
Manchmal braucht es nur ein einziges Wort, um die wichtigste Neuheit auf den Punkt zu bringen. Ein Satz aus der Mitte 2021 verbreiteten MAN-Pressemitteilung zum Optiview-System liefert ein Paradebeispiel: "Ein ab Oktober bestellbares Kamerasystem ersetzt auf Wunsch vollständig die Außenspiegel." Das entscheidende Wort ist "vollständig". Denn im Gegensatz zum Mercedes Actros, der einem schon seit rund drei Jahren mit Mirrorcams begegnet, sind am kamerabestückten MAN gar keine Spiegel mehr montiert: Auch Front- und Rampenspiegel, beim Mirrorcam-Actros bislang noch vorhanden, sind beim TGX mit Optiview Geschichte. Wie sich das Gesamtpaket darstellt, lässt sich am aktuellen Testwagen unter die Lupe nehmen. Angetreten ist ein TGX 18.470 mit mittelgroßem GM-Fahrerhaus, bei dem MAN ein hohes Ausstattungsniveau mit einigen gewichtssparenden Maßnahmen wie Einblattfedern vorne und auskuppelbarem Einzylinder-Luftpresser gepaart hat. Unterm Strich sind mit 490 Liter Diesel und 80 Liter Adblue knapp 7,4 Tonnen Leergewicht zu notieren, in dieser Fahrzeugklasse ein günstiger Wert.
Gegenüber einem TGX 18.510, der den Test im Sommer 2020 mit GM-Kabine und D26-Motor absolvierte, liegt das Gewicht ausstattungsbereinigt nochmals rund 75 Kilogramm niedriger. Des Rätsels Lösung findet sich vor allem im Triebstrang, wo bei den Standardzugmaschinen das 12-Gang-Getriebe ZF Traxon statt der 12+2-Gang-Variante Scania GRS905R nun erste Wahl ist. In Kombination mit einem ZF- respektive Scania-Retarder kommen ziemlich genau jene 75 Kilogramm Mindergewicht zustande. Im Gegenzug fällt der kleine Verbrauchsvorteil weg, der mit den geringeren Schleppverlusten des auskuppelbaren Scania-Retarders verbunden ist (je nach Topografie 0,4 bis 0,5 Prozent). Auch daran mag es liegen, dass der 470er beim Verbrauch auf Augenhöhe mit dem – freilich schon sehr sparsamen – 510er liegt, trotz strömungsgünstiger Kameras aber keinen weiteren Vorteil rausfährt.
Geballte Spritsparmaßnahmen
Angesichts der schweren Messstrecke, die fast nur ein Auf und Ab kennt, stellt sich auch die Sinnfrage der vielleicht allzu geballten Spritsparmaßnahmen. Zum von MAN bevorzugten Fahrprogramm "Efficiency Plus" (kein Kick-down, eingeschränkte manuelle Eingriffe, niedrigste Drehzahlen am Berg) addiert sich eine dynamische Drehmomentanpassung, um den Motor je nach Fahrsituation im verbrauchsgünstigsten Bereich arbeiten zu lassen. Zusammen mit der langen Achsübersetzung von 2,31 zu 1 führt das dazu, dass der TGX auf schweren Strecken gefühlt deutlich mehr schuftet, als das mit nominell 2.400 Nm Drehmoment der Fall sein sollte. In der Auswertung drückt sich das in gemütlichen 80,8 km/h aus, in dieser Leistungsklasse deutlich unter dem Durchschnitt (bei üblichen 85 km/h Setzgeschwindigkeit und plus/minus 5 km/h als Schwungfenster).

Wer es nicht allzu eilig hat, für den geht die Rechnung auf: Die 32,6 Liter Diesel, mit denen der TGX 18.470 im Mittel über die Strecke kommt, bedeuten unterhalb der 33-Liter-Schallmauer einen sehr guten Wert. Der Adblue-Zuschlag wiederum liegt mit 7,3 Prozent vom Diesel beziehungsweise knapp 2,4 Litern auf hundert Kilometer etwas über dem Schnitt. Fairerweise noch zu erwähnen: Vom Fahrprogramm Efficiency Plus lässt sich wahlweise auf die Efficiency-Standardversion wechseln (jederzeit manuelle Gangwahl, Kick-down) oder gleich auf den Performance-Modus (nach oben versetzte Schaltpunkte, Fokus auf Beschleunigung und Geschwindigkeit). Besteht der Kunde aber darauf, nur Efficiency Plus an Bord zu haben, ist das prinzipiell ebenfalls möglich.
Ein Quäntchen Sprit spart zweifellos die im Freilauf nochmals abgesenkte Leerlaufdrehzahl (550 statt 600 Umdrehungen), der Effekt des dynamischen Segelns ist angesichts der Topografie aber überschaubar. Dieses dynamische Segeln, andernorts unter "Pulse and Glide" (Scania) oder "Extended I-Roll" (Volvo) in Mode, bewirkt in Flachstücken und leichten Gefällen einen Wechsel aus Angasen und Rollenlassen um den gesetzten Tempomatwert herum (circa 2 bis 3 km/h nach oben und unten). Bei den Innengeräuschen sortiert sich der TGX im Mittelfeld ein, dafür sind die teilweise heftigen Vibrationen unter Last, die beim 510er zu spüren waren, nun passé. Als Hauptgrund nennt MAN eine überarbeitete Motorlagerung.
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