Es ist so weit: In diesem Jahr eröffnet der Online-Supermarkt Picnic in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) sein erstes vollautomatisiertes Lager für Lebensmittel. Künftig bringen Roboter die Waren zu den Mitarbeitenden, die sie für den Weitertransport in Elektro-Vans bereitstellen. Das spart Schritte – und vor allem Fachkräfte, die ohnehin überall gesucht werden. Das 50.000 Quadratmeter große Grundstück befindet sich auf dem Gelände des Oberhausener Edeka Zentrallagers. Das ist kein Zufall: Der Lebensmittelhändler zählt zu den Hauptinvestoren von Picnic und hat nach eigenen Angaben im Jahr 2023 rund 223 Millionen Euro in den Online-Supermarkt mit Lieferservice gesteckt. Daher stammt ein Großteil der Lebensmittel, die Picnic verkauft, von Edeka.

Vorbild für das neue Lager in Oberhausen: Einblick in das automatisierte Fulfillment-Center in Utrecht in den Niederlanden.
Mehr als 200.000 Haushalte will Picnic von Oberhausen aus mit frischen Lebensmitteln beliefern. „Wir wollen da hin, wo die Familien sind. Das sehen wir insbesondere in den kleineren, mittelgroßen Städten und im Speckgürtel der Metropolen“, erklärt Frederic Knaudt, Mitgründer von Picnic Deutschland, die Auswahl der Standorte. Derzeit beliefert Picnic rund 150 Städte in Deutschland. „Unsere Expansion ist im vollen Gange“, sagt Knaudt gegenüber trans aktuell. Großes Potenzial sieht der Gründer in Süddeutschland, kürzlich hat das Unternehmen Standorte in Karlsruhe und Ludwigsburg eröffnet.
Seit 2018 ist Picnic auch in Deutschland vertreten
Gestartet ist Picnic in Neuss in Nordrhein-Westfalen. Bis heute liegt dort der Schwerpunkt. „Am weitesten sind wir sicherlich mit unserer Expansion im Westen und Norden Deutschlands“, sagt Knaudt. Picnic kam 2018 nach Deutschland, als das Konzept in den Niederlanden immer erfolgreicher wurde. Michiel Muller, Joris Beckers, Frederik Nieuwenhuys und Bas Verheijen gründeten Picnic 2015 in den Niederlanden mit dem Ziel, stressige Alltagsabläufe von Familien durch einfaches, bezahlbares und nachhaltiges Einkaufen zu erleichtern. Das Besondere: „Wir entwickeln alle Elemente der Supply Chain möglichst selbst, um flexibel zu bleiben“, sagt Knaudt, der das deutsche Pendant gemeinsam mit Arthur Oesterle und Manuell Stellmann gründete.
Das fängt beim Lieferwagen an: „Das Fahrzeug haben wir selbst entwickelt für die Letzte Meile und die Lieferung von Lebensmitteln. Rausgekommen ist ein ikonisches Fahrzeug, das sich durch seine Einfachheit im Handling auszeichnet.“ Die rund 2.300 Elektro-Vans in Deutschland laden über Nacht an den Standorten.
Zwei Standort-Formate: Fulfillment-Center und Hubs
Picnic betreibt nach eigenen Angaben zwei Standort-Formate: Fulfillment-Center und Hubs. Bei den in der Regel 20.000 Quadratmeter großen Fulfillment-Centern handelt es sich im Grunde um große Kühllager. Die frische Ware wird dort morgens angeliefert, für die Kunden gepackt und dann zu den Hubs gebracht, die wiederum rund 2.000 Quadratmeter Fläche haben. Als reine Umschlagplätze sind sie möglichst zentral gelegen. So haben es die Fahrer, die die Ware von dort in die Vans laden, nicht mehr weit bis zu den Kunden. Auf Filialen verzichtet das Unternehmen bewusst, um Kosten zu sparen. Durch die optimierten Routen, die Elektro-Fahrzeuge und das Vermeiden von Lebensmittelabfällen soll das Geschäftsmodell besonders nachhaltig sein.
