Brand bei der SSB Keinen Grund für Stilllegung der Daimler eCitaro

Foto: Thorsten Wagner

Nach dem verheerenden Depotbrand bei der Stuttgarter SSB sieht der Hersteller Daimler offenbar keinen Grund, um seine Busse mit LMP-Festkörperbatterie vorsorglich stillzulegen, bis die Brandursache zweifelsfrei ermittelt ist. In Wiesbaden fahren 40 Busse also weiter – auch weil Daimler dort als Generalunternehmer fungiert?

Nach dem Depotbrand in Stuttgart steht nun auch Wiesbaden als Landeshauptstadt im Fokus: immerhin laufen hier mit 40 Bussen die bisher größte Anzahl der in den Verdacht eines technischen Fehlers gekommenen, neuen Festkörperbatterien eines französischen Zulieferers. Schon im Frühjahr dieses Jahres gab es auch in Wiesbaden einen Rückruf dieser grundlegend robusten und sehr umweltfreundlichen Batterien mit besonders großem Energiegehalt und somit hoher Reichweite der Busse. Die Brandursache kann immer noch nicht genau ermittelt werden, da frühestens Ende nächster Woche Gutachter unter das einsturzgefährdete Schleppdach der SSB in Stuttgart-Gaisburg vordringen können, unter dem 25 Busse verbrannten, darunter zwei Elektrobusse und zwei wertvolle Oldtimer. Daimler selbst äußert sich ebenfalls derzeit zu keinen Detailfragen.

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Trotz Brand bei der SSB in Stuttgart: Die Daimler eCitaro bleiben in Wiesbaden im Einsatz.

ESWE hält sich an Daimler-Empfehlungen

Jetzt äußerte sich die ESWE Verkehr in Wiesbaden erstmals konkret, nachdem ein hochrangiges Treffen der Geschäftsführung mit Daimler Buses Vertretern kein kommuniziertes Ergebnis brachte. „Jedes Feuer in einem Busdepot ist ein Brand zu viel. Wir fühlen mit der Stuttgarter Straßenbahnen AG und sind froh, dass beim dortigen Brand keine Menschen zu Schaden kamen.“ Konkrete Bedenken, dass Ähnliches auch in Wiesbaden passieren könnte, weist das Unternehmen von sich: „Unser Brandschutzkonzept legt sehr hohe Sicherheitsstandards fest, um Brände zu vermeiden und um eventuelle Feuer effektiv zu bekämpfen. Diese setzen wir um, sodass wir uns gut vorbereitet sehen. Hierzu stimmt sich ESWE Verkehr auch regelmäßig mit der Feuerwehr ab. Allerdings gilt auch, dass es eine 100-prozentige Sicherheit bei diesem Thema nicht geben kann.“ Das Brandrisiko schätze man als „gering“ ein, nicht zuletzt wegen der „sehr vertrauensvollen Kooperation mit dem Hersteller unserer Busse“, der in Wiesbaden gleichzeitig als Generalunternehmer für Fahrzeuge und Infrastruktur auftritt – eine seltene Konstruktion, die das Unternehmen und der ehemalige Geschäftsführer Gaefgen ausdrücklich gewünscht hatten. Bei der Frage nach einer möglichen Stilllegung der potenziell betroffenen Busse scheint jedoch eher Daimler als ESWE Verkehr selbst die Fäden in der Hand zu halten. Die Pressestelle formuliert: „Bei der Frage nach dem Betrieb der Busse arbeiten wir sehr eng und vertrauensvoll mit dem Hersteller der Busse zusammen und richten uns nach dessen Empfehlungen.“ Zum Thema Brandschutz teilte uns ESWE Verkehr-Sprecher Christian Giesen mit: „Der Generalunternehmer EvoBus ist neben der Lieferung der Batteriebusse auch für die Errichtung der Ladeinfrastruktur bei ESWE Verkehr zuständig. Das beinhaltet auch die Umsetzung der Auflagen aus dem Brandschutzkonzept.“ In Sachen Brandschutz scheint erst seit kurzem Schwung in die Sache zu kommen, nachdem schon seit über einem Jahr Elektrobusse im Einsatz sind." Un zu den aktuellen Massnahmen zum Brandschutz sagt das Unternehmen: „Aktuell wird die Brandmeldeanlage für den Bus-Port umgesetzt. Bis zur Inbetriebnahme werden Brandschutzwachen durchgeführt. Ansonsten richtet sich ESWE Verkehr auch hier nach den Empfehlungen des Herstellers, der Feuerwehr und hält sich an die bauaufsichtsrechtlichen Vorgaben.“

Brandschutzmaßnahmen politisch umstritten

Das sehen Vertreter der BLW-ULW-BIG-Rathausfraktion im Wiesbadener Stadtverordnetenversammlung etwas anders, sie hatte aufgrund noch fehlender feuerrechtlicher Genehmigung des Blocks B des Bus-Ports mit insgesamt 40 Ladepunkten, die von den 56 des Blocks A (vorläufig genehmigt) zukünftig durch einen Brandschutzvorhang abgetrennt werden sollen, eine Stilllegung der Anlage gefordert, die nur rund 50 Meter entfernt von der ebenfalls erst kürzlich eingerichteten Wasserstofftankstelle entfernt liegen – ähnlich weit wie das Schleppdach der SSB von deren hochmoderner Tankstelle. Der Sachverhalt wurde uns grundlegend von ESWE Verkehr bestätigt.

