Bor: Das ist definitiv ein großer Sprung. Beide Unternehmen sind von ihrer Struktur und Geschichte her vergleichbar, beide sind Töchter von großen Mobilitätsdienstleistern – dem ADAC einerseits und dem ÖAMTC andererseits. Trotzdem gibt es Unterschiede: Der ADAC Truckservice ist mit seinen sehr prozessual orientierten und standardisierten Strukturen klarer Marktführer im Bereich der Digitalisierung. Diese Expertise war bei Service 24 nur in geringerer Form vorhanden. Der Fokus dort liegt auf Unterstützung der Flottenbetreiber, teilweise mit sehr individueller Note. Jetzt wird also das Digitale mit dem Familiären zusammengeführt. Auch geografisch ergänzen sich die Geschäfte gut: Der ADAC Truckservice war eher national unterwegs, Service 24 europäisch ausgerichtet. Den gemeinsamen großen Sprung haben wir mit trockenem Fuß erreicht – um im Bild zu bleiben.
Bor: Das trifft den Nagel auf den Kopf. Wir haben die Stärken beider Unternehmen zusammengelegt und uns damit für die Kunden noch interessanter gemacht: 24/7 Assistance ist in der Lage, Kundenbedürfnisse zu erkennen und mit den passenden Produkten zu bedienen. Soll heißen: Wir können internationale Anforderungen mit standardisierten Prozessen ebenso bedienen wie individuelle Bedürfnisse. Das macht uns zu einem sehr starken Dienstleister im Markt.
Fröhlich: Ein Dreivierteljahr mit reichlich Arbeit liegt hinter uns. Wir haben unsere IT- und Serviceprozesse harmonisiert und die Produktwelt neu gestrickt. Doch die Arbeit hat sich gelohnt: Entstanden ist der führende europäische Mobilitätsdienstleister für Nutzfahrzeugflotten, der mit eigenen Standorten in Deutschland, Österreich, Bosnien und Bulgarien vertreten ist und insgesamt 27 Sprachen abdeckt – die meisten davon übrigens durch die eigene Mannschaft.

Bor: Die ersten Gespräche haben unsere Muttergesellschaften sogar schon im April 2019 geführt. Damals ging es noch um Grundsätzliches – wie wir zueinander finden, in welche Richtung wir gemeinsam gehen können, welche Dinge es zu stärken gilt, um mögliche Schwächen zu kompensieren. Wenn sich zwei große Akteure aufeinander zubewegen, kommt aber auch das Kartellrecht zum Tragen, was Zeit in Anspruch nimmt und schließlich am 15. Juli 2021 zur Genehmigung durch die Behörden führte. Von diesem Zeitpunkt an fing die Arbeit in den Unternehmen erst richtig an. Und seit dem 1. Januar ist das Joint Venture 24/7 GmbH nun live – wie es sich gehört mit eigener Homepage und Aktivitäten in den sozialen Medien. Seit diesem Stichtag laufen alle vertrieblichen Aktivitäten nicht mehr bei den Mutterfirmen, sondern bei 24/7 Assistance, kurz 24/7.
Bor: Jeder Vertrag, der neu geworben, verlängert oder geändert wird, wird in die Marke 24/7 überführt. Die Muttergesellschaften werden mittelfristig keine eigenen Kunden mehr haben, sondern die Rolle der Leistungserbringer übernehmen.
Fröhlich: Es gibt viele Themen, bei denen wir uns gerade eng abstimmen müssen. Das gelingt sehr gut, vor allem fallen die Entscheidungen schnell. Es entwickelt sich nur deshalb so gut, weil die Chemie stimmt. Die Teams im Key-Account- und im Finanzbereich arbeiten schon lange Hand in Hand. Jarno und ich ergänzen uns perfekt, gerade weil wir so unterschiedlich aufgestellt sind. Das hätten wir anfangs auch nicht unbedingt vermutet.
