Mannsperger: Ganz einfach – auf Dauer mehr einnehmen als ausgeben. Aber im Ernst und abseits von der reinen Betriebswirtschaft: die Leidenschaft für das, was man tut, und natürlich eine Belegschaft, die mit viel Herzblut und Engagement in die Speichen greift. Im Fall des ETM Verlags spielen zudem die beiden starken Partner im Hintergrund eine Schlüsselrolle – von Dekra kommen die Fuhrpark- und Datenexpertise sowie natürlich der große Dekra-Mitgliederstamm, die Motor Presse Stuttgart steuert das Verlags-Know-how bei. Die trans aktuell war eine völlig neue Art der Fachzeitschrift, die bunt und forsch, aber immer nutzwertig publizierte. Für den Verlag, die Dekra-Mitglieder als Stammleser sowie die Anzeigenkunden war die Zeitung von Anfang an eine Erfolgsgeschichte. Die Motor Presse brachte zur Verlagsgründung noch den Traditions-Techniktitel lastauto omnibus ein – das war eine hervorragende Basis, um weitere Aktivitäten aufzubauen.
Linsenmaier: Wir wünschen uns, dass ETM und die trans aktuell das gleiche hohe Alter wie die Motor Presse Stuttgart und Dekra erreichen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist ein starker Markenkern. Dekra steht seit fast 100 Jahren für technische Sicherheit. Bei ETM ist es die Kompetenz rund ums gewerblich genutzte Fahrzeug. Der Markenkern muss sehr konkret sein, das Unternehmen muss aber auch mit der Zeit gehen und sich weiterentwickeln. So kamen bei Dekra zur technischen Sicherheit die Nachhaltigkeit und eine neue Dimension der Sicherheit hinzu: der Schutz zum Beispiel vor Cyber-Angriffen. Wie gesagt: Ein Unternehmen muss sich – abhängig jeweils von den Rahmenbedingungen – ständig weiterentwickeln, ohne seine Identität und seinen Markenkern zu verlieren.
Mannsperger: Nein, keine Angst, aber Respekt vor den Aufgaben. Jede Transformation verunsichert, da sie Bestehendes verändert. Und diese Verunsicherung darf nicht ignoriert werden. Deshalb braucht es viel Kommunikation unter den Beteiligten. Und im Fall eines Verlages wie ETM haben wir sogar eine doppelte Transformation: die der Digitalisierung bei den Verlagen und die des Wandels in der Fahrzeugindustrie. Doch daraus ergeben sich eben auch erhebliche Chancen. Wenn sich das Nutzungsverhalten hin zu digitalen Verlagsprodukten verändert, bietet das die Chance, Ressourcen einzusparen, indem weniger Papier bedruckt und ausgeliefert werden muss. Das dient der Nachhaltigkeit. Und die Veränderungen in der Nutzfahrzeugbranche bieten eine Unmenge an Themen, an denen unsere Leser und User hohes Interesse haben – das dient der Reichweite unserer Verlagsprodukte.
Mannsperger: Im Gegenteil: Die Digitalisierung schadet dem Markenkern nicht, sie hilft ihm ungemein. Man muss dazu eben die journalistische Sorgfalt auf jedem Kanal pflegen. Denn wenn jeder heutzutage im Internet oder in den unterschiedlichen sozialen Netzwerken kommunizieren – um nicht zu sagen: publizieren – kann, ist gerade die Marke entscheidend, wenn es um Glaubwürdigkeit einer Veröffentlichung geht. Die Angebote im Netz stammen ja vielfach gerade nicht von unabhängigen Medienhäusern, die ihre Quellen sorgfältig prüfen. Das muss dem Nutzer klar sein. Gerade hier spielt das Vertrauen in – aber auch die Verpflichtung für – eine Marke und deren Kern eine ganz entscheidende Rolle. Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und stehen für Glaubwürdigkeit, in der gedruckten Zeitschrift genauso wie auf unseren Online-Kanälen.
