Elektro-Bus für Stadt und Land: Solaris Urbino als elektrisches Multitalent

Elektro-Bus für Stadt und Land
Solaris Urbino als elektrisches Multitalent

Der Elektrobus verlässt langsam die Stadtnische und wagt sich aufs Land. Solaris traut sich mit dem neuen Urbino 15 LE zudem ans aussterbende Dreiachserkonzept.

Solaris Urbino 15 LE electric 2020
Foto: Solaris

Sie waren seit Jahren schon in grundverschiedenen Welten zu Hause: moderne elektrische Niederflur-Stadtbusse auf der einen Seite und robuste dieselbefeuerte Low-Entry-Überlandbusse, die eher das Budgetsegment bedienen, auf der anderen Seite. Klassische Vertreter der ersten Gattung sind der neue Mercedes eCitaro – oder die zweite Generation des Solaris Urbino electric, der 2015 in neuem Design gestartet war, das voriges Jahr bereits dezent geliftet wurde. Die zweite Klasse wird von alten Bekannten wie dem Iveco Crossway oder der ähnlich erfolgreichen Setra Multi-Class LE business verkörpert. Auf einem coronabedingten Online-Event stellte der polnische Busbauer Solaris, der seit einiger Zeit schon zur spanischen CAF-Gruppe gehört, nun einen 15 Meter langen Elektro-Urbino LE vor, der diese Trennung der Welten erstmals durchbricht und zudem als reiner Elektrobus entwickelt wurde. Je nach Zählweise landen die Polen im Bereich der seit 2011 bis heute gebauten Elektrobusse mit 678 Einheiten (ohne Trolleybusse, Quelle: Solaris) knapp hinter VDL auf Platz zwei des jungen Elektrorennens.

Zwar hat Solaris seit 2015 auch einen zwölf Meter langen Low Entry im Programm, der sich als Dieselversion mit raffiniert ansteigendem Dach eher am teuren Mercedes Citaro LE orientiert; wahrscheinlich wegen dieser diffizilen Dachkonstruktion wurde der aber offensichtlich nicht die Basis des langen Neulings, sondern man entwickelte eine neue Elektroplattform auf Grundlage des schon rund 1.300-mal gebauten langen Dreiachsers, der zum Beispiel zuhauf in Berlin bei den BVG unterwegs war. Auf dem Kontinent und zumal in Deutschland ist diese Konfektionsübergröße etwas aus der Mode gekommen, die Vorteile der Gelenkbusse in Bezug auf Kapazität und Wendigkeit sind einfach zu groß. Und versierte Fahrer, die ein ausschwenkendes Heck beherrschen, werden wohl schon seit Längerem rar.

Anders sieht es nach wie vor aber in Skandinavien aus, wo diese Exoten sich weiter großer Beliebtheit erfreuen. Sverre Skaar, Leiter von Solaris Norge im elektroverliebten Norwegen, nannte bei der Premiere den Bus denn auch die "richtige Antwort auf lokale Bedürfnisse" in einem Land, "in dem es ein gut ausgebautes Überland-Expressbusnetzwerk gibt, das sowohl von Einheimischen als auch Touristen" sehr gern genutzt werde. "Unsere Kunden haben lange auf diesen Bus gewartet", sagte er weiter, auch weil die "elektrische Revolution" in Norwegen heute ein Fakt sei. Zudem schätzen die Nordlichter die hohe Sitzplatzzahl, die durch den angehobenen Heckbereich möglich wird; hier sind es je nach Türkonfiguration und Zulassungsklasse (I oder II) 51 bis 65 Sitze. Insgesamt kann der Elektrobus bis zu 105 Personen befördern, freilich in wenig coronakonformer Besetzung der Stehflächen von acht Personen pro Quadratmeter – auf diesen gesetzgeberischen Missstand haben wir schon mehrfach hingewiesen. Immerhin sind das ähnlich viele Passagiere, die ein Setra S 418 LE business schleppen kann – trotz der schweren High-Energy+-Batterien, die Solaris erst im vorigen Jahr vorgestellt hat und die sowohl im Heck als auch auf dem Dach montiert sind.

Solaris Urbino electric: bis zu 350 Kilometer Reichweite

Diese Hochleistungsakkus mit Zellen von Samsung und neuerdings auch vom koreanischen Hersteller LG, der ein Werk in Polen gebaut hat, sollen für mindestens 250 Kilometer gut sein – und das auch am Ende ihrer Lebensdauer, so verspricht Vertriebschef Petros Spinaris vollmundig. Im besten Falle und bei mitteleuropäischem Klima könnten es aber auch bis zu 350 Kilometer sein, die den Einsatzbereich des Fahrzeugs nachhaltig "über die Stadtgrenzen hinaus erweitern". Im modernen Marketingsprech heißt das dann: "Lange Reichweite mit einer einzigen Ladung."

Bis vor Kurzem setzte Solaris, wie auch Erzfeind VDL, eher auf kleinere Batterien für Gelegenheitsladung (Opportunity-Charging) per Pantograf, spätestens seit der Einführung der High-Energy+-Batterien dreht sich der Wind auch jenseits von Oder und Neiße aber deutlich in Richtung Depotladung – wie bei fast allen Herstellern. Dieser Trend wird schon dadurch deutlich, dass man den Urbino 15 LE electric mit einem CCS-Stecker an vier verschiedenen Positionen bekommen kann: rechts und links hinter der Vorderachse, vorn im Bug oder hinten im Heck. Zudem stellt Solaris derzeit einen neuen, flüssigkeitsgekühlten AC-Lader mit bis zu stolzen 260 kW vor, der die Akkus innerhalb von zwei Stunden wieder füllt – das ist eine enorme Leistung und konnte bisher nur selten so realisiert werden. Zumeist ist bei maximal 150 kW Schluss. Aber die elektrischen Grundlagen im Depot müssen meist sowieso auf völlig neue Verkabelungen umgestellt werden, da dürfen es dann gern gleich ein paar Kilowatt mehr sein!

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