Wer nicht wirklich zur Familie gehört, hat es mitunter ein Leben lang schwer, sich zu etablieren. Das gilt häufig in der Fahrzeugwelt – so auch für den Neoplan Tourliner, das zweite Derivat eines MAN-Busses nach der Übernahme des traditionsreichen Stuttgarter Herstellers (der 2015 sein 80-jähriges Jubiläum feiern würde) im Jahr 2002.
Ein Neoplan aus Ankara? Ohne geteilte Frontscheibe und die traditionell um 19 Grad nach vorne geneigten Fensterholme? "Das geht gar nicht!" So schallte es den Verkäufern landauf, landab von den Kunden laut entgegen. Das Design des Reisewagens basiert zudem auf der letzten Neoplan-Generation und ist weit entfernt vom immer noch markenprägenden "Sharp Cut"-Konzept der späteren Modelle.
Das hat durchaus Vorteile, wie die große Frontscheibe, die für beste Sicht für den Fahrer sorgt, aber auch ein paar Nachteile, zum Beispiel lassen sich die Einzelspot-Scheinwerfer weder mit Xenon-Lampen noch Kurvenlicht aufrüsten. Insgesamt ist der Tourliner jedoch eine stattliche Erscheinung, die neu gezeichnete Bugmaske verleiht ihm zudem etwas mehr Dynamik als bisher. Bis heute sind die Verkaufszahlen des ersten türkischen Neoplan nicht unbedingt üppig zu nennen – 2.500 Fahrzeuge in mehr als zehn Jahren sind kein Mega-Erfolg. Gerade in Deutschland sieht man den Bus nicht oft auf den Straßen. Das liegt auch daran, dass der Tourliner vor allem in Märkten wie England oder der Türkei der Bus der Wahl ist. Seit dem vorzeitigen Ende des Luxusmodells Starliner trägt er gar die Bürde des einzigen rechtsgelenkten MAN/Neoplan-Fahrzeugs und ist auf der Insel dementsprechend präsent. Und so verkörpert der Tourliner dort tapfer das, was die Marke Neoplan schon immer ausgemacht hat: Luxus und Exklusivität.
Warum nicht aus der Not eine Tugend machen?
Als eher preiswert positionierter Reisebus (die Basisversion ist weit unter 300.000 Euro zu haben und auch der Testwagen knackte diese Marke nicht) ist der Tourliner hierzulande eher der ideale Kandidat für den boomenden Fernbusmarkt, der sich bisher bei der Schwestermarke MAN bediente oder aber gleich zum Cityliner griff. Dem fernlinientauglichen Tourliner hat man in der Langversion mit einer 2+1-Bestuhlung einen Hauch von Luxus eingehaucht, wie er in der Türkei oder Mexiko schon lange gang und gäbe ist. Ergebnis der ungewöhnlichen Übung: Der Raumeindruck des Fahrzeugs mit ebenem Boden (bisher das Privileg des Lion’s Coach) und üppigen 53 Zentimeter Gangbreite bei immer noch rund zwei Meter Stehhöhe ist famos und hat so gar nichts von einem Truppentransporter. In der langen Dreiachskonfiguration mit 13,80 Meter Länge kommen so bei Fünf-Sterne-Abstand immerhin noch 33 statt der sonst maximal möglichen 59 Sitze kommod im Fahrgastraum unter. Für eine Luxuslinie für Geschäftsleute ist das sicher o. k., wer aber mit jedem Sitzplatz rechnet, wird wohl eher abwinken.
Neben dem ebenen Fußboden mussten im Fahrzeug noch andere konstruktive Anpassungen vorgenommen werden: So führt die letzte Stufe im vorderen Einstieg nicht schnurgerade in den Mittelgang, sondern ist leicht angeschrägt – gewissermaßen auf den etwas versetzten Laufgang zielend. Eine Halbierung der Gepäckablage über den Einzelsitzen ist hier im Gegensatz zum Lion’s Coach nicht nötig, weil die insgesamt rund zwei Kubikmeter fassenden Staufächer nicht so tief bauen wie beim Konzernbruder.
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