Über die selbst entwickelte App, die nur registrierten Nutzern zur Verfügung steht, können die Lebensmittel geordert werden. Picnic verspricht „ein volles Supermarkt-Sortiment jederzeit per App zu gleichen Preisen wie im stationären Supermarkt“. Die bestellten Backwaren, Obst und Gemüse, Fleisch oder Drogerieartikel fordert Picnic bei den Händlern erst an, wenn die Kunden sie per App bestellt haben – so sollen keine Lebensmittelabfälle entstehen. Die Lieferung ist immer gratis und der Mindestbestellwert liegt bei 40 Euro. Um lange Wartezeiten zu verhindern, bietet Picnic für die Lieferung ein 20-minütiges Zeitfenster an. Das alles diene dem Ziel, „stressige Alltagsabläufe von Familien durch einfaches, bezahlbares und nachhaltiges Einkaufen zu erleichtern“.
Bekannt ist Picnic für das sogenannte Milchmann-Prinzip. Das heißt: Die Fahrzeuge sind auf festen Routen unterwegs, die ein Algorithmus bestimmt und täglich optimiert. Eine Fahrt umfasst mehrere Zustellungen in einem Viertel – so soll der Lieferservice den Straßenverkehr in den Städten so wenig wie möglich belasten. Weil die Kunden in der Regel immer wieder bestellen, nehmen die Picnic-Fahrer auch Pfandflaschen und Verpackungen entgegen.
Aldi Süd testet ähnlichen Lieferservice
Wie bei jedem gut laufenden Geschäftsmodell gibt es Konkurrenz. Seit mehr als einem Jahr testet Aldi Süd seinen Lebensmittel-Lieferservice „Mein Aldi“ in ausgewählten Wohngebieten in Mülheim, Oberhausen und Duisburg und seit kurzem auch in Mönchengladbach. Zum Einsatz kommen kleine Elektro-Laster des belgischen Herstellers Addax Motors. Das Geschäftsmodell gleicht dem von Picnic – nur eben mit Aldi-Sortiment. Wann die Pilotphase beendet ist und der Regelbetrieb startet, steht noch nicht fest.
Die Schweizer Supermarkt-Kette Migros hat 2019 den Online-Supermarkt MyMigros gelauncht, auch hier waren Elektro-Fahrzeuge für die Zustellung im Einsatz. Im Herbst 2023 verkündete Migros jedoch das Aus für das Online-Angebot, es habe sich wirtschaftlich nicht gerechnet. Anders der bereits seit 1997 etablierte Migros-Lieferdienst, der allerdings nur mit der Schweizer Post ausliefert und keine eigene Lieferflotte hat. Er hat 2024 einen Jahresumsatz von rund 360 Millionen Schweizer Franken erzielt. Coop, die zweite große Supermarkt-Kette in der Schweiz, setzt ebenfalls auf einen Lebensmittel-Lieferdienst – mit eigenem Lieferservice. Der Jahresumsatz 2024 lag bei 341 Millionen Schweizer Franken. Coop.ch ist 2024 um 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gewachsen.
Online-Lebensmittelhandel stagniert
Nach einem rasanten Anstieg in der Corona-Zeit stagnieren mittlerweile die Zahlen im deutschen Online-Lebensmittelhandel. Das belegen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Zunächst veranschaulichen sie einen rasanten Anstieg: Lag der Jahresumsatz mit Lebensmitteln im Online-Handel im Jahr 2014 noch bei 618.000 Euro, betrug er 2024 rund 3,9 Millionen Euro.
Zwischen 2021 und 2024 hat sich der durchschnittliche Jahresumsatz allerdings auf rund 3,9 Millionen Euro eingependelt – mit einem leichten Minus von 3,7 Millionen Euro im Jahr 2023. Der Anteil von Online-Supermärkten lag 2023 bei 2,7 Prozent bei rund 84 Millionen Einwohnern. In der Schweiz dagegen – wo Migros und Coop aktiv sind – lag der Anteil von Online-Supermärkten im Jahr 2023 bei 3,5 Prozent bei rund neun Millionen Einwohnern. Das zeigen Zahlen der Schweizer Unternehmensberatung Carpathia und der Universität St. Gallen.
Picnic expandiert dennoch und so können sich bald noch mehr Menschen über frische Lebensmittel freuen – frei Haus, ohne stressigen Supermarkt-Besuch.
Das Unternehmen
- Aktuell liefert Picnic in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin, Brandenburg und Hamburg Lebensmittel aus.
- Eine Übersicht mit allen Städten, in denen Picnic aktiv ist, gibt es nicht. Das lässt sich über die Suchfunktion in der App herausfinden.
- Der Unternehmenssitz ist in Düsseldorf.
- Rund 8.000 Mitarbeitende in Deutschland, davon sind die Hälfte Fahrer.
- Da der Schwerpunkt bisher im Westen und Norden Deutschlands lag, will das Unternehmen nun im Süden expandieren.