Das Jahr 2024 hat der Branche gefühlt mehr Tiefen als Höhen beschert. Mit welchen Erwartungen Frank Huster vom Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) auf die momentane Lage und die nächsten Monate blickt.
„Die aktuelle Situation ist nicht einfach, der Druck auf die Wirtschaft ist immens“, sagt der Hauptgeschäftsführer des DSLV. Zwei Faktoren belasten demnach die deutschen Speditions- und Logistikunternehmen besonders.
Da ist zum einen der direkte Druck durch die staatlichen Bürokratieauflagen. „Das ist inzwischen ein Fass ohne Boden“, sagt Huster gegenüber trans aktuell. Der Hauptgeschäftsführer betont, dass die Klagen durchaus nicht reflexhaft seien – es gehe den Unternehmen nicht darum, Umwelt- und Sozialschutzauflagen grundsätzlich zu kippen. „Vielmehr stellen die Unternehmen zu Recht die Sinnhaftigkeit von Detailvorschriften in Frage“, sagt Huster. Als Verband müsse der DSLV daher das Thema Bürokratieentlastung so orchestrieren, dass die Branche primär vor weiteren Auflagen geschützt werde, und dann auch den Nutzen bestehender Gesetze hinterfragen.

DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster setzt sich für mehr Entbürokratisierung ein.
Erhöhter Stress bei den Unternehmen
Der zweite Faktor für den gestiegenen Druck sei die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage bei den Kunden der Spediteure und Logistiker. Das Güterverkehrsvolumen sei deutlich gesunken. Vor allem der Automotivebereich schwächelt. „Die Parallelität von Geschäftseinbruch und konstant wachsenden Kosten erhöht den Stress bei den Unternehmen. Das macht sich vor allem bei den Kleinstunternehmen bemerkbar, zieht sich aber durch über die Mittelstandshäuser bis hin zu den Global Playern“, sagt Huster gegenüber trans aktuell. Gerade bei kleineren, inhabergeführten Betrieben sei zu beobachten, dass das eigene Geschäft in Frage gestellt werde. Im Straßengüterverkehr reagiere der Markt auf das enger werdende Laderaumangebot irrational mit sinkenden Frachtraten – „eine absurde Situation“.
Die negative Stimmungslage ziehe sich von der Luft- und Seefracht über den Schienengüterverkehr; das Logistikgeschäft – Lebensmittel und Pharmazie – laufe tendenziell noch gut „Es fehlt daher den Unternehmen der Branche das Verständnis, dass der Bundestag gerade in der jetzigen Zeit eine parteistrategische Pause macht. Wahlkampf steht vor Standortsicherung. Von Deutschlandpakt keine Spur“, sagt der DSLV-Hauptgeschäftsführer.
Von dem Vorwurf könne man nach dem Ampel-Aus laut Huster keine Partei ausnehmen. So hätten der Bundeskanzler und Bundeswirtschaftsminister unter Applaus der Opposition vollmundig versprochen, das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zumindest abzumildern. Doch Mehrheiten für eine wirtschaftsfreundliche Entscheidung lassen sich im Bundestag nicht finden. Gegenseitige Blockaden gebe es auch bei der Novelle des Berufskraftfahrerqualifizierungsgesetzes, obwohl es inhaltlich keine gegenseitigen Interessen gebe.
2025 bringt auch internationale Herausforderungen
2025 hat laut dem Branchenexperten einige Herausforderungen parat, auch international. Schwer einzuschätzen seien die Folgen der kommenden Trump-Administration. Hohe Einfuhrzölle sowie die Ausweisung ausländischer Arbeitskräfte könnten das Kostenniveau in Amerika anheben. „Die Logistik baut auf möglichst freie Märkte. Trumps Pläne könnten negative Effekte auf das Ex- und Importgeschäft und damit auf die Logistik haben – das hängt wie ein Damoklesschwert über der Branche“.
Auch die chinesische Positionierung könnte laut Huster negative Implikationen haben. Eine Prognose sei daher schwierig; auch wenn aktuell schon der Export auf dem Rückzug sei, da die deutsche Industrie weniger produziere. „Das entspannt zwar den Arbeitsmarkt, aber das bringt der Logistik nichts. Viele Unternehmen stellen bereits nicht mehr ein. Das wäre noch vor zwölf Monaten undenkbar gewesen“, berichtet der Verbandsvertreter.
"Europa muss als Einheit weiter funktionieren"
Voraussetzung für ein gutes Geschäft der deutschen Logistiker ist laut Huster aber auch ein funktionierender EU-Binnenmarkt, „und dafür muss Europa als Einheit weiter funktionieren“. Die erste Erwartung an die neue EU-Kommission sei jetzt, ihr Deregulierungsversprechen auch einzulösen, sagt Huster.
Als einen kritischen Punkt für die Branche bezeichnet er die Regulierungsdichte und das Tempo, das die EU-Kommission für die Umsetzung des Green Deal angesetzt habe. Hier gerate die Wirtschaft an Erfüllungsgrenzen. Mit dem Clean Industrial Deal der Kommission müssten jetzt schnellstmöglich Korrekturen erfolgen; Wachtum muss wieder einen hohen Stellenwert in Brüssel bekommen, so Huster .
