Sie sind fester Bestandteil des Speditionsalltags – und zugleich weit mehr als eine Formalität: Unterweisungen. Richtig gestaltet, erhöhen sie nicht nur die Arbeitssicherheit, sondern sichern auch Qualität und reibungslose Abläufe. Doch in der Praxis stoßen viele Speditionen auf ähnliche Probleme: Wie lassen sich die Schulungen effizient organisieren, wenn Fahrpersonal selten gleichzeitig vor Ort ist? Und wie können Sprach- oder Kulturbarrieren überwunden werden?
Organisation von Unterweisungen im Alltag
„Das Hauptproblem ist, dass wir das Fahrpersonal selten gleichzeitig im Betrieb haben“, sagt Martin Küppers, Leiter Regelwerk und Arbeitssicherheit bei der Berufsgenossenschaft (BG) Verkehr. Gerade im mobilen Einsatz sei eine einheitliche Durchführung schwierig. Viele Speditionen hätten deshalb Mischformen entwickelt: „Direkte Unterweisungen im persönlichen Gespräch kombiniert mit Online-Tools – so kann man trotz räumlicher und zeitlicher Streuung möglichst viele Beschäftigte erreichen.“ Auch die Sachverständigen von Dekra sehen hier einen großen Bedarf.
Digitale Formate im Einsatz
„Fahrpersonal ist selten vor Ort und schwer für Unterweisungen greifbar. Digitale und hybride Formate können flexibel in den Alltag integriert werden, sodass sich ein maximaler Lernerfolg einstellen kann. Projekte wie ‚Dekra Fit & Safe‘ sind deshalb so erfolgreich, weil sie Lernen individuell gestalten und niederschwellig per App zugänglich machen“, erläutert Jörg Lobe, Leiter Fachbereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Dekra Automobil. Am wirksamsten sind aus Sicht von Martin Küppers Unterweisungen vor Ort in kleinen Gruppen – am besten direkt am praktischen Objekt.

„Das Verständnis der Führungsrolle ist wichtiger als jede Vorschrift.“ Martin Küppers, Leiter Kompetenzfeld Regelwerk und Arbeitssicherheit, BG Verkehr
Praxisnähe als Schlüssel zum Erfolg
„Optimal ist es, wenn sie nicht als starre Schulungsveranstaltung stattfinden, sondern beiläufig in einer realen Arbeitssituation, wenn sich die Gelegenheit ergibt.“ Zwar sei diese Idealform nicht immer umzusetzen, doch sie biete den größten Praxisbezug. Digitale und hybride Formate sind für Küppers dennoch unverzichtbar. Sie eigneten sich vor allem, um Grundlagenwissen zu vermitteln oder aufzufrischen. „Damit kann man Wissen, das im ‚Schlummerzustand‘ ist, wieder wecken“, erklärt er.
Neue Methoden und Motivation
In einigen Speditionen würden inzwischen Dashcams eingesetzt, um reale Fahrsituationen aufzuzeichnen und diese gezielt in Unterweisungen einzubauen. Auch spielerische Elemente könnten sinnvoll sein, erklärt Küppers: „Wenn Lernen und Wiederholen mit einem gewissen Spaßfaktor verbunden sind, steigt oft die Motivation.“ Jörg Lobe von Dekra hebt hervor, dass nicht nur die Wissensvermittlung zählt, sondern auch die persönliche Situation der Fahrer. Das Speditionsgewerbe sei geprägt durch psychische Belastungen wie Stress und Zeitdruck.
Sensibilisierung durch Unterweisungen
Auch ungesunde Lebensführung, Informationsflut, Schichtarbeit, Fehlen von Familie und Work-Life-Balance gehören dazu. Körperliche Belastungen bei Verladetätigkeiten spielen ebenfalls eine Rolle. „Unterweisungen sollen die Beschäftigten sensibilisieren, damit sie in jeder Situation das Richtige tun können“, so Lobe. Besonders anspruchsvoll wird es laut Küppers, wenn es Sprach- und Kulturunterschiede gibt. Eine Situation, die in vielen Speditionen zum Alltag gehört.
Sprachliche Hürden überwinden
„Entscheidend ist die Arbeitsbeobachtung – nur so sehe ich, ob eine Unterweisung verstanden und akzeptiert wird.“ Akzeptanz heiße, dass Fahrpersonal nicht nur die Inhalte begreife, sondern auch mit den festgelegten Abläufen einverstanden sei. Kulturelle Unterschiede betrachtet Küppers nicht grundsätzlich als Nachteil: „Sie müssen aber berücksichtigt werden.“ Sprachliche Barrieren ließen sich heute oft mit Übersetzungs-Apps überwinden, auch wenn bei rechtlich verbindlichen Vorgaben besondere Sorgfalt geboten sei.