Bor: Als Marke, die für Sicherheit steht. Mit den Müttern und Großmüttern im Hintergrund ist 24/7 eine sehr starke Gesellschaft. Sicherheit ist für unsere Kunden ein enorm wichtiger Punkt. Denken Sie nur daran, was sich gerade in der Branche alles tut – wo Lkw nicht mehr nur innerhalb von Westeuropa, sondern von und nach Asien verkehren. Andere Assistance-Unternehmen schaffen es teilweise finanziell nicht mehr, diese Entwicklungen zu begleiten. Uns gibt es auch in fünf und zehn Jahren noch – und hoffentlich lange darüber hinaus.
Fröhlich: Durch den Zusammenschluss können wir jedem Kunden maßgeschneiderte Angebote machen. Das kann ein Standardprozess sein, indem wir beispielsweise die Anforderungen in einer Ausschreibung aufgreifen. Wir können Kunden – zum Beispiel Lkw-Herstellern – nun aber auch weitere Optionen anbieten, was Service 24 und der ADAC Truckservice alleine nicht oder nur bedingt gemacht haben.
Fröhlich: Ein Beispiel ist eine aktuelle Kundenausschreibung. Früher hätte der Kunde nur ein Angebot bekommen, heute können wir ihm drei Angebote der Leistungserbringung machen.

Das erste Angebot ist ein Mobilitätspaket mit Standardprozessen, einem geringen Digitalanteil und der Leistungserbringung in unseren Kompetenzzentren an unseren Standorten in Deutschland und Österreich. Dieses Angebot spiegelt unsere aktuelle DNA wider. Zweitens haben wir ihm ein Paket mit einer geteilten Leistungserbringung an unseren Standorten Bosnien und Bulgarien geschnürt. Prozessteilung heißt hier konkret, Fallaufnahme und Zahlungssicherung erfolgen nearshore, Disposition, Qualitätssicherung und Abrechnung in unseren Kompetenzzentren. Und als drittes Modul unterbreiteten wir dem Kunden ein umfangreiches Digitalangebot mit digitalisierten Prozessketten und einer Permanentüberwachung, die Alarm schlägt, sobald etwas aus dem Ruder läuft. Zwischen diesen Angeboten liegt eine beträchtliche Preisspanne. Der Kunde kann aber individuell aus diesen Bausteinen wählen, die bei uns übrigens nicht individuell, sondern standardisiert sind.
Bor: Unsere Angebote richten sich an alle Nutzfahrzeugbetreiber – an den selbstständigen Fahrer genauso wie an das Unternehmen aus dem Baltikum mit mehreren Tausend Fahrzeugen.

Ein neuer Kunde stammt aus Polen. Er hat gleich erkannt, welchen Mehrwert wir mit der neuen Marke 24/7 geschaffen haben – zum Beispiel, dass wir alle relevanten Sprachen sprechen. Für einen Pannenfall wird automatisch festgelegt, welches Team in welcher Sprache übernimmt. Es gibt also keine Sprachverluste, die Zeit kosten und die Gefahr von Missverständnissen bergen. Übrigens erbringen wir nicht nur für gewerbliche Flotten Leistungen. 24/7 arbeitet auch für Hersteller, Leasing- und Vermietergesellschaften oder Werkstattketten. Dort treten wir häufig aber nicht mit eigenem Namen in Erscheinung, sondern als White-Label-Lösung im Auftrag des Kunden.
Bor: Wir haben eigentlich nur zwei Preispakete – entweder Pay per Use oder Pay per Year. Im ersten Fall ist der Kunde registriert, und die Anforderungen im Falle einer Panne sind genau festgelegt. Es gibt dabei keine Pflicht, eine Panne zu melden. Wann er uns in Anspruch nimmt, entscheidet der Kunde selbst. Pay per Year wiederum ist das flexible Produkt, vergleichbar mit dem Schutzbrief. Daraus kann der Kunde modular auswählen, welche Leistungen inkludiert sein sollen – ob nur die Abschleppung oder auch die Fahrt des Fahrers zu einem Hotel.
