erstellt hat.
Die Umstellung der Antriebe gleicht einer Rechnung mit vielen Unbekannten. Dazu gehört die Entwicklung der Energiepreise – seien es die Diesel- oder Stromkosten. Und dazu gehört die Ungewissheit, ob die Bundesregierung ihre Förderpolitik fortschreibt und auch nach 2024 den Löwenanteil der Investitionskosten übernimmt – sei es bei der Anschaffung der Fahrzeuge oder der Tank- und Ladeinfrastruktur. „Wir sehen uns nicht nur auf ein Problem, sondern auf viele Probleme zusteuern“, sagte Geschäftsführer Michael Mayer nach einer Präsentation der Studienergebnisse durch die Autoren Prof. Dr. Ralf Wörner und Dr. Oliver Ehret vor geladenen Gästen Ende Januar am Firmensitz in Kirchheim.

Erhebliche Herausforderungen sieht Unternehmer Mayer im Flächenbedarf für die Tank- und Ladeinfrastruktur. So wird das 1,8 Hektar große Firmengelände mitten in der Gemeinde schon heute bis auf den letzten Quadratmeter genutzt, und mögliche Freiflächen werden unter anderem für den Rangierbetrieb oder fürs Abstellen von Absetzcontainern benötigt. Eine weitere Hürde ist für den Firmenchef die Verfügbarkeit von Strom: Der Bedarf an grüner Energie ist immens.
Und auch der Fahrzeugeinsatz müsste laut Michael Mayer und seiner Schwester Ulrike Mayer – sie führen die Geschäfte des Unternehmens in dritter Generation – komplett umgestellt werden: Stehen die möglichen Elektro-Transporter und -Lkw an den Ladesäulen, fallen sie für andere Aufgaben temporär aus. Die Dispo ist zusätzlich noch an anderer Stelle gefordert: Bei den Elektrotransportern müsse sie Einschränkungen bei der Nutzlast hinnehmen, sagt Ulrike Mayer. „Wenn wir statt zwei Tonnen nur noch 500 Kilogramm transportieren, macht das einen großen Unterschied.“
Ergebnisse der Machbarkeitsstudie bewerten
Daher müssen die Geschwister nun in Ruhe überlegen, welche Schlüsse sie aus den Ergebnissen und Empfehlungen der Studie für ihr Unternehmen ziehen. „Erleuchtend“ sei sie, sagen sie, weil sie Praktikern die Augen öffnet und aufzeigt, wo überall Handlungsbedarf herrscht. Rund 40 Interessierte, darunter Kirchheims Bürgermeister Uwe Seibold, Landespolitiker unterschiedlicher Parteien und Vertreter des Verbands des Württembergischen Verkehrsgewerbes (VV Württemberg), dem das Bau- und Entsorgungsunternehmen seit 77 Jahren angehört, waren bei der Vorstellung vor Ort und diskutierten die Ergebnisse mit den Firmenverantwortlichen.
VV Württemberg-Hauptgeschäftsführer Dr. Timo Didier betonte, die Klimaziele für den Verkehr seien definiert und anspruchsvoll. „Das Transportgewerbe hat immer in die neueste Fahrzeuggeneration investiert und wird weiterhin seinen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten – im Rahmen des Machbaren“. Was heißt das nun im Fall von Eugen Mayer? Machbar wäre die Umstellung der Antriebstechnologie theoretisch schon, aber mit erheblichen Kraftanstrengungen und Risiken verbunden. Und möglich wäre die Transformation auch nur dann, wenn man die 22 Baumaschinen außen vor ließe, für die es laut Prof. Wörner am Markt aktuell keine emissionsfrei zu betreibenden Alternativen gibt.
Also konzentrierten sich die Autoren Wörner und Ehret auf den Transporter- und Lkw-Fuhrpark, für den es bereits Alternativen am Markt gibt. Er besteht aus 12 beziehungsweise 16 Einheiten. Aufs Konto des Fuhrparks geht – hier sind die Baumaschinen einbezogen – ein CO2-Ausstoß von 1.215 Tonnen im Jahr. Dieser Fußabdruck ließe sich um rund 60 Prozent auf 489 Tonnen pro Jahr verkleinern, investierte das Unternehmen ab sofort in Fahrzeuge mit Elektro- oder Wasserstoffantrieb.
Konkret regen die Wissenschaftler eine Flottenerneuerung durch den Erwerb von elf Elektro-Transportern, neun Elektro-Lkw und sieben Wasserstoff-Lkw an. Die Null-Emissions-Fahrzeuge sollen stufenweise bis 2030 und darüber hinaus Einzug in den Fuhrpark halten. Die ersten vier Elektro-Transporter würden nach ihrem Zeitplan noch im laufenden Jahr anrollen, vier Elektro-Lkw im zweiten Schritt. Ab 2025 kämen drei weitere E-Transporter, zwei weitere E-Lkw und erstmals fünf Wasserstoff-Lkw hinzu.
Warum der Antriebsmix? Mit einer Technologie allein wird die Dekarbonisierung nach Auffassung der Verfasser nicht gelingen – zu hoch ist im Fall von Strom der Energiebedarf. Allein für die vorgeschlagenen elf Elektro-Transporter und neun Elektro-Lkw ergibt sich ein Bedarf von 793.530 kWh pro Jahr. Das Unternehmen erzeugt auf seinen Dächern bereits Sonnenstrom, das Gros wird mit 153.323 kWh aber ins öffentliche Netz eingespeist. Für den Eigenbedarf bleiben 85.511 kWh – was nur einen kleinen Teil der benötigten 708.019 kWh decken würde.
Woher also die Energie nehmen? Die durch das KsNI-Programm des Bundes geförderte Machbarkeitsstudie nennt zwei Optionen. Einmal ein Windrad: 117 Meter hoch, mit einer Leistung von 3,3 Megawatt versehen, könnte es jährlich sechs bis sieben Millionen kWh erzeugen. Option zwei wären weitere Solarmodule: Erforderlich wären demnach 1.555 Einheiten, die jährlich 716.000 kWh Strom produzieren könnten. Benötigt würde dafür eine Fläche von 4.600 Quadratmetern.
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