Eine angemessene Laudatio auf seinen altvorderen Urahnen zu verfassen, der vor einem halben Jahrhundert das Licht der Buswelt erblickte (gleichzeitig mit der Messe Busworld) und seitdem eine unvergleichliche Karriere hingelegt hat, ist keine einfache Angelegenheit. Das kann ich Ihnen sagen! Immerhin durfte ich mich 2006 auch selbst an dieser Stelle bei Ihnen einführen. Mein Urgroßvater (der Einfachheit halber will ich ihn so nennen heute) gilt immerhin als der erste moderne Hochdecker-Reisebus! Da nimmt man sich als Konzernprodukt in einer Welt moderner Superhochdecker doch eher mal zurück und schaltet einen Gang automatisiert herunter.
Zudem unken manche Zeitgenossen, ich sei gar kein echter Neoplan mehr – was mir natürlich immer sehr wehtut. Dann fallen häufig Wörter wie "Made in Germany", "Tourliner", "Konzernbaukasten" und "Deckungsbeitrag 2", die mir irgendwie fremd sind. Letzteres hat sogar meinem großen Bruder Starliner, von dem ich sehr viel gelernt habe, schon ein frühes Ende bereitet. Dabei habe ich ihn mit seiner stolzen, fliehenden Stirn immer mindestens genauso bewundert wie viele meiner Besitzer und die Menschen, die uns gebaut haben. So ein wenig ist dies denn auch eine Trauerrede, die mir 2015 leider verwehrt war. Und eigentlich ist mir zum Feiern auch gar nicht so richtig zumute: Meine Marktanteile sinken, Corona drückt die Zahlen noch weiter runter, und meine letzte deutsche Kita wurde für ein Almosen von Menschen ohne Busleidenschaft verscherbelt. Aber trotzdem: 50 Jahre sind doch was in einer schnelllebigen Zeit des "Schneller, höher, weiter!". Also sage ich voll Stolz: herzlichen Glückwunsch, Neoplan Cityliner!

Geboren im alten Neoplan-Stammwerk in Stuttgart
Geboren wurden wir allesamt in Stuttgart im alten Neoplan-Stammwerk – wenn ich auch hier nur konzipiert und gezeichnet wurde vom Designteam um Michael Streicher und Andrea Lipp. Die Ehre, hier in großen Stückzahlen gebaut zu werden, wurde mir und meinem großen Bruder Starliner nicht mehr zuteil, nachdem die Produktion hastig zuerst nach Pilsting und dann nach Plauen verlagert wurde. Heute komme ich aus Ankara, zusammen mit meinen MAN-Brüdern. Die halten sich zwar manchmal für etwas Besseres, nur weil sie für die Bundesliga fahren und das Lkw-Gesicht kopieren dürfen. Ich zeige ihnen dann gern einfach meine scharf angeschnittenen Angel-Eyes und den muskulösen Rücken, wenn ich sie stehen lasse – weil die Fahrgäste dann doch lieber bei mir einsteigen. Ich gehöre nämlich zur Premiumklasse – mit Verlaub! So war es zumindest in der Vergangenheit. Ach ja, die glorreiche Vergangenheit, um die geht es ja heute hier.
Und die geht so: Anno 1971 bestellte ein Berliner Stadtrundfahrtunternehmen vier Sightseeingbusse, um damit über die Berliner Mauer zu schauen – und auch ein wenig, um alle anderen zu beeindrucken. Da war man bei uns Neoplanern genau richtig, hatte die Stuttgarter Busbauerdynastie Auwärter doch 1967 schon mit dem Skyliner als erster Bushersteller einen Reisedoppeldecker auf die Räder gestellt und damit großen Erfolg gehabt. Realisieren musste diesen Spezialauftrag dann unser ebenso kongenialer wie sympathischer Busbauer und späterer Neoplan-Geschäftsführer Bob Lee (siehe Interview links), der durch und durch für das Thema Bus brennt. Der nahm einfach den Typ Hamburg, den er zusammen mit Albrecht Auwärter und zwei Kommilitonen an der Wagenbauschule Hamburg kreiert hatte, schnitt von der Zeichnung mit der Schere den Wagen oberhalb des Fußbodens ab und schob den Fahrgastraum deutlich nach oben. Die einfachsten Ideen sind oft einfach die besten! So konnten die Fahrgäste über den Fahrer hinwegsehen und hatten dort oben auch generell die bessere Aussicht. Zwei große Schiebedächer erlaubten die gewünschten interzonalen Einblicke nach Ostberlin. Der Name Cityliner war geboren, wenn auch "Intercityliner" sinnvoller war – der wurde aber vom Erzfeind, der Bahn, für sich reklamiert.
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