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Faktencheck Güterverkehr in Deutschland Den Verkehrskollaps verhindern

Foto: DB AG/Volker Emersleben, Vicki Hamilton/Frauke Feind – Pixabay

Laut dem „Faktencheck Güterverkehr in Deutschland“ von Pro Mobilität gibt es nur wenig Potenzial für eine Verkehrsverlagerung – und viele Aufgaben, um das Verkehrswachstum zu bewältigen.

Die Politik redet seit Jahren von mehr Verlagerung, gleichzeitig wird das Verkehrswachstum weiter anhalten – Zeit für einen „Faktencheck Güterverkehr in Deutschland“, den die Initiative Pro Mobilität jetzt vorstellte. Was kann überhaupt verlagert werden und welche Rahmenbedingungen müssen für den Güterverkehr der Zukunft gesteckt werden? In einer Studie ließ Pro Mobilität dies untersuchen.

„Politische Entscheidungen müssen auf Fakten basieren“, sagt bei der Vorstellung der Studie Prof. Dr. Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) und Vizepräsident von Pro Mobilität. Die Initiative setzt sich seit 2002 in Politik und Öffentlichkeit für leistungsfähige Infrastruktur und sichere und nachhaltige Mobilität ein, aktuell sind 39 Unternehmen und Verbände Mitglieder von Pro Mobilität.

Deswegen sei auch beim Güterverkehr ein Faktencheck notwendig, der das Zusammenspiel der verschiedene Verkehrsträger, Faktoren wie etwa die Planungslage für den Infrastrukturausbau und weiteres berücksichtige. Ein „weiter so“ führe ansonsten relativ sicher in den Verkehrskollaps, sagte Engelhardt. Erstellt wurde die Studie durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), Thomas Puls, Senior Economist für Verkehr und Infrastruktur beim IW, stellte die einzelnen Punkte vor. „Güterverkehr, Wachstum und Wohlstand gehören zusammen“, stellte Puls voran.

Mehr Einschlag für wichtige Erkenntnisse

Der Güterverkehr stehe jedoch vor gewaltigen Herausforderung: die Transportmengen steigen weiter an, es gebe Infrastrukturprobleme durch Kapazitätsengpässe und einen langjährigen Investitionsstau, der Fachkräftemangel spitze sich weiter zu. Und außerdem müsse der Bereich – über alle Verkehrsträger – bis 2050 unabhängig von fossilen Brennstoffen sein. „An Herausforderungen mangelt es also nicht, aber die Lösungen der Politik werden dem gerade nicht gerecht“, sagte Puls. Die Studie solle dazu führen, dass die wichtigsten Erkenntnisse „mehr Einschlag“ finden.

Schiene und Binnenschiff für Massegüter

Sicher ist demnach ein anhaltendes Güterverkehrswachstum bis 2050. Alle Verkehrsträger haben unterschiedliche Transportprofile und bedienen verschiedene Märkte, die wichtigen Transportgüter überschneiden sich so gut wie nie, sagte Puls. Während Schiene und Binnenschiff bei Massegüter und auf der Langdistanz punkten, fahren die deutschen Lkw im Vergleich dazu meist Kurzstrecken und sind etwa in den Bereichen Baustoff, Lebensmittel und im Verteilerbereich nicht zu ersetzen.

Lkw behält Führungsrolle

Der Lkw wird in den nächsten Jahren weiterhin dominierend sein, so das Ergebnis der Studie. „Wir sind es leid, immer über eine Verlagerung zu hören, ohne dass die Möglichkeiten überhaupt überprüft werden“, sagte Engelhardt. Fakt sei: Der Transport von Kohle und Mineralölerzeugnissen, zwei der wichtigsten Transportgüter auf der Schiene, gehe aufgrund der Klimaziele zurück, gleichzeitig werde die Bauindustrie und auch der E-Commerce auch in den kommenden Jahre boomen – davon profitiere der Lkw.

Größtes Potenzial im Kombinierten Verkehr

Aber: Kein Verkehrsträger wird die Herausforderungen ohne Hilfe der anderen bewältigen – das größte Verlagerungspotenzial biete der Kombinierte Verkehr Straße/Schiene, der daher deutlich besser werden müsse, sagte Puls. Dafür brauche es mehr Planungssicherheit sowie Zuverlässigkeit im Hauptlauf durch eine höhere Priorisierung im Schienennetz.

Und bessere Angebote für die Transportunternehmer: Laut Engelhardt fehle bislang ein integriertes Angebot für den Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr, deswegen arbeite der BGL mit der Allianz pro Schiene an dem Thema, erste Angebote von Anbietern liegen demnach schon vor. Benötigt werden aber auch Lösungen über den deutschen Transportraum hinaus, denn der Transport, gleich ob auf der Schiene oder Straße, mache an den Grenzen nicht halt. „Wir müssen europäischer denken“, sagte Puls.

Infrastruktur schneller ausbauen

Laut dem IW-Experten sind zudem die Güterhauptkorridore von Straße und Schiene am Anschlag. Daher müssen Sanierung und Neubau besser und schneller werden – denn ein Schienenneubau brauche jetzt im Schnitt von der Planung bis zur Umsetzung 23 Jahre.

Gravierend und völlig unterschätzt ist demnach auch der Fachkräftemangel, der ebenfalls den ganzen Güterverkehr betreffe: Es fehlen nicht nur Berufskraftfahrer und Lokführer, sondern auch Bauingenieure für die Planung der Infrastruktur oder Fahrdienstleister im Schienenverkehr: „Wenn wir das nicht hinbekommen, bekommen wir auch das Verkehrswachstum nicht hin.“

Fachkräftemangel bekämpfen

Hier sieht Engelhardt die Politik besonders in der Pflicht: für die Bekämpfung des Sozialdumpings etwa, damit deutsche Unternehmen ihren Mitarbeitern faire Löhne zahlen können; für ein klares Bekenntnis zum Güterverkehr und der Schaffung der entsprechenden Rahmenbedingungen wie ausreichend Lkw-Parkplätze; für eine Steigerung der Frauenquote und damit die Möglichkeit für andere Arbeitszeitmodelle; für eine Zulassung von Fahrern aus Drittländern und für mehr Bürokratieabbau und damit wieder bezahlbare Führerscheine. Entscheidende Stellgröße für die Zukunft ist auch Dekarbonisierung, vor allem des Lkw-Verkehrs. Engelhardt wünscht sich hier eine bessere und vor allem ehrlichere Kommunikation durch die Politik, etwa im Hinblick auf die Energiequellen – kann etwa die Elektrifizierung nachhaltig über Grünstrom erfolgen?

Erster Schritt: Novellierung der Führerscheinrichtlinie

Die Politik ist informiert – laut Engelhardt hat Pro Mobilität den Faktencheck Güterverkehr sowohl auf Ebene der Bundesministerien als auch auf der Ebene der betreffenden Staatssekretäre weitergegeben. Wie viel die Politik verstanden hat, wird sich zeigen. Engelhardt hat aber schon einen konkreten Vorschlag für einen ersten Schritt: Bei der nächsten Novellierung der europäischen Führerscheinrichtlinie könnte man neu über die Fahrerlaubnisklassen B und C1 nachdenken – damit Personen mit B-Führerschein auch kleinere Lkw etwa im Paketsegment fahren können und damit dieser Bereich nicht mit dem 40-Tonnen-Bereich um Fahrer konkurrieren müsse.

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