Linsenmaier: Die Rahmenbedingungen sind außerordentlich schwierig. Neben der Pandemie haben wir es mit einem Krieg zu tun, dessen Dauer und Ausgang niemand vorhersagen kann. Es zeichnet sich ab, dass die Lieferengpässe eine Herausforderung bleiben oder sich durch die Lockdowns in China noch verschärfen könnten. Dekra plant für 2022 dennoch mit weiterem Wachstum, konkret mit einem Plus von fünf Prozent. 2021 ist Dekra trotz erschwerter Bedingungen – damals noch ohne Kriegseinflüsse – um elf Prozent gewachsen. Dies ist zu einem großen Teil auch der Tatsache geschuldet, dass wir mit unserem Dienstleistungsportfolio das wichtige Grundbedürfnis der Sicherheit bedienen. Hinzu kommt, dass Dekra mit Dienstleistungen wächst, die gerade in dieser Zeit benötigt werden – ich denke hier an unsere Angebote in den Bereichen Nachhaltigkeit und Digitalisierung, zum Beispiel die digitalisierte Schadenabwicklung.

Mannsperger: Auch die Motor Presse ist gut durch die Pandemie gekommen. Es ergeben sich sogar einige positive Effekte: Prozesse, die längst notwendig waren, wurden schneller in Gang gesetzt. Und es eröffnen sich neue Geschäfte: Während die etablierten Hersteller unter Lieferverzögerungen und Engpässen leiden – Stichwort Kabelbäume – und vielfach ihre Aktivitäten reduzieren müssen, ergeben sich Kontakte und Geschäftsbeziehungen zu neuen Akteuren – beispielsweise zu Wallbox-Anbietern. Hilfreich ist für uns, dass wir stark diversifiziert sind: Die Motor Presse deckt ein breites Spektrum vom Auto bis zu Sport und Lifestyle ab. Schwächelt ein Markt, boomt oft ein anderer. Wir halten bei all den Herausforderungen unsere journalistische Qualität aufrecht. In der über 75-jährigen Geschichte der Motor Presse war das schon immer unser Erfolgsrezept. Natürlich kann niemand die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs abschätzen. Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass diese für jeden für uns weit erheblicher sein werden als die der Coronakrise.
Linsenmaier: In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben wir bei der Verkehrssicherheit riesige Fortschritte erzielt – ob es die Einführung der Gurtpflicht, der unterschiedlichen Assistenzsysteme oder der Alkoholgrenzen war. Die ganz großen Hebel für mehr Sicherheit haben wir also schon in Angriff genommen und umgesetzt. Für die Zukunft sind es daher eher mehrere kleinere Stellschrauben, an denen man noch drehen kann. Ein großes Thema hat dabei nichts mit technischen Innovationen zu tun: Ganz grundlegend ist, dass wir die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer überzeugen, aufeinander Rücksicht zu nehmen. Hier müssen wir noch mehr Akzente setzen – auch im Zusammenspiel mit dem ETM Verlag und der Motor Presse.

Mannsperger: Daran kann ich direkt anknüpfen. Die Motor Presse und ETM haben im vergangenen Jahr eine große gemeinsame Verkehrsinitiative gestartet, die beispielhaft und die erste ihrer Art war. Von auto motor und sport über CARAVANING, promobil, MOTORRAD, MOUNTAINBIKE, ROADBIKE bis hin zu den Fachtiteln von ETM – firmenauto, FERNFAHRER, lastauto omnibus und trans aktuell – waren alle namhaften Publikationen dabei, die sich mit Themen rund um den Straßenverkehr beschäftigen. Die gemeinsame Botschaft: Rücksicht hat Vorfahrt. Wie lassen sich die Unfallzahlen reduzieren, wenn der Fahrradfahrer nicht weiß, dass es beim Lkw einen toten Winkel gibt? Dazu braucht es Aufklärung. Warum hegen Autofahrer häufig einen Groll auf Lkw-Fahrer, wenn sie zum Beispiel einen schwächer motorisierten Kollegen überholen wollen? Weil ihnen das Verständnis fehlt und sie noch nie in einem so großen Fahrzeug mitgefahren sind. Hier setzt unsere Initiative an. Erneut ist auch Dekra als Sachverständigenorganisation mit dabei.