Fröhlich: Der Kunde entscheidet. Der eine will Kalkulationssicherheit mit einem jährlich fixen Betrag X. Oder er will Sicherheit, weil er damit wie mit einer ISO-Zertifizierung bei Verladern in der Ausschreibung punkten kann. Der andere will flexibel bleiben und 24/7 nur im Einzelfall in Anspruch nehmen. Ein Großunternehmen mit 1.500 Lkw wählt häufig die zweite, flexiblere Variante. In manchen Ländern haben die Speditionen eigene Netze, sodass sie 24/7 nicht flächendeckend brauchen.
Bor: Im Fall eines Pay-per-Year-Schutzes ist die Kostenübernahme gesichert, unabhängig davon, welche Kosten anfallen. Auch die Werkstatt bleibt auf keinem Euro sitzen, fällt die Abschleppgebühr mal etwas höher aus. Bei einer Versicherung ist der Höchstbetrag festgelegt – zum Beispiel bis zu einer Schleppung von 1.500 Euro. Summiert sich das Abschleppen aber auf 3.000 Euro, muss der Kunde in der Regel selbst einen Dienstleister organisieren, was Zeit, Geld und Nerven kostet. Das unterscheidet uns von jedem Wettbewerber. Unser Angebot ist wirtschaftlicher und besser auf die Realität zugeschnitten. Hinzu kommt, dass wir nicht einfach nur abschleppen, sondern der Panne auf den Grund gehen.
Fröhlich: Platzt der Reifen, ist das ursächlich für die Panne. Die Versicherung schickt den Monteur, der den Reifen wechselt – und fertig. Uns interessiert dagegen das gesamte Bild: Sind auch andere Teile am Fahrzeug in Mitleidenschaft gezogen, wie steht es um die Bremse oder den Luftbalg? Sind Leitungen beschädigt? Auch diesen Dingen gehen wir auf den Grund – alles als Teil der Standardleistung. Übrigens organisieren wir auch Sicherheiten und Anwälte im Ausland, sollten in Italien oder Frankreich harte Strafen drohen, weil das Fahrzeug zu lange auf der Autobahn steht. Dieses Add-on bietet sonst keiner.
Zu den Personen
- Dirk Fröhlich ist seit 2021 Geschäftsführer der 24/7 GmbH und seit 2019 Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft Europe Net NV/SA. Als Geschäftsführer der ADAC Truckservice GmbH begann er 2018. Fröhlich war vor seinen Tätigkeiten im Bereich Mobilitätsdienstleister jahrelang in führenden Funktionen im Gesundheitswesen tätig, von 2014 bis 2018 als Vorstand im Beratungshaus Living Business AG, davor als Geschäftsführer der PVS (Privatärztliche Verrechnungsstelle Service GmbH). Seine Karriere begann er bei der AOK Baden-Württemberg, wo er zuletzt als Vertriebsleiter tätig war. Fröhlich wurde im sächsischen Leisnig geboren. Er ist 43 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder.
- Jarno Bor ist seit vielen Jahren in führenden Funktionen bei europäischen Mobilitätsdienstleistern für den Güterverkehr tätig. Seit 2021 ist er Geschäftsführer der 24/7 GmbH. Zuvor war er seit 2018 Geschäftsführer der Service 24 Notdienst GmbH, für die er bereits von 2003 bis 2018 als Verkaufsleiter und Prokurist tätig war. Dazwischen war er von 2011 bis 2015 auch als Key-Account-Manager für den Anbieter Europe Net NV/SA aktiv. Im Ehrenamt ist der 45-Jährige unter anderem als Vorstandsmitglied für die Initiative DocStop für Europäer tätig und als stellvertretender Obmann des EUAC (Europäischer Automobil- und Verkehrsclub). Der gebürtige Niederländer ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Rund um die Panne
- Die Pannen-Klassiker: Die häufigsten Pannenursachen sind nach Angaben von 24/7 Assistance Reifenschäden und Batterieausfälle (wenn Starthilfe benötigt wird), gefolgt von Motorschäden. Daraus wiederum können unterschiedliche Folgeschäden resultieren. 24/7 prognostiziert, dass Reifenschäden weiter zunehmen werden. Grund sei die immense Preissteigerung von mehr als 25 Prozent, die dazu führe, dass Flottenbetreiber die Reifen länger einsetzten, was wiederum zu höherem Verschleiß führe.