In einer Antwort des Magistrats an die kleinste politische Fraktion, die zwei Tage nach dem negativen Beschluss des Mobilitätsausschusses zur Stilllegung zugestellt wurde (17. September) wird zudem auf den Brand eines Busses im Mannheimer Evobus-Werk eingegangen, der am 04.02.2021 in Brand geraten war, der aber kein ESWE-Kundenfahrzeug gewesen sein soll. „Die Evobus GmbH hat als Hersteller unmittelbar nach dem Brand und vor Abschluss der Ursachenanalyse vorsorglich entschieden, alle potenziell betroffenen eCitaro einer Überprüfung zu unterziehen und ggf. die Batterie zu tauschen,“ heißt es dort erstmals schriftlich. Und weiter: „Nach den derzeit vorliegenden Analysen kann eine externe Ursache ausgeschlossen werden Auslöser des Brandes war eine von Lieferanten fehlerhaft gefertigte Batterie die sich in einem noch in Produktion befindlichen Fahrzeug befand.“ Statt einer Stilllegung der Anlage soll es nun eine ausführliche Begehung durch den Mobilitätsausschuss am 8. November geben, der von Feuerwehr und Evobus begleitet werden aber nicht öffentlich sein soll.

Fraglich, ob das die politische Opposition beruhigen wird: „Mit Blick auf die Situationen in Stuttgart und München scheint das Brandrisiko hier um ein Mehrfaches höher,“ so der stellvertretende BLW/ULW/BIG-Fraktionsvorsitzende Veit Wilhelmy in einer Pressemeldung vom 11. Oktober. „Weiteres Nichtstun seitens der Landeshauptstadt Wiesbaden ist unverantwortlich, hier wird das das Brandrisiko von Seiten der Stadt offenbar massiv unterschätzt,“ so weiter. Immerhin soll die Zahl der LMP Busse von 40 auf rund 110 erhöht werden nach den ehrgeizigen Plänen des Wiesbadener Betreibers. Derzeit werden allerdings keine neuen Lieferungen von Batteriebussen erwartet.

Reutlingen legt zwei Busse kurzzeitig still

Unterdessen hatte das Reutlinger Unternehmen RSV seine beiden LMP eCitaros vorsorglich stillgelegt, und es der Münchener MVG gleichgetan. Auf eine Anfrage der AfD-Fraktion hin erklärte Oberbürgermeister Thomas Keck, die Busse würden stillgelegt, bis Daimler deren Einsatz für unbedenklich erkläre. Die AfD nutzt das Thema zusehends als politisches Thema und spricht zuweilen von den Festkörperbatterien als „Teufelszeug“. Laut RSV-Prokurist und Marketingleiter Bernd Kugel sei diese Herstellerfreigabe dann am Dienstag Abend bereits erfolgt. Die Fahrzeuge seien „dokumentativ überprüft worden“ und seien nicht vom Rückruf betroffen – da sie ohnehin später ausgeliefert wurden. Sie könnten daher „regulär eingesetzt werden“, wie es dem Unternehmen mitgeteilt wurde. In Augenschein genommen wurden die Busse jedoch nicht. Ebenso wenig ist in Wiesbaden eine technische Überprüfung der Busse erfolgt, die bereits im Frühjahr einen Batterie- und Leitungstausch erfahren hatten. Auch in Ludwigslust-Parchim stehen LMP-Busse still, wie die Parchimer Zeitung am 13. Oktober berichtet. Die gerade gelieferten Busse würden derzeit mit Traktoren im Depot rangiert, da sie nicht geladen werden.

Hannover und München fahren wieder elektrisch an

Trotz der unklaren Lage beim Thema nimmt die ÜSTRA in Hannover ihre Elektrobusse, die nach dem Brand am 5. Juni im Betriebshof Mittelfeld „vorsorglich“ stillgelegt worden waren, aktuell wieder in Betrieb. Auch hier waren Mercedes-Benz eCitaro neben einem Solaris Elektrobus, weiteren Hybridbussen und einem Dieselbus ins Brandgeschehen involviert. Seit September 2020 sind in Hannover eCitaros mit der zweiten Generation von Akasol NMC-Batterien mit Pantograph unterwegs, also ein anderer Typ als der in Stuttgart betroffene Bus. Bis 2023 sollen hier insgesamt 48 Solo- und Gelenkbusse von Daimler geliefert werden. Nach dem Brand teilte man mit, „würden die Zeitpläne des E-Bus Projekts der ÜSTRA vor dem Hintergrund des Schadens durch das Großfeuer überprüft.“

Das Unternehmen teilte jetzt mit: „Die Untersuchungen zu dem Feuer auf dem Betriebshof und an den dabei ausgebrannten Fahrzeugen (fünf E-Busse, zwei Hybrid-Busse und ein Dieselbus) haben keine Hinweise darauf gegeben, dass von den Elektrobussen aufgrund ihrer Antriebsart eine besondere oder erhöhte Gefahr im Betrieb ausgeht.“ Auf eine Gefahr während des Ladens geht man jedoch explizit nicht ein. „Vor der Wiederinbetriebnahme werden die Elektrobusse zusätzlich in der Werkstatt noch einmal überprüft.“ Immerhin ist das schon mehr als in Wiesbaden bisher nach eigener Aussage passiert ist.

Auch die Münchener MVG hat zumindest sieben der acht stillgelegten eCitaros mit LMP Batterien aktuell wieder in Betrieb genommen, nachdem auch hier eine Unbedenklichkeitserklärung des Herstellers vorlag. Ob und auf welche Art die betroffenen Busse aktuell überprüft wurden, konnte uns MVG-Sprecher Johannes Boos jedoch nicht mitteilen. Nur soviel: einer der Busse stehe noch immer aufgrund eines weiteren Rückrufs, der nach dem ersten aber vor der neuerlichen Stilllegung akut wurde, und noch nicht abgearbeitet ist.

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