Rhenus als Tier-1 für BMW in China

Rhenus als Tier-1 für BMW in China
Blaupause für andere Länder und Kontinente

Dr. Marcus Ewig von Rhenus Automotive über den Schritt vom Logistiker zum Tier-1 und warum China als Blaupause dienen kann.

Rhenus Automotive in Shenyang/China
Foto: Rhenus
Wie kam es zum Schritt vom Kontraktlogistiker, der die verlängerte Werkbank übernimmt, zum Tier-1?

Ewig: Das Vertrauen, das Hersteller wie die BMW Group in uns setzen, beruht auf einer jahrzehntelang gewachsenen Erfahrung als Dienstleister der Automobilbranche. Seit mehr als 20 Jahren unterstützen wir Fahrzeughersteller sowie Erstausrüster an weltweit 67 Standorten – von der Just-in-time-Anlieferung über die Montage bis hin zur Batterieentsorgung. Davon sind 14 Standorte in Europa, den USA und Asien derzeit auf Montage- und Produktionsleistungen spezialisiert. Aufgrund dieser Erfahrungen sind wir in der Lage, als Tier-1 für den OEM die Leistungen anzubieten, die er jeweils benötigt. Das umfasst den Einkauf einzelner Teile, den Transport, die Lagerverwaltung, Sequenzierung sowie Montage von Komponenten bis hin zur Fertigung eines kompletten Lkw.

Wie ist das Ganze angelaufen?

Die Vorbereitungsphase lief über insgesamt 18 Monate und konnte dank der Unterstützung zahlreicher Partner erfolgreich abgeschlossen werden. Ab Januar 2021 erfolgte die Implementierung der Anlagen und des Equipments, die wir zusammen mit einem deutsch-chinesischen Partner entwickelt hatten. Die Coronapandemie stellte uns vor zusätzliche Herausforderungen, besonders durch Quarantäne- und Einreisebestimmungen. Dank unserer engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der sehr guten Zusammenarbeit mit Partnern und Behörden konnten jedoch sämtliche Hürden überwunden werden.

Was ist nun anders?

Neben dem Aufbau der Produktionsstätte in Shenyang haben wir eine Holding in Shanghai gegründet, welche die übergeordneten Prozesse steuert. Hiervon erhoffen wir uns auch einen Schub für die weitere Entwicklung in China. Darüber hinaus sind die Anlagen – wie bei der Achsproduktion üblich – spezifisch auf den Kundenauftrag zugeschnitten.

Musste sich Rhenus personell verstärken?

Wir haben unsere lokalen Kapazitäten verstärkt. Insbesondere in den Bereichen Engineering, Lieferantenmanagement, Anlagendesign und Qualitätsmanagement bestand Bedarf. Wir hatten nach der Übernahme von Ferrostahl Automotive im Jahre 2017 bereits personelle Zuwächse, die wir nun erneut mit Spezialisten in Shanghai und Shenyang ergänzt haben.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der Distributionslogistik?

Ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil sind die Synergien, die wir aus der Rhenus Gruppe heraus generieren können. Somit arbeiten wir hier mit unseren unterschiedlichen Schwestergesellschaften zusammen, die mit einem spezifizierten Leistungsspektrum in das Projekt mit eingehen. Das gilt auch für die Distributionslogistik.

Ist das die Blaupause für andere Länder oder Kunden?

Der Standort in Shenyang ist die erste Produktionsstätte der Rhenus Automotive in Asien, aber wir verfügen bereits in anderen Ländern wie Spanien, Polen, Russland, Deutschland und den USA über reichhaltige Erfahrungen als Partner der Automobilindustrie. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, könnte das Modell Shenyang also durchaus als Blaupause dienen.

Und welche nächsten Schritte sind im Werk in China geplant?

Der chinesische Markt wird von uns seit Jahren aufmerksam verfolgt. Im Rahmen unserer Internationalisierungsstrategie genießt China als Wachstumsmarkt hohe Priorität. Im ersten Schritt ist das vorliegende Projekt ein Leuchtturm für unsere Entwicklung in China.

Wie läuft der Prozess ab?

Grundsätzlich liegt ein eng verketteter Prozess vor, der identisch zu dem des Tier-1-Prozesses abläuft. Wir erhalten einen Abruf einer spezifischen Achse von BMW Brilliance Automotive, lösen diesen mit unseren Systemen auf und senden den Komponentenabruf in Abhängigkeit der Verfügbarkeit an den Tier-2. Danach erfolgt die Materialentnahme aus unserem Warehouse mittels speziell geplanter logistischer Prozesse sowie der Transport an den Verbauort. Die Komponente wird dann in der Achse verbaut, und die Achse wird komplettiert. Die fertige Achse geht dann mit einem Vorlauf von maximal vier Stunden an den Kunden BMW Brilliance Automotive.

Dr. Marcus Ewig von Rhenus Automotive
privat
Dr. Marcus Ewig von Rhenus Automotive in Shenyang.

Zur Person

  • Dr. Marcus Ewig ist seit vier Jahren geschäftsführender Direktor von Rhenus Automotive
  • Zuvor war er Geschäftsführer beim Schuhfabri­kanten Peter Kaiser und in verschiedenen leitenden Positionen bei Porsche tätig
  • Ewig studierte Wirtschaftsinformatik an der Universität des Saarlandes und promovierte an der Universität Leipzig