Mannsperger: Darauf bauen wir. Ich halte Überzeugung für das beste Mittel. Leute aufzuklären und durch Einsicht zu vernünftigem Verhalten zu bringen, ist viel zielführender und nachhaltiger als stupide Verbote, wie beispielsweise ein dogmatisch motiviertes Tempolimit. Die Resonanz auf unsere erste Sicherheitsinitiative war so überwältigend, dass wir gesagt haben: Das fordert eine Fortsetzung. Durch unser breit angelegtes Portfolio können wir sämtliche Verkehrsmittel mit einbinden. Dekra leistet mit Tote-Winkel-Aktionen an Schulen ja seit Jahren bundesweit wichtige Aufklärungsarbeit. Nun setzen wir das Ganze gemeinsam mit vielen tollen Partnern fort.
Linsenmaier: Wir investieren auch dieses Jahr mit einem zweistelligen Millionenbetrag in großem Umfang in das automatisierte Fahren, zum Beispiel in unsere Testlokationen am Lausitzring und in Malaga. Wir sehen hier großes Potenzial bei der Verkehrssicherheit, aber auch hohen Prüfaufwand. Denn Systeme des automatisierten Fahrens müssen vor der Markteinführung und auch regelmäßig im Betrieb durch eine unabhängige Institution überprüft werden. Nur so können die Funktionsfähigkeit garantiert und die Gefahr von Cyber-Angriffen abgewehrt werden. In dem Zusammenhang ist aber auch der Gesetzgeber gefordert: Die Prüforganisationen brauchen einen geregelten und diskriminierungsfreien Zugriff auf die umwelt- und sicherheitsrelevanten Fahrzeugdaten. Dekra ist an diesem Thema dran. Wir engagieren uns intensiv in nationalen und internationalen Gremien. Vorstellbar wäre für uns ein Trust-Center, also eine Art Datentreuhändermodell, über das wir Zugriff auf die Daten bekommen, die in Zukunft für die Prüfung notwendig sind.
Linsenmaier: Die Gefahr ist real. Und: Wir sprechen bei automatisierten Fahrzeugen zwar von „rollenden Computern“ – aber wenn der Computer mit 40 Tonnen und 80 km/h unterwegs ist, geht von ihm ein großes potenzielles Risiko aus. Dessen müssen wir uns bewusst sein und deshalb Manipulationen vorbeugen. Dazu muss die komplette Systemsicherheit über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs gewährleistet werden. Unsere Hinweise werden ernst genommen – das Kraftfahrt-Bundesamt hat Dekra als Technischen Dienst für Cyber-Sicherheit benannt, sodass wir die Hersteller bei diesen Themen mit unserer technischen Expertise unterstützen können.
Mannsperger: Dieses Szenario sehe ich nicht. Wir begrüßen die automatisierten Systeme, wenn sie Fahrer entlasten und vor allem Dinge abnehmen können, die oft eintönig werden können – etwa langes Fahren auf der Autobahn. Im Stadtverkehr, beim Be- und Entladen oder beispielsweise bei der sehr komplexen Ladungssicherung, ist die wichtige Rolle des Fahrers unbestritten. Dafür braucht es gut qualifizierte und motivierte Menschen, die im Übrigen nicht zuletzt auch die Visitenkarte eines jeden Unternehmens sind.
Zu den Personen
- Wolfgang Linsenmaier (56) ist Vorstandsmitglied bei Dekra e.V. und Dekra SE. In diesen Funktionen ist er für die Finanzen, das Personal und das Organisations-Management verantwortlich. Der Diplom-Kaufmann ist seit 1999 in unterschiedlichen Funktionen bei der Sachverständigenorganisation. Vor seiner Vorstandstätigkeit war er seit 2006 Geschäftsführer und seit 2018 Vorsitzender der Geschäftsführung bei Dekra Automobil. Linsenmaier stammt aus Kirchheim unter Teck und studierte BWL an der Universität Erlangen-Nürnberg.
- Jörg Mannsperger (60) wurde wie Linsenmaier in Kirchheim unter Teck geboren. Auch Mannsperger war lange Jahre bei der Dekra, unter anderem als Vorstandsmitglied und Chef der Akademie. Der gelernte Konditor, Redakteur und studierte Jurist ist seit 2019 Geschäftsführer der Motor Presse Stuttgart (MPS). Bei der MPS war er bereits in den 1990-er Jahren in unterschiedlichen Stationen tätig. Auch die Geschicke des ETM Verlags lenkte er bereits – von 1998 bis 2006 war er dessen Geschäftsführer.