"Brauchen eine Vereinfachung"

Interview mit BGl-Vorstandssprecher Engelhardt
"Brauchen eine Vereinfachung"

BGL-Vorstandssprecher Prof. Dr. Dirk Engelhardt über die Pläne der neuen Regierung für den Verkehr und neue Ideen gegen den Fahrermangel.

BGL, Prof. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher
Foto: BGL/Piotr Banczerowski
trans aktuell: Herr Prof. Engelhardt, wie ist denn aktuell die Lage der Unternehmen?

Prof. Dr. Dirk Engelhardt: Sehr angespannt. Viele Kollegen haben ihren Fuhrpark im zweistelligen Bereich dezimiert, es fehlen also zwischen 10 und 20 Prozent der Volumina im Markt. Neben dem Fahrermangel ist die wirtschaftliche Lage ein Grund dafür, die Transportbranche stellt ja eine abgeleitete Funktion der Situation der Verladerschaft dar. Hier und da wurde von den Verladern versucht, über Ausschreibungen oder Anschreiben die Frachtraten zu reduzieren, aber viele unserer Unternehmen sind diesen Weg einfach nicht mitgegangen, auch wenn sie einen Auftrag dadurch verloren haben. Ich bin sehr stolz, dass unsere Unternehmen da Rückgrat zeigen und nicht einen Transport "made in Germany" unter Einhaltung der rechtlichen und sozialen Standards zum Dumpingpreis fahren.

Gibt denn die neue Regierungskoalition und deren Vorhaben Grund für Hoffnung?

Wir können den Koalitionsvertrag ja nur an der Oberfläche bewerten, und was wir da sehen, ist im Großen und Ganzen positiv. Gleichwohl steht zum Verkehr nicht allzu viel drin, und vieles andere ist eher allgemein gehalten. Worauf wir setzen, ist, dass die Finanzierungskreisläufe wieder geschlossen werden, das war eine zentrale Forderung der ganzen Branche. Wir hoffen jetzt, dass die Mittel nicht nur zum Bau von Brücken und Straßen verwendet werden, sondern auch für Parkplätze, betriebliche Ladestellen und Unterwegs-Ladeinfrastruktur, und dass auch Förderprogramme aufgestockt werden. Positiv ist die Aussage aus dem Bundesverkehrsministerium, dass die Kommission Straßengüterverkehr weitergeführt werden soll.

Sind Sondervermögen Infrastruktur und die Einnahmen aus der Lkw-Maut denn jetzt ausreichend?

Damit sind wir relativ gut ausgestattet. Aber es müssen auch die richtigen Rahmenbedingungen vorhanden sein: Planungsmöglichkeiten, Planungsbeschleunigung und Ingenieure, damit die Pläne in die Tat umgesetzt werden.

Was sind neben der Infrastruktur die wichtigsten Themen?

Die Bekämpfung des Fahrermangels, von der Umsetzung der Ukraine-Verordnung bis zum E-Learning bei der Berufskraftfahrerqualifizierung.

Auch der Mindestlohn war in den letzten Wochen ein Thema.

Die 15 Euro machen uns als Branche keine Angst, weil unsere Unternehmen schon heute deutlich mehr bezahlen. Aber wenn das für alle Berufe angesetzt wird, zieht das eine Lohnspirale nach sich, so dass alle Löhne ansteigen, und das in einer angespannten wirtschaftlichen Situation. Ich hoffe nur, dass die Mindestlohnkommission hier ihre Arbeit gut macht.

Im Koalitionsvertrag stehen auch steuerliche Anreize für Rentner, um im Job weiterzuarbeiten – könnte das dem Fahrermangel helfen?

Das ist positiv zu bewerten, aber nur in Kombination mit der Erfüllung unserer Forderungen. Die zielen darauf ab, dass diese Personen auch tatsächlich eingesetzt werden können. Etwa auch wenn, nach 20 Jahren Berufstätigkeit die Ziffer 95 verfallen ist, oder wenn ein BCE-Führerschein im Rahmen einer ehrenamtlichen Tätigkeit erworben wurde. Das kann mit anderen Kriterien gekoppelt werden, wie den Jahren an Berufserfahrung oder dem Einsatz nur an X Tagen im Jahr. Steuerliche Anreize reichen also für die Beschäftigung von Fahrern nicht alleine aus. Das gehört dann auch zur Vereinfachung bürokratischer Vorgaben.