„Unterweisungen sollen die Beschäftigten sensibilisieren, damit sie in jeder Situation das Richtige tun können.“ Jörg Lobe, Leiter Fachbereich Sicherheit und
Gesundheitsschutz, Dekra Automobil
Verständlichkeit als Grundprinzip
Große Wirkung könne auch der Austausch zwischen Fahrern mit derselben Muttersprache entfalten. Für niedrigschwellige Inhalte empfiehlt Küppers den Einsatz von Bildsprache, zum Beispiel Fotos oder vereinfachte Zeichnungen, die komplexe Handgriffe verdeutlichen. Auch Lobe legt Wert auf Verständlichkeit: „Alle Mitarbeitenden haben das Recht auf eine angemessene Unterweisung. Das gebietet allein schon der Gesetzgeber, ist aber auch eine Frage des Respekts und der Wertschätzung.“
Unterstützung durch digitale Hilfen
„Die Unterweisung muss in einer Sprache stattfinden, die verstanden und in konkretes Verhalten umgesetzt werden kann“, betont Lobe. Dekra nutzt dazu fremdsprachliche Unterweisungshilfen über das SafetyWeb, ein von Dekra entwickeltes digitales Portal für Arbeitsschutz- und Sicherheitsschulungen, oder setzt Dolmetscher und mehrsprachige Teamleiter ein. Wie häufig Speditionen unterweisen, hängt aus Küppers Sicht oft von der Größe des Betriebs ab.
Unterschiedliche Praxis nach Betriebsgröße
In größeren Häusern mit organisiertem Arbeitsschutz sei der jährliche Turnus Standard, wie er in der DGUV Vorschrift 1 empfohlen wird. Diese Frist lasse sich am einfachsten in die Abläufe integrieren. Das Arbeitsschutzgesetz selbst schreibt keine festen Intervalle vor, einzelne Arbeitsschutzverordnungen hingegen schon. Kleinere Speditionen seien deutlich uneinheitlicher aufgestellt – von vorbildlich organisiert bis hin zu unregelmäßig oder unvollständig durchgeführt.
Führungskräfte mit Vorbildwirkung
Ganz unabhängig von der Frequenz kommt den Führungskräften für Küppers die Schlüsselrolle zu: „Das Verständnis der Führungsrolle ist wichtiger als jede Vorschrift.“ Wer Unterweisungen als Führungsinstrument begreife, beeinflusse direkt das Sicherheitsverhalten, aber auch die Qualität der Transportleistung, reibungslose Betriebsabläufe und die Mitarbeiterentwicklung. „Eine Unterweisung ist nichts anderes als ein Gespräch im Arbeitskontext.“
Master Driver als Vorbilder
„Entscheidend ist, ob man sie als lästige Pflicht oder als Führungsaufgabe sieht.“ Wie das Fahrpersonal auf Unterweisungen reagiert, erfährt die BG Verkehr in der Regel nur punktuell – etwa bei Unfalluntersuchungen oder im Rahmen von Beratungen. Ein Ansatz, der sich in der Praxis bewährt hat, ist der „Master Driver“: erfahrene Fahrer, die aufgrund ihres Erfahrungshorizonts große Akzeptanz genießen.
Akzeptanz durch Führung
„Wenn man solche Leute in Unterweisungen, Einarbeitungen oder Praxistrainings einbindet, kann das den Erfolg deutlich steigern“, so Küppers. Auch Lobe bestätigt diese Erfahrung: „Es hängt im Wesentlichen von der Führungskraft ab, welche Akzeptanz Unterweisungen bei den Mitarbeitenden genießen. Authentizität und Vorbildwirkung sind entscheidend.“ Nach der Unterweisung dürfe abweichendes Verhalten nicht toleriert werden, sonst untergräbt die Führungskraft ihre Autorität.
Dokumentation als Beleg
Beim Thema Nachweis lässt Küppers keinen Zweifel: „Die Unterweisungsdokumentation erweist sich vor allem nach Arbeitsunfällen enorm wichtig.“ Bei schweren oder tödlichen Unfällen ermittelt regelmäßig die Staatsanwaltschaft. Dann müsse klar belegt werden, ob und welche Inhalte unterwiesen wurden. „Speditionen tun gut daran, ein System zu entwickeln, das die Inhalte den einzelnen Personen zuordnet.“
Fehlerquellen bei der Unterweisung
Auch bei Betriebsbesichtigungen durch die BG Verkehr oder staatliche Aufsichtsbehörden sei die Unterweisung eines der ersten Themen, die geprüft würden. Dekra unterstützt Speditionen mit Fachkräften für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin. „Unsere Spezialisten begleiten die Unternehmen bei der Gefährdungsbeurteilung und sorgen dafür, dass Unterweisungen rechtssicher durchgeführt und dokumentiert werden“, sagt Lobe.
Planung und Kontrolle entscheidend
Zu den häufigsten Fehlern zählt für Küppers die fehlende Themenplanung. „Man muss die Arbeitsabläufe analysieren und gezielt festlegen, wo Unterweisungsbedarf besteht.“ Unterweisungen sollten eng mit der eingesetzten Technik verbunden sein. Schwierigkeiten entstünden vor allem, wenn Tätigkeiten im Fremdbetrieb stattfinden und der eigene Disponent nur begrenzt Einfluss nehmen kann.
Blick über das Fahrzeug hinaus
Ein weiteres Problem sei die mangelnde Verständniskontrolle. Küppers erinnert sich an einen Vorfall: „Der Unterweisungsverantwortliche wusste nicht sicher, in welcher Reihenfolge die Bremsleitungen anzuschließen sind – das ist eklatant.“ Wichtig sei außerdem, den Blick über das Fahrzeug hinaus zu richten. Viele Fahrer bedienen regelmäßig auch andere Arbeitsmittel, die sicher beherrscht werden müssen – von Tankcontainern bis zu Krananlagen oder Toren.