„Es ist nicht kritisch, dass Klimaziele festgelegt werden. Problematisch ist, wenn sie apodiktisch an Bedingungen geknüpft werden, die sich als unrealistisch erweisen. Denn nur wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen können nachhaltig arbeiten“, sagt Huster. Zum Erreichen der Klimaziele müsse man entweder den Termin oder die Instrumente im Rahmen regelmäßiger Reviews überprüfen.
Huster kritisiert, dass gerade die Frage der unmittelbaren CO2-Einsparung im Straßengüterverkehr mittels Alternativen zur E-Mobilität zu sehr dogmatisch als klimafeindlich abgetan werden. „Dadurch wird das Bekenntnis für den Klimaschutz nicht wirklich glaubwürdig. Zumindest für einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren könnten alternative Kraftstoffe erheblich zu einer Emissionsminderung beitragen“. Für einen Produktionshochlauf brauche die Industrie eindeutige Signale der EU. Aber möglicherweise sei genau das die Strategie der politschen Kräfte, die in der E-Mobilität das Allheilmittel sehen, vermutet Huster.
Und was erwartet der DSLV-Hauptgeschäftsführer von der Bundespolitik, etwa nach den Neuwahlen im Februar 2025? Laut Huster sollten im Pflichtenheft des nächsten Bundeskanzlers, Wirtschaftsministers und Verkehrsministers weniger Silodenken und eine tiefere interministerielle Abstimmung stehen. „Wirtschaft und Verkehr bedingen einander – sie sind eine Einheit, auch wenn die Ressorts nicht zusammengefügt werden können“, sagt der DSLV-Vertreter.
Neue Finanzierungswege für die Verkehrsinfrastruktur
Als zwingende Aufgabe sieht Huster in der neuen Regierungsperiode die Schaffung einer auskömmlichen Verkehrsinfrastrukturfinanzierung an. „Gleich welcher Verkehrsträger – die deutsche Infrastruktur ist nahezu desolat. Ihre Wiederherstellung verdient einen starken mehrjährigen Etat in neuer Struktur, das ist volkswirtschaftlich geboten. Auch bei den Finanzierungsquellen müssen wir flexibler werden. Dazu zähle ich auch privates Kapital und die Ausweitung der Nutzerfinanzierung auf den Individualverkehr“ sagt Huster und spielt damit auf die Einführung einer Pkw-Maut an.
Vorausgesetzt, es erfolge auf der Ausgabenseite eine kosequente Haushaltskonsolidierung und -priorisierung, könne man die Flexibilisierung der Schuldenbremse als letzten Hebel zumindest thematisieren. Huster: „Ich kann das Ergebnis nicht vorwegnehmen. Aber wenn die Gesellschaft vor einer zu hohen Zinslast geschützt werden soll, dann muss man sehr spitz gegenrechnen, ob die volkswirtschaftlichen Schäden aus einer verspäteten Infrastruktursanierung zukünftigen Generationen nicht teurer kommt.“
Die Logistik brauche aber nicht nur gesetzliche Rahmenbedingungen: In partnerschaftlicher Konnektivität und in strategischen Kooperationen sieht Huster ein Modell für die Zukunft. „Möglicherweise wird der Wettbewerb zwischen einzelnen Unternehmen rückläufig und dafür zwischen ganzen Lieferketten, deren Teil sie sind, eher zunehmen“, sagt er.
Verkehrswende gemeinschaftlich meistern
Insbesondere bei der ökologischen Transformation können Verlader, Speditionen und deren Transportdienstleister nicht isoliert vorgehen, sondern müssen die Verkehrswende gemeinschaftlich bewältigen. Dies gelte insbesondere bei der Planung von Ladeinfrastrukturen und bei der Beschaffung von E-Lkw. Laut Huster denken Verlader und größere Logistikunternehmen längst über das reine Depotladen hinaus, indem das Energiemanagementsystem der Logistikimmobilien Teil der Überlegung wird und für Partner geöffnet wird.
Eine offene Flanke, so Huster, sei die Zahlungsbereitschaft. Noch sei längst nicht jeder Logistikkunde bereit, höhere Preise zu akzeptieren. „Null-Emissions-Logistik kann es nicht zum Null-Tarif geben“, sagt der Logistikvertreter und erwartet hier Bewegung auf Kundenseite mit Blick auf wachsende Anforderungen im Sinne der Corporate Social Responsibility (CSR). Denn auch im Sozialbereich wachse die unternehmerische Verantwortung. „Hierzu gehören zuvorderst auskömmliche Preise“, sagt Huster. Angesichts des Kostendrucks, dem auch Industrie und Handel derzeit unterliegen, sei das eine zuweilen schwierig umzusetzende Forderung.
Sorgen um die Zukunft der Logistik macht sich Huster hingegen nicht. „Sie hat eine eigene Wachstumsdynamik und ist extrem anpassungsfähig. Die logistischen Anforderungen von Industrie und Handel werden immer komplexer. Hierfür braucht es zuverlässige Profis, die es ihren Kunden ermöglichen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.“