Besteht nicht bei diesem Politikwechsel die Gefahr, dass wieder neue richtungsgebende Gesetze aufgesetzt werden, statt vorhandene abzubauen?

Es wird Aufgabe des BGL und anderer Verbände sein, auf den Bürokratieabbau hinzuwirken. Damit könnten wir auch dazu beitragen, die Politikverdrossenheit zu reduzieren und die Wähler wieder zur demokratischen Mitte hinzubewegen. Denn das Gebot der Stunde ist wieder mehr Verantwortung und Vertrauen in die Bürger.

Abbau von unnötigen Vorschriften – das will der BGL auch bei der Berufskraftfahrerqualifizierung. Glauben Sie nicht, dass zu viele dagegen sind?

Natürlich prallen hier Interessen aufeinander, gerade die Weiterbildungsinstitute werden nicht begeistert sein. Aber uns fehlen nach eigenen Berechnungen mittlerweile 120.000 Fahrer. Wenn die Wirtschaft nur ein bisschen anzieht, haben wir ganz massive Probleme. Dieser Druck überwiegt meiner Ansicht nach, wir brauchen also eine Vereinfachung. Es braucht Mut, das etwa in einer Modellregion, einem Bundesland oder einem Landkreis, zu testen: Was passiert, wenn man Maßnahmen aussetzt? Gibt es keine Veränderung, können die Maßnahmen weg. Ich hätte hier gerne eine Systemumkehr.

Inwiefern?

Indem Maßnahmen wie die ärztliche Untersuchung erst notwendig werden, wenn ein Problem auftritt oder jemand auffällig ist. Der Besuch beim Hausarzt stellt dann eine niedrigere Hürde als der Betriebsarzt dar. Wir sind auch nicht prinzipiell gegen Aus- und Weiterbildung, wollen aber das Angebot diversifizieren; beispielsweise die Weiterbildungspflicht obligatorisch für die Unternehmen machen. Dann geht der Silospediteur speziell auf die Anforderungen bei Silotransporten ein. Und das macht er gerne, weil er will, dass sein Lkw im Wert von 100.000 Euro von einem qualifizierten Fahrer gelenkt wird. Zudem sind wir der Meinung, dass eine Weiterbildung im Jahr 2025 auch komplett digital ablaufen kann, so dass Fahrer abends oder während Pausenzeiten einzelne Blöcke abarbeiten können.

Dazu braucht es dann auch entsprechende Parkplätze, wenn der Fahrer unterwegs ist…

Und trotz der Milliarden aus dem Sondervermögen wird auch eine künftige Bundesregierung nicht genügend Parkplätze bauen können, weil die Flächen nicht zur Verfügung stehen oder auch aufgrund von Bürgerprotesten. Wir kämpfen daher auch in Brüssel weiter für autarke Fahrerhäuser. Also eine Sanitäreinheit hinter bestehende Fahrerhäuser oder sogar neue Fahrerhäuser mit entsprechenden Möglichkeiten, etwa zum Duschen. Dazu haben wir von Fahrern auch schon sehr positive Rückmeldungen bekommen, insbesondere von Fahrerinnen. Das muss auch ein Argument sein, um die Frauenquote von gerade einmal 2,3 Prozent zu erhöhen. Natürlich muss der Gesetzgeber mitspielen und dafür sorgen, dass das nicht weniger Nutzlast und Ladelänge beim Sattelauflieger oder der Wechselbrücke bedeutet – bei den Fahrzeugen, mit denen die Fahrer länger unterwegs sind.

Dennoch wird es das Fahrerproblem, ebenso wie die Rekrutierung aus dem Ausland, nicht lösen.

