So konsequent wie kein anderer Hersteller setzt Iveco auf Erdgas- beziehungsweise Methanmotoren: Das Spektrum reicht vom 3,0-Liter-CNG-Motor im Daily bis zum 12,9 Liter großen Cursor 13 NG im Fernverkehrsflaggschiff S-Way NP. Der Erfolg spricht für sich, wie allein ein Blick auf die schwere Klasse zeigt: Von den knapp 2.350 schweren Iveco-Lkw über 16 Tonnen, die im vergangenen Jahr in Deutschland neu zugelassen wurden, fährt fast die Hälfte mit Gas. Absolut stehen für 2020 rund 1.100 schwere Iveco-Gasfahrzeuge zu Buche, von denen wiederum die große Mehrheit mit LNG unterwegs ist, also mit tiefkalt verflüssigtem Methan aus speziellen Kryotanks.
Ein typischer Vertreter dieser Fraktion bestreitet den aktuellen Test: eine Standard-Sattelzugmaschine AS 440 S 46 mit Active-Space-Fahrerhaus, 44 Tonnen Zuggewicht und 460 PS. Zum Design der Generation S-Way NP („Natural Power“) tritt der Gasmotor als alter Bekannter auf. Wie die Dieselmotoren erfüllt der Cursor 13 NG mittlerweile Euro 6d, präsentiert sich aber sonst auf dem Stand der Vorstellung 2017: mit Motorblock des Cursor 13, Zylinderkopf mit Zündkerzen, seitlichen Gasinjektoren, modifizierten Kolben und Laufbuchsen für höhere Verbrennungstemperaturen sowie Wastegate-Turbolader (statt VTG-Lader wie beim Diesel). Für die Abgasreinigung reicht allein ein Dreiwegekat, und bei „intelligenten“ Nebenaggregaten wie auskuppelbarem Luftpresser und Lenkungspumpe mit variablem Durchfluss hat der NP inzwischen mit den Dieselvarianten gleichgezogen.
Fehlende Motorbremse gleicht Iveco mit Retarder aus
Das Manko der beim Gas-Ottomotor fehlenden Motorbremse gleicht Iveco mit einem Retarder aus, mit dem sich Iveco-Diesel-Fahrer kaum umstellen müssen. Der Unterschied: Beim Diesel bremst in der ersten Stellung die Turbobrake, dann folgen fünf Retarderstufen à 20 Prozent, beim LNG verteilen sich die sechs Stufen auf jeweils rund 16 Prozent Retarderleistung. Um auch bei niedrigen Geschwindigkeiten auf retardertaugliche Gelenkwellendrehzahlen zu kommen, verordnet Iveco den S-Way NP einen Triebstrang mit Overdrive-Getriebe und kurzer Achse. Mit 315/70er-Reifen beträgt das Übersetzungsverhältnis vorzugsweise 3,36 zu 1, mit 315/80ern 3,70 zu 1. So oder so liegen dann bei 85 km/h rund 1.200 Umdrehungen an. Die dritte Alternative, zum Beispiel für Baunebenverkehre, liegt mit 4,11 zu 1 nochmals kürzer.

Das Getriebe stammt wie bei den schweren Iveco üblich aus der Serie ZF Traxon. Der damit verbundene GPS-Tempomat lässt im S-Way NP die üblichen Unter- und Überschwinger von minus 5 bis plus 10 km/h zu. Auch weitere Funktionen wie Kick-down, Ecoroll-Freilauf (mit und ohne Tempomat ab circa 55 km/h aktiv), Eco-Switch oder die Motorabschaltung nach einiger Zeit im Leerlauf (üblicherweise fünf Minuten) entsprechen den S-Way Diesel. Mit dem Eco-Switch wird zwischen den Programmen Economy (maximal 85 km/h, deaktivierter Kick-down) und Standard umgeschaltet, allerdings nicht nach Lust und Laune: Für den Wechsel an einem kleinen Schloss im Beifahrerfußraum braucht man einen separaten Schlüssel.
Die Testfahrt lief im Standardprogramm ab, als Über- und Unterschwinger waren zum Marschtempo 85 km/h plus/minus 5 km/h gesetzt. Dass der S-Way NP trotz relativ kurzer Gesamtübersetzung und immerhin 460 PS nach einem höheren Drehzahlniveau als üblich verlangt, lässt sich eins zu eins an den steigungsbedingten Schaltungen ablesen: Mit 37 an der Zahl sind es beim 40-Tonnen-Zug sogar noch 5 mehr als bei einem Stralis 460 mit dem nur 11,1 Liter großen Diesel Cursor 11. Der Grund, ganz klar: Mit maximal 2.000 Nm Drehmoment hat der Gas- gegenüber den Dieselmotoren deutlich das Nachsehen. Über die ganze Testrunde hinweg sortiert sich der S-Way NP mit durchschnittlich 80,5 km/h am unteren Ende der 460-PS-Klasse ein, gerät aber noch lange nicht zum Verkehrshindernis. Im zehn Kilometer langen Fünfprozenter nach dem Moseltaldreieck zum Beispiel hält sich der NP im steilsten Stück wacker bei 59 km/h, auch wenn dafür bei 1.800 Umdrehungen der neunte Gang herhalten muss. Dazu kommt, dass nach den Erfahrungen von Iveco volle 40 Tonnen bei den „Gas-Käufern“ eher die Ausnahme darstellen – zumal mit über acht Tonnen Leergewicht nutzlastoptimierte Transporte ohnehin nicht das große Thema sein können.
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