Kurze Clubbusse sind zwar immer noch recht selten auf den Straßen – sie haben aber eine lange Tradition. Bei Marktführer Setra sind es etwa 65 Jahre Geschichte, auch wenn in den Anfängen die Längenverhältnisse andere waren und zwölf Meter noch nicht als der Goldstandard galten. Doch in Zeiten immer kleiner werdender Reisegruppen und höher werdender Ansprüche hat dieses sich mittlerweile auf rund 10,5 Meter Gardemaß eingependelte Segment durchaus seine Berechtigung für so manchen Anwendungszweck. Wäre da nur nicht der hohe Preis – denn anderthalb Meter weniger Stahl und Glas schlagen im Vergleich zu den in den wesentlichen Bauteilen identischen "Großbus" eben nicht sehr zu Buche. Daher gehört für Busbauer und Kunden schon ein wenig Mut dazu, das Segment zu bedienen. Kein Wunder, dass Setra seinen kurzen 511er in der Comfort-Class weiter unten verortet in der Nomenklatur als zuvor. Auch andere Anbieter im Segment zielen eher auf die Mittelklasse ab – abgesehen von MAN in München, wo man sich jedes passenden Angebots zum Thema gleich ganz enthält.
Van Hool EX mit allen Optionen der TX-Baureihe
So ist es nur folgerichtig, wenn der konzernunabhängige belgische Hersteller Van Hool, der rund drei Viertel seiner jährlich circa 400 Fahrzeuge in Europa im hochwertigen Reisebussegment absetzt, seine seit 2015 in Mazedonien gefertigte und weitgehend standardisierte EX-Baureihe auf das verknappte Maß einkürzt. Der bisher in Belgien gefertigte Alicron TX11 war schon vor einiger Zeit eingestellt worden. Die Fabrik in der Nähe von Skopje wurde erst vor Kurzem erweitert und liefert auch die verwandten CX-Modelle für den US-Markt. Sie wurden neben dem von Diesel angetriebenen EX11 auf der Busworld in Brüssel erstmals als US-Elektrovariante für Facebook & Co. vorgestellt. Auch sehr mutig!

Das grundlegende Konzept für die Busse aus Mazedonien: Standardausstattung ohne viel Chichi und nicht zu viele komplexe Kundensonderwünsche. Auch wenn die Belgier dieses Konzept deutlich aufgeweicht haben in den letzten Jahren, so ist für einen EX fast alles zu bekommen, was die teure TX-Baureihe aus dem Stammwerk in Koningshooikt bei Lier zu bieten hat. Auf der Busworld wurde zum Beispiel ein EX11L mit Konferenzheck und luxuriösen 28 Sitzen gezeigt, und auch die bisher georderten zehn Busse seien eher von der feinen Machart, heißt es aus Belgien. Die Serienbestuhlung liegt derweil bei maximal 47 Sitzen von Zulieferer Kiel, der sich ebenfalls in Mazedonien in unmittelbarer Werksnähe angesiedelt hat. Deutlich aufgeweicht hat Van Hool auch das Design des zu Anfang doch sehr kantig ausgefallenen EX, der in etwa so elegant daherkam wie ein Lego-Modell. Hier wurde deutlich nachgelegt und der ohnehin eher defensiven und rundlichen Markenlinie angepasst. Zudem ziert jetzt ein flottes Alu-Designelement in Blitzform den Vorderwagen. Immer noch recht martialisch kommt dagegen das Heck daher, das mit den beiden säulenartigen, schwarzen Flächen neben der nun etwas gefälliger gezeichneten Motorklappe als EX-Erkennungsmerkmal dient – zumindest für den Folgeverkehr.Schwierig ist es auch, kurze Clubbusse mit passenden Proportionen zu versehen, da ihr Radstand mit um die fünf Meter extrem knapp ausfällt, aber im Heck kaum Platz für Kürzungen ist. Dafür sind sie natürlich auch besonders wendig mit einem Wendekreis von traumhaften 18 Metern und weniger. Dass der kleine Reisebus trotzdem nicht unkomfortabel wie ein Gokart über die Piste hoppelt, ist nicht zuletzt den mechanisch-adaptiven FSD-Dämpfern von Koni zu verdanken, die serienmäßig an Bord sind und den PCV-Dämpfern von ZF-Sachs nahekommen, die von MAN eingesetzt werden. Van Hool hat nicht wie etwa Branchenprimus Setra (Gesamtlänge 10,46 Meter) den vorderen und den hinteren Überhang reduziert, sondern nur den vorderen gegenüber dem Zwölfmetermodell um knapp 70 Zentimeter gekappt. Das Heck ragt daher fast 3,5 Meter über die Hinterachse mit tragfähiger 315er-Bereifung hinaus, die nun bei allen Van-Hool-Reisebussen durchgängig auf allen Achsen zum Einsatz kommt. Das spart Ärger mit Achslasten und ist nur konsequent.
DAF MX11-Sechszylinder in zwei Versionen
Einen Heckeinstieg, wie ihn der kleine Ulmer S 511 HD zulässt, bieten die Belgier zwar nicht an, dafür aber werden zwei Fahrzeughöhen geliefert. Der EX11L misst 3,54 Meter bei einer Bodenhöhe von 1,22 Metern, der EX11H dagegen ist stolze 3,80 Meter hoch mit einem Fußboden auf 1,50-Meter-Niveau. Das Resultat in Form von Kofferraumvolumen kann sich daher sehen lassen. Der EX11L bietet 4,11 Kubikmeter, die H-Variante satte 7,19 Kubikmeter. Letzteres ist deutlich mehr, als es Setra oder auch VDL beim FHD2 106 bieten. Das bedeutet bei Maximalbestuhlung knappe 87 Liter und reisebustaugliche 152 Liter pro Fahrgast. Dazu passen in den kleinen Belgier in der Serie auch vier Plätze mehr als in den Ulmer Kollegen, er ist allerdings mit 10,70 Metern auch der längste Wagen in der Riege der Kleinen. Über die daraus resultierende etwas gewöhnungsbedürftige Optik muss jeder Kunde selbst entscheiden – immerhin wird so der Sonderstatus auf einen Blick deutlich. Einen ungebührlich großen Heckausschwenker konnten wir bei unserer Testfahrt auf dem Circuit de Mortefontaine nördlich von Paris nicht feststellen, ein wenig aufpassen sollte man dennoch in der Eingewöhnungsphase gerade in engen Innenstädten oder Bergdörfern, für die ein Clubbus für gewöhnlich ja gern genutzt wird.

Die nötige Power für anspruchsvolle Bergtouren bringt der überarbeitete DAF-MX11-Sechszylinder ins Heck, der hier in zwei Versionen angeboten wird: 370 PS mit 1.900 Nm sowie 410 PS mit 2.100 Nm, wobei Letzterer bei der H-Variante die Serienmotorisierung darstellt. Diese konnten wir auch bei unserer ersten Fahrt ohne Ausladung als passend und zupackend erleben – kein Wunder bei einem Gewicht von nur rund 12,3 Tonnen. Das zulässige Gesamtgewicht von 19,5 Tonnen erlaubt daher pro Fahrgast satte 150 Kilogramm Zuladung gegenüber einem Zwölfmeterwagen mit nur knapp über 100 Kilogramm.
Getriebe von Mercedes, ZF und Allison
Zu paaren sind beide Motoren mit einem manuellen Mercedes-Sechsganggetriebe oder den neuen ZF-Traxon- und Ecolife-Getrieben, nicht jedoch mit dem von Van Hool gern verkauften Wandlerautomaten von Allison. Vor allem an der Vibrationsfreiheit des Antriebsstrangs haben die belgischen Busbauer gearbeitet. Die Motoren sitzen neuerdings in einem Hilfsrahmen, der wiederum mit speziellen Federelementen mit der Karosserie verbunden ist. Das Konzept ist durchaus sinnig und die Wirkung positiv zu vermerken. Auch das Tankvolumen geht mit 400 Litern in Ordnung. Für die neue Motorengeneration hatte DAF ja 2018 alle Register gezogen, um noch effizienter zu werden – wir berichteten mehrfach über deren Raffinessen. Nicht nur wurden 50 Kilogramm Startgewicht eingespart, auch das Drehzahlniveau wurde merklich gesenkt, was ebenfalls der Laufruhe zugutekommt. Schade nur, dass es für das Zwölfgang-Traxon-Getriebe keinen Dynamikmodus wie bei Daimler oder Volvo gibt, der das Schaltprogramm manuell anpasst. Zur Not muss der Fahrer eben selbst eingreifen, aber die modernen Getriebe machen ihre Sache meist so gut, dass dies ohnehin unnötig bleibt. Manuelle Eingriffe werden dem Fahrer nun auch durch das Multifunktionslenkrad im modernisierten Cockpit erleichtert, das der Fahrer ohne weitere Stufen vom Mittelgang her betreten kann.
Dieser schicke Volant hält nun bei allen Van-Hool-Bussen Einzug – es wurde Zeit. Viele wichtige Funktionen lassen sich so bequem vom Fahrer ansteuern, so auch der Tempomat oder die Radiofunktionen. Weitere wichtige Bedienelemente sind Van-Hool-typisch in einen Dreh-Drück-Steller ausgelagert, der linker Hand unter dem Fahrerfenster montiert ist, das sich nur manuell schieben lässt. Das Navigieren durch die Menüs fällt recht leicht, das Farbdisplay zwischen den Uhren im neu gestalteten Cockpit ist sehr gut ablesbar. Nicht mehr ganz zeitgemäß ist die Position des Getriebewählschalters rechts neben dem Fahrer. Noch weiter rechts ist der zweite Mann oder die zweite Frau an Bord recht kommod untergebracht. Es fehlt – schon traditionell bei Van Hool – weder an Steckdose und doppeltem Becherhalter noch an der Luftdüse. Nur auf das kongeniale Ausziehtablett aus der TX-Serie muss der EX-Begleiter verzichten. In Sachen Sicherheitsausstattung haben die Belgier weitgehend zur Konkurrenz aufgeschlossen, auf Wunsch sind auch ein Aufmerksamkeitsassistent und ein kamerabasiertes Spiegelersatzsystem (siehe Kasten) lieferbar. Nur beim Frontalaufprallschutz vermerken wir ein kleines Defizit – wie bei den meisten Herstellern. Auch den Innenraum hat Van Hool gegenüber dem ersten Wurf deutlich aufgewertet, die Servicesets machen durchaus was her. Auch in dieser Baureihe sind jetzt leichtere und komfortablere Kiel-Sitze zu bekommen wie beim TX. Eine Stehhöhe von durchgehend rund zwei Metern beim H-Modell lässt auch große Naturen auf ihre Kosten kommen. Denn schließlich haben nicht nur die Kleinen ein Anrecht auf beste Aussichten und aufrechten Gang.