Immer weiter in den Osten zu gehen, wird nicht die Lösung sein, Wir brauchen mehr Akzeptanz, von der Bundesregierung und der Bevölkerung: 85 Prozent der Güter – auf das Gewicht bezogen – werden auf der Straße transportiert. Wir brauchen mehr Anerkennung für den Fahrerberuf und müssen ihn attraktiver machen – auch mit den besprochenen Lösungen. Es muss auch klar sein, dass der Beruf eine Zukunft in der Versorgung von Menschen hat, trotz aller Ankündigungen der Hersteller zu autonomen Fahrzeugen. Und vielleicht müssen wir uns als Branche von althergebrachten Lkw-Geschäftsmodellen lösen und mehr KI-basiert arbeiten, mehr Kooperationen mit Kollegen, mehr Begegnungsverkehre zulassen, damit die Fahrer abends wieder zuhause sind.

Sind die Verlader in die Pflicht zu nehmen?

Es gibt nicht die Lösung nur von einer Seite. Es könnte eine Änderung der Arbeitsstättenverordnung herbeigeführt werden, so dass an den Be- und Entladestellen gewisse Sozialstandards verpflichtend werden. Großverlader wie etwa BASF gehen an ihren neuen Abfertigungsparkplätzen hier schon deutlich weiter. Die Politik könnte darüber hinaus bei der Ausweisung von neuen Gewerbegebieten auch eine gewisse Anzahl von Stellplätzen vorschreiben oder dies bei der Neugestaltung von PWC-Anlagen zur Pflicht zur machen.

Müsste nicht das Thema Ausbildung weiter verstärkt werden?

Die Branche unternimmt schon sehr viel, investiert etwa in eigene Sozialhäuser mit Gym und Tischkicker. Um das Thema zusätzlich zu fördern, kämpfen wir auf europäischer Ebene weiterhin für das begleitende Fahren mit 17 – für die leichteren Nutzfahrzeuge ist das geplant, aber wir brauchen das Modell auch für die schwereren Lkw. Dann kommen die jungen Leute, die Spaß am Fahren haben, auch schneller hinter das Steuer.

Sind mehr Kontrollen geeignet, den Job zu verbessern?

Wir wollen nicht mehr Kontrollen deutscher Lkw, bei denen ein Rücklicht defekt ist. Wir wollen vielmehr endlich die Umsetzung des Mobilitätspakets 1, denn das ist ein Schwert, das nicht geschärft ist. Wir fordern daher eine europäische Datenbank, in der die Daten des digitalen Tachografen automatisch einlaufen und auf die nationalen Kontrollbehörden Zugriff haben. Meine Kritik richtet sich bei dem Thema auch nicht gegen das Bundesamt für Logistik und Mobilität BALM, sondern gegen den Zoll. Denn ich habe bei Schwerpunktkontrollen gesagt bekommen, dass die Zollbeamten bei Fahrern aus Drittstaaten, die für nichtdeutsche Speditionen unterwegs sind, keine Kontrolle des Mindestlohns durchführen. Und das führt zu großem Frust bei den deutschen Unternehmen.

Zu den Parkplätzen: Daimler Truck-CEO Karin Radström will mehr Wasserstoff-Lkw, weil auf den Rastanlagen zu wenig Platz zum Laden der BEV sei.

Da hat sie auch Recht. Ich bin aber in mehreren Punkten nicht bei den OEM. Denn die haben alles in Richtung Green Deal und E-Mobilität abgenickt, aber nicht mit uns als Transportbranche, also mit den Nutzern, überlegt, was das realistisch bedeutet, welche Forderungen an die Politik zu stellen sind. Das Ergebnis ist, dass wir laut EU-Kommission bis 2030 rund 20.000 Schnellladepunkte für Lkw brauchen, aktuell bestehen aber nur 600 dieser Ladestationen. Die OEM haben auch stark für die CO2-Maut Lobbyarbeit betrieben, ohne etwa zu fordern, dass die Mehreinnahmen in dringend benötigte Ladepunkte und Stromleitungen reinvestiert werden. Diese Themen müssen jetzt Chefsache werden, etwa im Bundeskanzleramt.