Sechs Sattelzugmaschinen vornehmlich vom Typ MAN TGX sind Anfang Dezember binnen vier Arbeitstagen zunächst auf einer Landstraße im Fichtelgebirge und dann auf den Autobahnen A 3, A 7, A 70, A 8 und A 9 aufgrund eines in den Medien laut ersten Erkenntnissen der Polizei genannten "technischen Defekts" in Vollbrand geraten. Durchaus ein guter Grund, nach einem halben Jahr noch einmal bei der Pressestelle des Herstellers in München mit zwölf konkreten Fragen nach dem Erfolg der pro-aktiven Feldmaßnahmen nachzuhaken. Im Sommer dieses Jahres hatte MAN seine Kunden in Europa nach eigenen Angaben "erneut dazu aufgerufen", wegen der drohenden Gefahr eines bestimmten Schadensmusters, dem Durchschlag des Pleuellagers durch den Motorblock, allein bei den 120.000 zwischen 2016 und 2019 gebauten Lkw der Baureihe TGX und TGS mit den Euro-6c-Motoren der Typen D2676LF51-53 ihre Fahrzeuge bei einer MAN-Fachwerkstatt überprüfen zu lassen.
Katastrophe im Hamburger Elbtunnel verhindert
Wenige Tage danach, am 4. Juli, konnte die Feuerwehr im Elbtunnel der A7 in Hamburg wohl eine größere Katastrophe verhindern, nachdem erneut ein MAN TGX in Brand geraten war, wie seinerzeit unser Partner-Medium der Stuttgarter Motorpresse im Magazin Auto, Motor und Sport mit großer Sachkenntnis berichtete. Über den zuständigen Verband konnte ich den Halter aus dem Containertrucking des Hamburger Hafens schnell ausfindig machen. Er berichtete in der Tat von einem Durchschlag des Pleuellagers, hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch kein Anschreiben von MAN erhalten, da er den TGX gebraucht über einen freien Händler gekauft hatte. Und selbst, wie er mir sagte, die Wartungsintervalle eingehalten hatte. Beim Kauf des Lasters war ihm das mögliche Problem noch gar nicht bekannt.
Weitere 22 Brände nach dem Schadensmuster
Dass nicht jede Aufforderung zum Aufsuchen einer Werkstatt sofort greift, ist nachvollziehbar, doch seither ist die Zahl der von MAN bekanntgegebenen 170 Brände nach den immer wieder online veröffentlichten Meldungen um rund 50 weitere Fälle gestiegen. Was MAN in der Grundgesamtheit so nicht bestätigen kann, denn nach eigenen Angaben hat die Produktbeobachtung die letzten Fälle im Dezember bislang noch nicht ausgewertet. So jedenfalls steht es in der meine Fragen zusammenfassenden Antwort des Herstellers vom vergangenen Freitag, dem 13. Dezember. Dort gibt MAN folgende Zahl bekannt: "So können den in der Presseinformation von Anfang Juli erwähnten 170 Brandfällen, die – neben anderen möglichen Ursachen – auf das genannte Motorschadensmuster zurückzuführen sein könnten, von Juli bis Ende November diesen Jahres 22 weitere Fälle zugeordnet werden." Das wären dann etwa knapp die Hälfte.
Rund 75 Prozent waren in der Werkstatt
Die Antwort von MAN, die ich hier im Verlauf des Blogs komplett wiedergebe, ist ein rechtssicher formulierter Text, der die komplexen Gründe aus Sicht des Herstellers erklären soll. Vor allem betont MAN die eigene Transparenz bei der Kommunikation. Auch am 5. November hat MAN, diesmal wieder ohne einen vorherigen Hinweis an die Fachpresse, noch einmal seine Kunden mit einem Schreiben, das mir vorliegt, aufgefordert, in die Werkstatt zu kommen. Es wurden auch noch einmal andere bekannte Gründe für diese Motorschäden genannt: "Überschreitung der obligatorischen Wartungsintervalle, dadurch geschädigte Ölfilterbauteile, besondere Betriebsbedingungen, insbesondere Überdrehzahl beim Lkw, Eindringen von (Kühl-)Wasser ins Motoröl, Motortuning, eine Verwendung nicht freigegebener Motoröle, deren Vermischung, sowie Verwendung von Wartungsteilen wie Motorölfilter, Luft- und Dieselfilter, die nicht den Herstellervorgaben entsprechen." Definitiv zieht sich der freiwillige Rückruf in die Länge – entweder weil manche Kunden die ersten Aufforderungen einfach ignoriert haben, oder bislang nicht erreicht werden konnten.
