JansBlog Bestellte Umfrageergebnisse

Jan Bergrath Foto: Jan Bergrath
Meinung

Die Stimmung im Transportgewerbe ist so schlecht wie noch nie. Mit nicht repräsentativen Zahlen einer Fahrerbefragung soll das Bundesamt für Güterverkehr nun das Gegenteil belegen.

"Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!" Das sind die spontanen Reaktionen von Fahrern, die ich gestern auf meiner Facebook-Seite zur aktuellen Pressebericherstattung einer angeblich neuen Studie des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) befragt habe. Die Kernaussage, die auch der Pressemeldung des BAG zu entnehmen ist, lautet: "72 Prozent der Befragten gaben an, größtenteils mit ihren Arbeitsbedingungen "zufrieden" zu sein. Knapp 20 Prozent wählten sogar die höchste Kategorie "sehr zufrieden". Lediglich rund fünf Prozent waren "sehr unzufrieden", weitere knapp 20 Prozent "eher unzufrieden". Ich gebe zu, es ist nicht schwer, das schnell als Farce zu entlarven. Man muss nur richtig interpretieren und darf nicht alles glauben, nur weil es eine Behörde veröffentlicht hat.

Im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums

Ich bin auch im BAG gut vernetzt, und so hat es nicht lange gedauert, bis ich einen Tipp bekommen habe, der mir meinen Verdacht bestätigt hat: Diese Studie wurde dem BAG vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) aufs Auge gedrückt. Wer zwischen den Zeilen liest, der findet den Grund selbst. Die Medien würden das Berufsbild des Fahrers derzeit zu negativ zeichnen. Das ist schon die erste Unwahrheit.

Derzeit klagen die deutschen Spitzenverbände wie DSLV und BGL sowie die Gewerkschaft Verdi genauso wie viele Fahrer unisono über hohe Arbeitsbelastung, über eine unverschämte Behandlung an den Rampen vor allem des Einzelhandels, über viele Unfälle, über Raserei auf der Autobahn und über die weiter zunehmende Billigkonkurrenz aus Osteuropa. Hinzu kommen Staus, Parkplatzmangel, Stress durch unrealistische Zeitvorgaben und schlechte Bezahlung. Die Fahrerfluktuation ist groß, viele kehren dem Job aus Frust den Rücken. Und so kommt es, dass Lkw stehen bleiben, weil es keine Fahrer mehr gibt, die bereit sind, solche Arbeitsbedingungen zu akzeptieren. Einige Unternehmer stellen bereits die Versorgung der Lager und damit auch des Einzelhandels in Frage.

Das darf natürlich alles nicht sein in einer Wirtschaftsnation wie Deutschland. Zumal Deutschland derzeit nur eine geschäftsführende Regierung hat und noch dazu einen Interims-Verkehrsminister, der eigentlich Landwirtschaftsminister ist und in dieser Funktion auch noch Ärger wegen seiner Zustimmung zum umstrittenen Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat am Hals hat.

Statistisch irrelevante Ergebnisse

Ich habe mir heute einmal erlaubt, dort nachzufragen, wo die meisten Zahlen verwaltet werden, beim Statistischen Bundesamt in Wiesbaden. Ich habe den Mitarbeiter dort nur nach der statistischen Relevanz gefragt. Und ihm erzählt, dass das BAG in seiner Studie, die zum Teil auf Zahlen zur Arbeitsbelastung aus dem Jahr 2015 beruht, nur 267 von insgesamt 555.505 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Fahrern befragt hat. Er wäre fast vom Stuhl gefallen.

267 von 555.505 Fahrern entspricht einer Befragungsquote von 0,05 Prozent. Ein Prozent wäre das Mindeste an Fahrern, die man hätte befragen müsse, um ein aussagekräftiges Bild zu erhalten, erklärte mir der Experte aus Wiesbaden. Das wären dann also 5.555 Fahrer. Und die hätten auch noch gezielt ausgesucht werden müssen und nicht, wie es das BAG offensichtlich gemacht haben, während Kontrollen. Wer frustriert ist oder Zukunftssorgen hat, der wird sich auf eine solche Befragung kaum einlassen – schon gar nicht während einer Kontrolle.

Das Verhalten des BMVI ist unverantwortlich

Man muss über diese Studie des BAG nicht weiter diskutieren. Sie ist nicht aussagekräftig. Sie ist bewusst platziert worden, um die schlechte Stimmung im Gewerbe zu übertünchen. Das BMVI sollte lieber dabei helfen, Arbeitsbedingungen zu schaffen, mit denen sich Berufskraftfahrer noch im Transportgewerbe halten lassen, statt seine Oberbehörde dazu anzuhalten, mit geschönten Zahlen ein falsches Bild zu zeichnen und zu verbreiten.

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