Wasserstoff kommt erst in weiter Ferne? Hängt von der Definition von „weiter Ferne“ ab. Im Fall des Projekts Hylix-B jedenfalls ist die Zukunft zum Greifen nah. Die Partner des vom baden-württembergischen Umweltministeriums geförderten Projekts, darunter der Elektro-Umrüster EFA-S aus Zell unter Aichelberg, die Spedition Große-Vehne und die Hochschule Esslingen, wollen einen Verteiler-Lkw mit Wasserstoff-Brennstoffzellenantrieb noch in diesem Jahr auf die Straße bringen. Fahrbereit soll das Fahrzeug schon im Oktober sein, die Zulassung soll nach aktueller Planung im Dezember erfolgen. Zu Weihnachten könnte der 26-Tonner auf Basis eines Mercedes Actros-Fahrgestells also schon Geschenke liefern.
„Das Projekt hat viele Herausforderungen überwunden und wird auch die verbleibenden Herausforderungen stemmen“, erklärte Nico Gelhausen aus dem Projektteam der Hochschule Esslingen bei einer virtuellen Präsentation des Fahrzeugs aus der Montagehalle von EFA-S vor dem Projektbeirat. Herausforderungen gab es einige, betraten die Projektpartner beim Aufbau des Null-Emissions-Fahrzeugs doch völliges Neuland.
Bis auf die letzten Hürden – darunter der Bremstest auf dem Gelände einer Prüforganisation in München und die Zulassung – wurden aber fast alle erfolgreich genommen. Der Lkw ist bereits fertig aufgebaut. „Innovation fährt voraus“, steht in Großbuchstaben auf den Planen und dem Heckportal. Brennstoffzelle, Elektro-Antrieb, Wandler und Batteriesysteme sind verbaut. Unterm Fahrerhaus, wo im konventionellen Actros sonst das Dieselaggregat sitzen würde, hat die 100 kW-Brennstoffzelle ihren Platz bekommen. Seitlich an den Längsträgern sitzen folglich nicht die Dieseltanks, sondern sechs Batteriepacks mit einer Kapazität von zusammen 196 kWh. Der Elektro-Motor leistet 240 kW und in der Spitze 320 kW.
Reichweite mit Brennstoffzelle etwa 500 Kilometer
Rein batterieelektrisch kann sich der Lkw in einem Radius von rund 200 Kilometern bewegen, mit Unterstützung der Brennstoffzelle aus dem Hause Ballard kommt er auf etwa 500 Kilometer. Die sechs Flaschen für den gasförmigen Wasserstoff (H2) sind in einem Gestell hinter dem Fahrerhaus untergebracht. Sie fassen jeweils acht Kilogramm H2. Aufgefüllt werden sie im späteren Praxisbetrieb an der OMV-Tankstelle am Stuttgarter Flughafen, eine Adaption der sonst auf Pkw ausgelegten Anlage macht es möglich. Beim Verbrauch erwartet Prof. Dr. Ralf Wörner, Leiter des Instituts für nachhaltige Energietechnik und Mobilität an der Hochschule Esslingen, einen Wert zwischen sechs und neun Kilogramm H2 pro 100 Kilometer. „Damit schaffen wir eine klare Planungsbasis“, sagt er.
Die ist den Unternehmen wichtig. Denn noch gibt es mangels Fahrzeugen in Deutschland hierzulande so gut wie keine Erkenntnisse zur Wirtschaftlichkeit dieser Null-Emissions-Lkw. Fakt ist bisher nur, dass sie erheblich teurer in der Anschaffung sind. „In einem margenengen Markt fällt Unternehmen die Entscheidung für Investitionen in alternative Antriebe sehr schwer“, sagte Große-Vehne-Geschäftsführer Jens Hildenbrand. Noch sei die Wirtschaftlichkeit nicht gegeben, umso wichtiger sei es nun, vom Projekt Hylix-B zu lernen. „Speditionen brauchen Erfahrungswerte mit der neuen Technologie, um die Entscheidung über den Masseneinsatz treffen zu können“, bestätigte Nico Gelhausen von der Hochschule Esslingen.
Immerhin sind Elektro-Fahrzeuge und damit auch Wasserstoff-Brennstoffzellen-Lkw von der Maut befreit. Neuerdings profitieren sie auch von besonderen Kaufanreizen: Im Rahmen des Förderprogramms klimafreundliche Nutzfahrzeuge erstattet der Bund auf Antrag 80 Prozent der Mehrkosten gegenüber einem Diesel.

Und wie geht es weiter, wenn der Saubermann im Dienst von Große-Vehne seine täglichen Touren absolviert? Ist die Mission dann beendet? Nein, die Projektpartner brennen darauf, weitere Anwendungen auf den Weg zu bringen. Zum einen geht es ihnen um eine Skalierung – also um höhere Stückzahlen durch weitere Lkw, was auch die Kosten drückt. Zum anderen möchten sie Fahrzeuge für weitere Transport- und Logistikanwendungen entwickeln. 40 Prozent der Mitglieder des Hylix-B-Projektbeirats haben Interesse an einer Skalierung, 53 Prozent an einer Fortführung des Projekts im Rahmen weiterer Konzepte. Eine Umfrage unter ihnen zeigte auch, dass 42 Prozent davon ausgehen, dass die großen Hersteller die Antriebswende nur bewältigen können, indem sie mit Start-ups und Forschungspartnern kooperieren.
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