Paul: In erster Linie auch über Videokonferenzen – wobei das entsprechende System bei uns schon vor dem Lockdown aktiv im Einsatz war. Es ist ein gutes Medium für Teams, die sich bereits kennen, ersetzt aber nicht den persönlichen Austausch.
Ja. Während der ersten Corona-Welle in China konnten wir das Konzept des Homeoffice ausgiebig testen – mit alternierenden Teams, die jeweils eine Woche im Büro und zu Hause waren. Als die Krise Mitte März Europa und die USA erreichte, hatten wir entschieden, nahezu komplett ins Homeoffice zu wechseln. Das haben wir sehr schnell umgesetzt: Am Ende der Woche fiel die Entscheidung, am Montag drauf hatten die Mitarbeiter Hardware und Zugangspunkte zu Hause.
Was die Landverkehre anbelangt, bin ich vorsichtig zuversichtlich. Wir sehen eine Belebung, die sich an den Sendungsdaten festmachen lässt. Wobei man sagen muss, dass in der zweiten Märzwoche einige Märkte regelrecht zum Stillstand gekommen sind, besonders in Italien, Spanien, Frankreich und Großbritannien. Seit Ostern sehen wir langsam, aber sicher eine gewisse Belebung.
Die Belebung tritt vor allem in den Binnenmärkten ein. Deutschland war zum Beispiel immer stabiler als die anderen Länder. Die internationalen Verkehre hingegen sind derzeit noch deutlich schwächer, spürbar ist das vor allem bei den Teil- und Komplettladungen. Weiterhin stark betroffen ist das Messe- und Eventgeschäft, das voraussichtlich bis Herbst pausieren muss.
In den europäischen und weltweiten Landverkehren werden wir voraussichtlich nicht auf das Niveau von 2019 kommen, weil verschiedene Branchen für ihren Hochlauf eine gewisse Zeit brauchen. Ich rechne mit einer gewissen Belebung in der zweiten Jahreshälfte – vorausgesetzt, es kommt kein zweiter Lockdown. Aus heutiger Sicht wird das zweite Quartal das schwierigste sein.
Wir sind in den Landverkehren in Europa in sechs Schlüsselbranchen aktiv. Am stärksten betroffen sind die Luftfahrt- und die Automotive-Branche, jeweils inklusive ihrer Zulieferer. Nicht betroffen ist der Pharmabereich, der auf ähnlichem Niveau weiter wächst und durch die Logistik von Corona-Schutzausrüstung deutliche Impulse erfährt.
Zu jedem Zeitpunkt stand im Mittelpunkt unseres Tuns, was erstens für unsere Kunden, zweitens für unsere Mitarbeiter und drittens für unsere Frachtführer wichtig ist. So haben wir definiert, wie wir uns aufstellen und agieren. Beginnen wir mit den Kunden: Wir sind da immer partnerschaftlich vorgegangen und haben keine pauschalen Covid 19-Zuschläge erhoben. Zudem bieten unseren Kunden Versorgungssicherheit, werden also keine Verkehre einstellen. Zweitens werden wir alle Möglichkeiten nutzen, um unsere Mitarbeiter zu halten. Es wird eine Zeit nach der Krise geben. Kunden und Mitarbeiter werden sich daran erinnern, wie wir mit ihnen umgegangen sind.
Unser Kurs ist klar: Wir werden in den Landverkehren weder das Zahlungsziel hochsetzen, noch pauschale Abschläge fordern.
Unser jeweiliges Carrier-Management in den Landesgesellschaften versucht, mehr Volumen auf mittelständische Frachtführer zu allokieren. Keinesfalls wollen wir unsere mittelständischen Partner, die zwischen 50 und 150 Fahrzeugen einsetzen, verlieren.
Sie berichten in der trans aktuell von Ausschreibungen, die bei 50 bis 60 Cent pro Lastkilometer liegen. Das muss der Branche Sorgen machen. Dumping hilft keinem Marktteilnehmer. Jeder hat durch Fahrer, Fahrzeuge und Maut seine Gestehungskosten. Ich kann jedem nur raten, sich nicht an dem Thema zu beteiligen – egal auf welcher Seite. Ich werde mit meinem Führungsteam darauf einwirken, das Thema nicht zu treiben.
