Cem Özdemir, Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, im Gespräch mit trans aktuell über Klimaziele und den Schienengüterverkehr.
Özdemir: Die Schiene ist die zentrale Säule zur Lösung der Klimakrise im Verkehrssektor. Da muss man sich nur einmal die Zahlen zur Effizienz anschauen. Verglichen mit dem Lkw stoßen Güterzüge fünfmal weniger CO2 aus und sind auch fünfmal so energieeffizient. Zudem werden dann die Straßen freier, was allen zugutekommt.
An einigen neuralgischen Punkten sind die Kapazitäten zurzeit tatsächlich begrenzt. Vor Ort kann gelegentlich schon die Reaktivierung von Ausweich- oder Überholgleisen Verbesserungen schaffen. Allerdings werden wir mit dem Schienennetz von heute die Verkehrswende nicht schaffen. Die steht und fällt vielmehr mit dem Ausbau des Schienennetzes und der Beseitigung von Engpässen.
Was ist konkret zu tun?Es geht darum, Geld in die Hand zu nehmen. Der bisherige Mittelansatz der GroKo von 1,65 Milliarden Euro pro Jahr reicht nicht ansatzweise aus, um etwa so wichtige Vorhaben wie das 740-Meter-Netz für lange Güterzüge zu finanzieren. Nötig wären rund drei Milliarden Euro jährlich. Mit den aktuell 1,65 Milliarden Euro würde es mindestens 30 Jahre dauern, bis alle Bedarfsplanprojekte umgesetzt sind. Die Zeit haben wir im Kampf gegen die Klimakrise nicht.
Welche Antriebsart hat bei Nutzfahrzeugen am ehesten Zukunft?Genauso wie bei Pkw müssen wir auch bei Lkw weg von fossilen Kraftstoffen. Der Weg im Straßengüterverkehr ist allerdings noch nicht vorgezeichnet. Aber auch da ist klar: Die Emissionen müssen deutlich gesenkt werden, und zwar schon heute. Darum sollten wir die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe für Verbrennungs- oder Gasmotoren vorantreiben, ebenso die Entwicklung der Brennstoffzelle. Was sich am Ende durchsetzt, kann man heute noch nicht sagen. Das ist Sache der Unternehmen und Ingenieure.
Wie schnell wird sich die E-Mobilität durchsetzen?Es gibt für mich im Wesentlichen zwei Indikatoren, die zeigen, ob es mit der Elektrifizierung des Verkehrs vorangeht und wie ernst es die Bundesregierung meint. Es braucht steuerliche Anreize. Dazu gehört auch das langsame Abschmelzen des Dieselprivilegs. Ebenso braucht es eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur in der gesamten Republik.
Das Unternehmen Tesla beispielsweise hat auch deshalb Erfolg, weil es sehr früh auf ein eigenes Ladenetz gesetzt hat. Und nicht gewartet hat, bis die Politik in die Gänge kommt. Doch ungeachtet dessen: Wir brauchen Unterstützung durch den Bund. Aber wir Grüne wollen auch die Hersteller und Energiekonzerne nicht aus der Verantwortung entlassen.
Zur Person
Cem Özdemir wurde 1965 in Bad Urach geboren. Seine Eltern kamen Anfang der 1960er-Jahre als Gastarbeiter nach Deutschland. Nach der Realschule lernte er Erzieher und schloss anschließend ein Studium der Sozialpädagogik an der Evangelischen Fachhochschule in Reutlingen ab. Seine politische Karriere begann 1981 mit dem Eintritt bei den Grünen. 1994 wurde Özdemir in den Deutschen Bundestag gewählt, dem er bis 2002 angehörte. Von 2004 bis 2009 war er Europaabgeordneter. 2013 wurde er erneut in den Bundestag gewählt. Über zehn Jahre war er Vorsitzender der Grünen. Anfang 2018 wurde Özdemir Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag.