MAN TGS: Allrounder soll Fahrerleben vereinfachen

MAN TGS
Allrounder soll Fahrerleben vereinfachen

Mit dem D15 präsentiert MAN einen komplett neuen Neunliter-Dieselmotor, der alles können soll – leichten Verteilerverkehr genauso wie schwere Baustelleneinsätze. Ein hartes Los für das kompakte Aggregat.

MAN TGS D15
Foto: MAN

Kleine, leichte Lkw-Motoren haben es im Alltag oft besonders schwer. Werden sie in kompakten Trucks, etwa in Motorwagen mit Kofferaufbau für den Verteilerverkehr in Großstädten gefahren, sind sie in ihrem Element. Knappe Abmessungen, moderate Gewichte, kleine Motoren – diese Rechnung geht auf.

Kleine Motoren müssen ihren Mann stehen

Doch wehe, sie werden nicht als passender Motor im passenden Lkw bestellt, sondern als Ultima Ratio für schwere Einsätze, die nach einer maximal hohen Nutzlast verlangen und damit nach einem möglichst niedrigen Eigengewicht. Zum Abfahren von Abraum beispielsweise. Da, wo die Verlockung groß ist, weil rund die Hälfte der Kilometer leer abgerissen werden und die Belastung unter dem Strich weniger dramatisch aussieht, als sie es eigentlich ist. Auch in diesen Szenarien müssen die kleinen Motoren ihren Mann stehen. Eine große Herausforderung ist das für die Hersteller, die die Triebwerke für diesen Spagat rüsten müssen. Umso größerer Respekt gilt MAN dafür, die neue D15-Baureihe der internationalen Presse nicht nur in der "Comfort Zone" mit Walther-Kofferaufbau und einem Gewicht von 18 Tonnen präsentiert zu haben, sondern auch samt zweiachsigem Fliegl-Curtainsider mit gut 28 Tonnen und voll beladener Fliegl-Mulde mit einem Zuggewicht von üppigen 39 Tonnen.

Mit der Last des leer nur circa 4,16 Tonnen schweren Fliegl-Kippers tut sich der neue Reihensechszylinder – wie kaum anders zu erwarten – selbst in seiner leistungsstärksten Variante mit 400 PS schwer. Im Vergleich zu seinem Vorgänger, dem D20, fehlen ihm noch einmal 1,5 Liter an Brennraum. Mit 860 Kilogramm fällt er im gleichen Zuge dafür rund 230 Kilogramm leichter aus, regelt die Abgasnachbehandlung dazu nach dem SCR-only-Prinzip ohne Abgasrückführung. Die inklusive dieses modernen Triebwerks 7,27 Tonnen leichte TGS-Sattelzugmaschine fährt voll ausgelastet nur mit begrenztem Eifer vom Hof, auch wenn der neue Diesel trotz kräftigen Tritts auf das Gaspedal nicht laut in die 2,28 Meter lange Kabine schallt.

MAN TGS D15
Julian Hoffmann
Der neue Performance-Modus empfiehlt sich vor allem beim Anfahren mit hoher Last.

Performance Modus empfiehlt sich beim Anfahren mit hoher Last

1.800 Nm liefert der stärkste D15 mit einstufigem Abgasturbolader samt variabler Geometrie schon ab 1.000 bis immerhin 1.500 Umdrehungen. In einem schweren Sattelzug aber ist das einfach nicht das Maß der Dinge. Wenn die MAN Tipmatic 12 auf Basis des ZF Traxon im normalen "D"-Modus durch die Gänge schaltet, kann das so auch mal etwas länger dauern. Nach engen Kehren und nach dem Abbiegen an T-Kreuzungen braucht der TGS eine kleine Ewigkeit, um aus dem Stand heraus eine Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h zu erreichen. Erst dann kann der Sattelzug entspannt im Verkehr mitschwimmen und das Pedal löst sich unter dem nachlassenden Druck des Gasfußes vom Bodenblech.

Spürbare Abhilfe schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten schafft der Performance-Modus: Ist er aktiviert, hält das Getriebe die Gänge länger – und schaltet viel schneller durch die Übersetzungsstufen. Der TGS zeigt sich so von einer ganz anderen Seite, mobilisiert plötzlich Kraftreserven, die man dem kompakten Sechszylinder nach einigen Kilometern im Standard-Modus kaum zugetraut hätte. Im Zusammenspiel mit der Comfort-Steering-Lenkung kommt tatsächlich Fahrspaß auf. Mittels eines Elektromotors nämlich verstärkt das System je nach Geschwindigkeit das händisch aufgebrachte Lenkmoment und reduziert dadurch die nötigen Lenkkräfte. Damit lässt sich der TGS zum einen leichtgängig rangieren, zum anderen präzise in der Spur halten.

MAN TGS D15
Julian Hoffmann
Der aktive Spurrückführungs-assistent wird über die Mittelkonsole aktiviert.

