Seit Wochen und Monaten scheint es rund um den Iveco Stralis nur ein Thema zu geben: Gas, Gas und nochmals Gas. Die Kommunikationsabteilungen in Turin und München feuern aus allen Rohren, und zuletzt konnten sie ihr Glück wohl kaum fassen: Mit der ziemlich kurzfristig beschlossenen Mautbefreiung für Gas-Lkw auf deutschen Autobahnen und Bundesstraßen spielte die Regierung den Italienern prächtig in die Karten. Die Investition in den alternativen Antrieb wird damit so attraktiv wie noch nie (siehe Kasten Seite 29), und die Serienfertigung der Stralis NP im Werk Madrid dürfte neue Höhen erklimmen.
Um die Drehzahl bei Autobahntempo zu senken, muss der Overdrive her
Da trifft es sich auch hervorragend, dass Iveco im Spätsommer als erster Hersteller den Mut aufbrachte, eine Gas-Sattelzugmaschine zum regulären Einzeltest zur Verfügung zu stellen. Heißt: mit voller Ausladung auf die Verbrauchsmessstrecke. Zwar macht Iveco keinen Hehl daraus, dass als regelmäßige Transportgewichte für den Stralis NP eher 32 Tonnen die Obergrenze bilden sollten, aber zum Siegel des "fernverkehrstauglichen Gas-Lkw" gehört nun mal auch der Einsatz als 40-Tonner beziehungsweise 44-Tonner im Kombiverkehr. Folgerichtig tritt der Testwagen unter der üblichen Iveco-Typenbezeichnung AS 440 S 46 T/P NP zum Test an, wobei "440" für 44 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht und "46" für 460 PS steht. Die Ziffern beziehen sich auf das große Active-Space-Fahrerhaus, die Baureihe Stralis, ein blatt-/luftgefedertes Fahrgestell und schließlich die Version "Natural Power". Der Cursor 13 NG ist mit 460 PS aus 12,9 Liter Hubraum hierzulande momentan der leistungsstärkste Lkw-Gasmotor. Er kann mit 2.000 Nm Drehmoment von 1.100 bis 1.600 Umdrehungen kräftemäßig aber nicht ganz mit den Dieselkollegen mithalten. Die 410er- und 450er- Cursor-13 aus Stralis X-Way und Trakker bringen es auf 2.100 beziehungsweise 2.200 Nm, und das schon ab 900 beziehungsweise 970 Umdrehungen. Naturgemäß will der Gas-(Otto-)Motor bei höheren Drehzahlen gefahren werden, was sich auch im Testwagen ablesen lässt: Mit knapp 1.200 Touren rollt der 460er-Stralis-NP bei 85 km/h über die Autobahn, bei den Diesel- Stralis sind es mit der Standardübersetzung 2,47 zu 1 dagegen nur rund 1.130 Umdrehungen. Und: Das höhere Drehzahlniveau erreicht der NP in der ungewöhnlichen Kombination aus drastisch kürzerer Achse und Overdrive-Getriebe.
Auf die Kombination von Overdrive mit automatisiertem ZF-Traxon-Getriebe und kurzer Achse (3,36 mit 315/70er-, 3,70 mit 315/80er-Reifen) setzen die Italiener vor allem mit Blick auf die Dauerbremsleistung. Da der Intarder den Job praktisch allein erledigen muss – weil weder Schleppmoment noch Motorbremsleistung des Gasmotors nennenswert sind –, ist die kurze Achse laut Iveco vor allem in niedrigen Geschwindigkeitsbereichen von Vorteil. Um mit Blick auf den Verbrauch die Drehzahl bei Autobahntempo zu senken, muss dann eben der Overdrive her. Die Reibungsverluste durch die zusätzliche Zahnradpaarung sieht Iveco als vernachlässigbar an, die Größenordnung nach der Warmlaufphase liege bei unter einem Kilowatt (bei kaltem Getriebeöl allerdings etwas mehr). Vom modifizierten Bremsenmanagement bekommt der Fahrer letztlich relativ wenig mit, denn im Gas- wie im Dieselfahrzeug lässt der Dauerbremshebel sechs Abstufungen zu. Der Unterschied: Beim Diesel bremst in der ersten Stellung die Motorbremse, dann folgen fünf Retarderstufen à 20 Prozent, beim LNG stehen die sechs Stufen für jeweils rund 16 Prozent der maximal verfügbaren Retarderleistung. Mit 43 steigungsbedingten Schaltungen hat das Traxon-Getriebe auf der Testrunde gut zu tun: Selbst ein länger übersetzter Stralis 460 mit kleinem 11,1-Liter-Motor kam einige Wochen zuvor nur auf 32. Doch auch wenn häufiger als sonst am Berg der neunte Gang herhalten muss, liegt das Durchschnittstempo am Ende mit 82,2 km/h auf klassenüblichem Niveau – ein Verkehrshindernis ist der 460er-NP also auch mit 40 Tonnen keineswegs.
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