80 Prozent vorausgegangene Wartungsmängel
Wortwörtlich heißt es: "Die Erkenntnisse zu aufgetretenen Brandfällen der letzten Monate bestätigen zuerst einmal unsere Aussage, dass es für Fahrzeugbrände eine Vielzahl von Ursachen gibt und nur eine unter diesen Motorschäden aufgrund eines Pleueldurchschlags sein können. Unsere Erkenntnisse auf Grundlage der eingeleiteten Servicemaßnahmen, bei denen wir über alle Fahrzeuge der fraglichen D26 Euro 6c Population und über alle Länder mittlerweile einen Abarbeitungsgrad von über 75 Prozent haben, zeigen aber auch klar: Werden die vorgeschriebenen Ölwechsel und Wartungsintervalle eingehalten, sehen wir keine übermäßige Häufung von Motor- und gegebenenfalls Folgeschäden. Über 99 Prozent der Fahrzeuge aus der D26 Euro 6c Fahrzeugpopulation sind sehr zuverlässig im Einsatz. Bei den im Vergleich dazu sehr wenigen Fahrzeugen mit Kurbelgehäusedurchschlägen konnten wir bei rund 80 Prozent vorausgegangene Wartungsmängel feststellen."
Wer ist für die Wartungsmängel verantwortlich?
Zu meinen Fragen gehörte auch die, in wie vielen Fällen das genannte Schadensmuster bei Fahrzeugen aufgetreten ist, die im Wartungsvertrag bei einer MAN Werkstatt gewartet werden oder in den ersten Jahren gewartet worden sind. Denn seit meinem letzten Blog haben mich immer wieder Unternehmen aus Deutschland, aus Österreich und zuletzt sogar eine große Spedition aus Dänemark kontaktiert, die sich darüber beklagten, dass ihre Fahrzeuge mit einer Laufleistung ab 400.000 Kilometer aufwärts durch einen geplatzten Motor in Brand geraten sind, obwohl sie eben im Wartungsvertrag ausschließlich in den Werkstätten von MAN betreut wurden. Diese Frage wurde nicht konkret beantwortet, was auch manche versicherungsrechtliche Frage aufwirft. Etwa nach einem möglichen Regress der Versicherer gegenüber MAN. Letzten Endes müssen die Kunden gestiegene Versicherungsprämien aufbringen. Was, je nach Größe des Fuhrparks, in einer wirtschaftlich angespannten Marktlage zu höheren Betriebskosten führt.
So heißt es von MAN lediglich: "Die eingeleiteten Maßnahmen zielen wie bereits zuvor mehrfach und auch öffentlich kommuniziert gezielt darauf ab, gegebenenfalls bestehende Wartungsmängel im Vorfeld des Eintritts eines Schadens abzustellen und abhängig von der individuellen Fahrzeug- und Wartungshistorie des Fahrzeugs in Abstimmung mit dem Kunden gegebenenfalls weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. Selbstverständlich kommen die eingeleiteten Maßnahmen auch bei allen D26 Euro 6c Fahrzeugen zur Anwendung, die wir im Zuge von Neufahrzeuggeschäften zurücknehmen und später als Gebrauchtfahrzeuge wieder in den Markt bringen."
Der zweite Vollbrand bei einem TopUsed-MAN
In meinem letzten Blog hatte ich den Fall eines kleinen Unternehmers aus Baden-Württemberg geschildert, der einen TGX 18.500 aus dem Bestand von TopUsed aus Kirchheim/Teck im Mietkauf erworben hatte, der wiederum kurze Zeit nach dem regulären Einsatz durch einen vorherigen Motorplatzer in Brand geraten war, wie ein Gutachten im Auftrag der Versicherung belegen konnte. Hier hatte sich MAN auch nach Gesprächen mit dem Auftraggeber am Ende kulant gezeigt, denn da die zum Mietkauf vereinbarte GAP-Versicherung bei dieser Art von Bränden nicht gegriffen hatte, sollte der Unternehmer auch noch alle noch fälligen Raten zurückzahlen. So blieb er am Ende "nur" auf den ersten Raten hängen.
Nun gab es Anfang Dezember den nächsten Fall eines MAN TGX 18.500 aus dem Jahr 2019 auf der A 9, den die Feuerwehren aus Bayreuth und Laineck, die uns auch das Bild zur Verfügung gestellt haben, recht schnell unter Kontrolle brachten. Hier wird ein geplatzter Motor als Ursache vermutet. Die Fahrerin erlitt eine leichte Rauchgasvergiftung und ist derzeit noch krankgeschrieben. Das kleine bayrische Unternehmen, das nicht öffentlich genannt werden möchte, hatte den Lkw ebenfalls gebraucht gekauft, bei TopUsed in Kirchheim/Hessen. Beim Stand von 417.000 Kilometern geriet es nun in Brand. Pikant dabei: Erst kurz vorher war der Lkw laut Aussage des Halters nach dem Rückruf in der zuständigen MAN-Werkstatt in Bayreuth und wurde nach einer Prüfung ohne Beanstandung wieder auf die Straße geschickt.
Auch der MAN 18.460 eines Frachtführers aus Erlangen, Baujahr 2019, der am Montag, dem 9. Dezember, auf der A 70 im Auftrag eines deutschen Logistikers in Brand geriet, soll nach meiner Rücksprache mit dem Halter, der mich kontaktiert hatte, erst am Freitag zuvor in der MAN-Werkstatt Nürnberg aufgrund des Rückrufs gecheckt worden sein. Zu diesen beiden Fällen kann MAN noch keine Aussagen treffen, da sie, wie oben beschrieben, eben noch nicht ausgewertet wurden.