Spurrückführungsassistent kann manuell übersteuert werden

Gelingt das für einen Augenblick doch nicht, tritt der Spurrückführungsassistent LRA (Lane Return Assist) auf den Plan. Ist er scharf geschaltet und der Lkw driftet ohne gesetzten Blinker von der Spur ab, lenkt die Elektronik den Zug wieder aktiv zurück – und zwar kräftig. Am Steuer ist das zunächst gewöhnungsbedürftig, vermittelt aber doch schnell ein gutes Gefühl, auch weil das System während der rund vier Stunden andauernden Testfahrten nicht ein einziges Mal ohne Grund in die Lenkung eingriff und problemlos manuell übersteuert werden kann. Begleitet wird der aktive Spurrückführungsassistent vom schon bekannten, mit einem penetranten Ton warnenden Spurverlassenswarner LGS (Lane Guard System). Die Aufmerksamkeit also sollte, so sensibilisiert, schnell wieder der Straße gelten. Die Assistenzsysteme als Hilfe dafür missbrauchen zu wollen, sich mit anderen Dingen als dem lästigen Verkehr zu beschäftigen, unterbindet MAN rigoros – die Hände müssen am Lenkrad bleiben, sonst schaltet die Elektronik nach einigen Sekunden ab.

Dennoch will der TGS seinem Fahrer auch an anderer Stelle das Leben so einfach wie möglich machen: mit dem adaptiven Tempomaten inklusive Stop-and-go-Funktion etwa, die ab sofort auch mit dem Tipmatic-12-Getriebe angeboten wird. Ist der MAN mit diesem Feature ausgestattet und der Tempomat aktiviert, regelt die Elektronik von 0 bis 25 km/h nicht nur automatisch den Abstand zum Vordermann, sondern bremst bei Bedarf auch sanft bis zum Stillstand ab. Geht es innerhalb der nächsten zwei Sekunden weiter, setzt sich das Gespann wieder völlig ohne Zutun seines Fahrers in Bewegung. Steht man länger, reicht ein Tipp auf das Gaspedal oder die entsprechende Taste auf dem Multifunktionslenkrad – und der Laster läuft. Nicht nur im Stau macht dieses teilautomatisierte Fahren Spaß, auch in der Stadt erwischt man sich schon bald dabei, die Pedale nicht mehr treten zu wollen. MAN will so den Fahrer entlasten – und Bremsenverschleiß und Dieselverbrauch reduzieren.

MAN TGS D15
Julian Hoffmann
Die volle Motorbremskraft wird über die Taste auf dem Lenkstockhebel zugeschaltet.

Volle Motorbremskraft kann über Lenkstockhebel zugeschalten werden

Weniger bremsen aber kann man besonders effektiv auch mit der in drei Stufen über den üblichen Lenkstockhebel zu bedienenden Turbo-EVBec-Motorbremse. Bis zu 350 kW Bremsleistung lassen sich mit ihr dank einer vor dem Turbolader montierten, elektronisch geregelten und pneumatisch gestellten Klappe mobilisieren. Gerade im Vergleich mit der Standard-EVBec, die nur über 200 kW verfügt und sowohl im TGS-Testwagen mit City-Sattel als auch im Motorwagen mit Kofferaufbau installiert war, ist sie eine Offenbarung. Wird ihre volle Kraft mithilfe der auf dem Lenkstockhebel angebrachten Taste abgerufen (wo sie sich ebenso gut wieder komplett deaktivieren lässt), reduziert die Fuhre ihre Geschwindigkeit mit einem Schlag massiv. Im 18-Tonner dagegen ist kräftiges Beibremsen angesagt.

Obwohl nur in der 330-PS-Einstellung montiert, zeichnet sich an seinem Steuer auch ein anderes Bild des D15, der in dieser Leistungsstufe von einem Wastegate-Turbolader flankiert wird. Der Performance-Modus ist zwar auch im Motorwagen abrufbar, wird in der Stadt aber genau gar nie benötigt. Wie ein größerer Pkw lässt sich der MAN durch das Münchner Umland lenken. Ja, neun Liter Hubraum können eben auch für ein leichtfüßiges Fahrverhalten stehen. Da bleibt Zeit, sich auf die Geräuschkulisse zu konzentrieren: Manches Mal, bei rund 1.100 Touren, klingt der D15 zumindest in die kurze Kabine nämlich doch etwas bassig-dröhnend. Dafür hat MAN das Blinker-Klacken ersatzlos gestrichen – und das in allen Lkw. Ausschlaggebend dafür, den Blinker geräuschlos zu realisieren, war demnach das Feedback der Fahrer.

Und auch das sowohl ab Werk lieferbare als auch nachträglich einbaubare VAS (Video Abbiege System), das sich beim Setzen des Blinkers automatisch aktiviert, ist aus Sicht der Fahrer gedacht. Das Assistenzsystem macht den toten Winkel durch eine an der rechten Kabinenseite installierte 150-Grad-Weitwinkellinse und einen an der A-Säule auf der Beifahrerseite montierten Siebenzoll-Bildschirm sehr lebendig. Wer beim Abbiegen also in den Außenspiegel schaut, der kann mit einem Blick auf das Bild der Kamera auch den nicht direkt einsehbaren Bereich rechts vom Lkw inspizieren. Mit zusätzlichen Ultraschallsensoren mit einer Reichweite von zwei Metern realisiert MAN auf Wunsch dazu auch eine Warn-Kaskade, die den Fahrer über LED-Leuchten und einen Warnton sensibilisiert.

MAN TGS D15
MAN
MAN D15 im Detail.

Hintergrund: MAN D15 im Detail

Im Vergleich zu seinem Vorgänger – dem D20 mit 10,5 Liter Hubraum – fällt der komplett neu entwickelte Neunliter-D15 laut MAN dank computergestützter Konstruktionsmethoden und unterschiedlicher Materialien mit 860 Kilogramm rund 230 Kilogramm leichter aus. Sein einstufiger Abgasturbolader ist nur in der leistungsstärksten Version mit 400 PS mit einer variablen Geometrie versehen, die 330- und 360-PS-Einstellungen vertrauen auf Wastegate-Varianten. Das Common-Rail-System kommt mit leckage­losen Injektoren, die den Kraftstoff mit bis zu 2.500 bar besonders fein zerstäuben sollen. Eine effiziente Verbrennung schreibt MAN dem neuen Motor mit bauraum- und gewichtsoptimiertem Zylinderkopf dank entsprechend gestalteter Ein- und Auslasskanäle für weniger Ladungswechselverluste sowie widerstandsfähiger Stahlkolben und Wölbventilen zu. Auch dem Thermomanagement haben sich die Ingenieure gewidmet: Der Sechszylinder soll dank einer regelbaren Ladeluftdrosselklappe vor und einer Abgasstauklappe nach dem Motor schneller warm laufen, außerdem kann die Abgastemperatur so für eine bessere SCR-Behandlung konstant hoch gehalten werden. Dazu arbeiten Kühlflüssigkeitspumpe und Ölkühler bedarfsgerecht.

Das Kraftstofffiltersystem der neuen Motorengeneration hat MAN zweistufig ausgelegt, der Vorfilter ist im Rahmen und der Hauptfilter am Motor untergebracht. So soll die Standzeit des Hauptfilters und die Wirksamkeit der Wasserabscheidung optimiert werden. Dazu ist ein neues Mischventil, das bereits erwärmten, aber nicht eingespritzten Kraftstoff aus dem Common-Rail-System in einen Kreislauf statt zurück in den kalten Tank laufen lässt, installiert. So wird Energie eingespart, die sonst für das Aufheizen des Kraftstoffs bei niedrigen Temperaturen benötigt werden würde. Die Steuerung der Motornebenaggregate hat MAN ebenfalls in die Entwicklung mit einbezogen. Was die Einzylinder-Luftpresser angeht, kann der Kunde zwischen zwei unterschiedlichen Varianten wählen. Während die leichtere Version mit einem Sparsystem zur Rückexpansion ausgestattet ist, kann die schwerere Lösung nach der Befüllung der Druckluft­behälter sogar komplett abschalten. Der stärkere Zweizylinder-Luftpresser glänzt mit einer niedrigeren Leistungsaufnahme in Leerlaufphasen. Standardmäßig gibt es für den D15 dazu zwei motorseitige Nebenantriebe und eine werksseitige Vorbereitung zum Anbau von wassergekühlten 400V/500V-Generatoren mit wartungsfreiem Riemenantrieb – beispielsweise für den Betrieb von Kühlaggregaten mit einer Leistung von bis zu 30 kW.

Die Abgasnachbehandlung gehen die Münchner Ingenieure nach dem SCR-only-Prinzip ohne Abgasrückführung an, allein mittels SCR-Katalysator und des selbstregenerierenden MAN-CRT-Filtersystems. Für den D15 entwickelte der Hersteller eigens ein Baukastensystem für alle Fahrzeuge der TG-Baureihe – so kommt in TGL und TGM eine kleinere Variante der Abgasnachbehandlungsanlage zum Einsatz, während in TGS und TGX ein größeres Modul montiert wird. Beide Versionen beinhalten neben dem SCR-Katalysator den Rußpartikelfilter, den Dieseloxidationskatalysator und die Adblue-Eindüsung. Diese Eindüsung wiederum kommt ohne Druckluft aus und soll gemeinsam mit der höheren Adblue-Umsatzrate durch die optimierte Beschichtung der Katalysatoren eine höhere Effizienz des gesamten Systems zur Folge haben.

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