- Die Pannen-Vermeidung: Pannen kündigen sich an und lassen sich häufig vermeiden. Mithilfe von Predictive Maintenance, also digitaler Vorbeugung, lassen sich Ausfälle oder Schäden vorhersagen und verhindern. 24/7 Assistance hat die nötige Expertise nach eigenen Angaben im Haus. Für einen Hersteller wird das Unternehmen hier auch aktiv: Nach einem Ampelsystem entscheidet der Dienstleister, welche Schritte zu unternehmen sind, um einen sich anbahnenden Ausfall zu verhindern. Noch ist laut 24/7 hier aber viel Luft nach oben, da sich viele Hersteller schwer damit tun, die nötigen Daten aus der Hand zu geben.
- Die Pannenhilfe: Ein weiterer Punkt, der den digitalen Prozess erschwert: Auch wenn der Schadeneingang beziehungsweise der drohende Schaden digital abgewickelt wird, ist die digitale Direktbeauftragung einer Fachwerkstatt aktuell die Herausforderung schlechthin. Der Grund: „Die Ressource Werkstatt ist unglaublich rar“, erläutert 24/7-Geschäftsführer Dirk Fröhlich. Es gibt Spezialisten für alle Arten von Fahrzeugen, für Anhänger und Aufbauten, Karosserie, Plane, Elektrik, Kühlgeräte oder alternative Antriebe. „Deshalb funktioniert vielleicht die Fehlermeldung voll digital, nicht in allen Fällen aber die Werkstattsuche“, sagt er. Ein großer Vorteil sei hier in Deutschland das Modell der ADAC-Truckservice-Leuchtturm-Partner. Diese Leistungs- und wachstumsorientierten Werkstätten steuern die Pannenhilfe in bestimmten Gebieten und entscheiden, welcher der jeweiligen Werkstattpartner die Pannenhilfe, Abschlepp- und Reparaturleistung am besten und schnellsten erbringen kann.
Schutz vor Abschlepp-Haien
- „Bei uns gibt es keine abenteuerlichen Rechnungen“, betont 24/7-Geschäftsführer Jarno Bor. Hintergrund ist eine WERKSTATT aktuell-Umfrage unter Flottenbetreibern, bei der teilweise drastische Abschleppsummen durch sogenannte Abschlepphaie genannt wurden. Im Fall des Leistungspakets Pay per Year gebe es eine Pauschale pro Fahrzeug, die Transparenz biete und vor Überraschungen schütze. 24/7 habe eine feste Preisgestaltung – sei es für Reifen oder eine Bergung. Bei Pay per Use gebe es zwar keine Fixpreise, der Kunde werde aber immer über die voraussichtlichen Kosten informiert und trage jede Entscheidung mit. „Niemand wird abgeschleppt ohne die Zustimmung des Fuhrparkleiters“, versichert Bor.
- Eine Abschleppung schlage in der Regel auch nicht mit einem fünfstelligen Betrag zu Buche. „Inklusive Frankreich und Skandinavien reden wir über durchschnittlich 1.837 Euro“, berichtet Bor. In diesen Märkten gelten besondere Bedingungen, in Frankreich ist es der fehlende Wettbewerb, in Skandinavien sind es die oft langen Strecken beim Abschleppen. „Ohne diese Märkte sinkt der Durchschnittspreis um mehr als 500 Euro.“
- Die 24/7-Chefs betonen aber auch, dass Abschlepp- und Reparaturleistungen nun mal ihren Preis haben. „Wir bezahlen unsere Werkstätten anständig und sind kein Billigheimer. Wir sind Qualitätsanbieter, arbeiten effizient und bieten den Goldstandard in der Pannenhilfe.“