Bisherige Maßnahmen laut MAN erfolgreich
Dessen ungeachtet schreibt MAN in seiner Antwort: "Bei den Fahrzeugen, die bisher im Rahmen der seit Ende 2022 laufenden Aktionen in der Werkstatt waren, wurde in jedem Fall der Ölfilterdeckel getauscht, gegebenenfalls das Wartungsintervall je nach Einsatzschwere angepasst und, wo aufgrund unserer Analysen angezeigt, in einigen Fällen auch ein Lagertausch durchgeführt. Im Falle von Wartungsüberziehungen wurden je nach deren Schwere auch Kostenbeteiligungslösungen mit den Kunden gefunden. Zudem bieten wir den Lagertausch für die fragliche D26 Euro 6c Fahrzeugpopulation in unseren Werkstätten ohnehin zu sehr günstigen Paketpreisen an.
Die Wirksamkeit dieser sehr umfangreichen und transparent kommunizierten freiwilligen Maßnahmen zeigt sich mittlerweile klar. Zwar sind weitere Motorschäden aufgrund von Kurbelgehäusedurchschlägen aufgetreten. Insgesamt aber ist keine signifikante Zunahme der Schadensereignisse erfolgt, wie sie mit Blick auf die höhere Empfindlichkeit der bleifreien Lagergeneration gegenüber übermäßiger Ölalterung durch vernachlässigte Wartung bei zunehmender Laufleistung und steigendem Fahrzeugalter ohne die bereits seit Ende 2022 eingeleiteten Maßnahmen zu erwarten gewesen wäre.
Deshalb setzen wir auch weiter darauf, die Kunden, die sich noch nicht entsprechend daran beteiligt haben, proaktiv anzuschreiben und darüber hinaus alle Kunden wiederholt und deutlich durch weitere Anschreiben über die Wichtigkeit der Einhaltung von Wartungs- und Ölwechselintervallen zu informieren und dafür zu sensibilisieren, fahrzeugseitigen Wartungs- und Warnhinweisen unbedingt Folge zu leisten sowie von unserem kostenlosen Angebot MAN ServiceCare zur proaktiven Wartungsplanung Gebrauch zu machen. Parallel dazu sind wir zudem im konstanten Austausch mit allen relevanten Behörden zu Fortgang und Umsetzungstand unserer eingeleiteten Maßnahmen."
Die Bedenken bleiben
Dennoch, meine Bedenken blieben, zumal mir DAF, Daimler Truck und Scania auf meine frühe Anfrage aufgrund vereinzelt gemeldeter Brände erklärt hatten, dass sie keine nennenswerten Brände zu verzeichnen haben, die sich mit dem Einbau bleifreier Lagerschalen erklären ließen. Wenn etwa bei einem typischen Rückruf der Automobilindustrie ein bekanntes schadhaftes Bauteil getauscht werden muss, dann ist das eine eindeutige Maßnahme. Im Falle der brennenden MAN gibt es für mich weiterhin viele Unbekannte. So sind mir weitere Fälle bekannt, in denen die Motoren trotz des in der Werkstatt überprüften Wartungsintervalls eben gerade mit einem Pleuellagerdurchschlag in Brand geraten sind. MAN hatte bereits sehr früh das verschmutze Öl als "Haupttreiber" benannt. Dass dies auch sehr früh durch diese offenbar nicht geeigneten Ölfilterdeckel auch in den Werkstätten von MAN passiert sein kann, wird aus meiner Sicht ein wenig nonchalant behandelt. Dieser Abrieb auf den bleifreien Lagerschalen, wie ihn Gutachten belegt haben, ist ein sehr langwieriger Prozess, der meines Erachtens in den ersten rund vier Jahren der Laufleistung erfolgt sein muss, also ohne Wissen des Kunden.
Erst ab 2022 hat MAN selbst davon Kenntnis gewonnen und nach eigenen Angaben die ersten Maßnahmen ergriffen. Dass bei diesen Motoren jetzt ein vorgezogenes Wartungsintervall gegen die mögliche Vorschädigung Abhilfe bringen soll, ist für mich keine Garantie, dass es nicht jederzeit irgendwo auf einer Autobahn oder einer Landstraße, insbesondere auf bergigen Strecken wie in Hessen, gerade über den stark belasteten Hauptzylinder Vier zum nächsten Brand durch "einen technischen Defekt" im Motorraum kommen kann. Die Gefahr, die in der Regel zu einer mehrstündigen Vollsperrung der Autobahnen mit kaum zu definierenden volkswirtschaftlichen Schäden führt, ist also noch nicht gebannt. Daher soll mein letzter Blog des Jahres auch noch einmal dazu beitragen, dass die verbliebenen 25 Prozent der Halter der Lkw mit den genannten Motoren endlich eine MAN-Werkstatt ihres Vertrauens aufsuchen.