Dieses Preisgefüge ist kontraproduktiv und suggeriert: Es gibt Kapazitäten im Überfluss. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Fahrerknappheit weiter zuspitzt und die Versorgungssicherheit auf dem Spiel steht. Als Logistikunternehmen haben wir eine Verantwortung und müssen darüber unseren Einfluss geltend machen. Heißt: Zu jedem Preis Volumina generieren zu wollen, macht keinen Sinn. Hingegen macht es Sinn, die Kosten jederzeit im Griff zu haben, gerade in der aktuellen Lage.
Wir haben im vergangenen Jahr zwei Unternehmen akquiriert, Jöbstl in Österreich und Osteuropa sowie Rotra in den Niederlanden und Belgien. Die Integration dieser Unternehmen läuft nach Plan. An unseren anorganischen Wachstumsplänen halten wir fest, wenn sich etwas anbietet. Wenn mögliche Unternehmen zu uns passen, werden wir sie untersuchen – genau wie vor der Krise. Die Grundausrichtung unserer Strategie bleibt somit unverändert.
Da gibt es keine Änderung. RoadLOG, unser TMS für den europäischen Landverkehr, wird weiter planmäßig ausgerollt. Vor zwei Jahren haben wir damit in Osteuropa begonnen, nun werden weitere Länder wie Österreich sowie die iberische Halbinsel aufgeschaltet. Für Deutschland halten wir an einem separaten TMS fest, weil wir Teil von IDS sind und daher andere Anforderungen gelten.
Es handelt sich um eine beträchtliche Investition, die sich aber gelohnt hat. Die größten Vorteile sind die schnelle Verfügbarkeit der Daten und ihre Sichtbarkeit beim Kunden. Durch die verschiedenen Zukäufe in der Vergangenheit hatten wir unterschiedliche TMS im Einsatz – was natürlich nicht immer optimal war. Schließlich geht es darum, Produktivitäten zu heben, also mit der gleichen Mannschaft noch mehr leisten zu können.
Jede Sendung in unserem Netzwerk – ob Stückgut, Teil- oder Komplettladung – soll bis Ende 2021 mit einem ePOD versehen werden. Wir geben dem Fahrer eine App an die Hand, über sein Endgerät hat er dann die Möglichkeit, den ePOD beim Empfänger unterschreiben zu lassen. Durch Anbindung an das TMS können wir ihn in Echtzeit zum Kunden weiterleiten.
In meiner beruflichen Laufbahn hat es sich in verschiedenen Rollen immer um den Kunden gedreht, das hat mir immer Freude bereitet. Da hat es sich angeboten, die Aufgabe für die gesamte Kühne + Nagel-Gruppe zu übernehmen. Bis danhin hatten wir einen integrierten Vertrieb, der alle Kundengruppen betreute – ob internationaler oder nationaler Kunde, ob Großkonzern oder Mittelstand, wenngleich wir das in verschiedene Segmente aufgeteilt hatten. Nun möchten wir den Fokus auf die kleineren und mittleren Unternehmen – also die KMUs – weiter stärken, die andere Anforderungen als Großkunden haben.
Zum 1. Juli wird der Vertrieb für diese KMU-Kunden den jeweiligen Geschäftsbereichen der See-, Luftfracht und den Landverkehren zugordnet. Das Key-Account-Management für die nationalen und internationalen Großkunden wird hingegen in der zentralisierten Vertriebsstruktur verbleiben. Insgesamt werden wir damit in beiden Segmenten die Schlagkraft und Kundennähe deutlich erhöhen, verbunden mit dem Ziel unseren Marktanteil stetig auszubauen.
Zur Person
- Stefan Paul, Jahrgang 1969, ist seit 2013 als Vorstandsmitglied bei Kühne + Nagel International für den Landverkehr und seit 2020 auch für den konzernweiten Vertrieb verantwortlich. Er war bereits in den 90er-Jahren für Kühne + Nagel tätig.
- Vor seiner aktuellen Tätigkeit war der Logistiker seit 2010 Vorsitzender der Geschäftsführung von DHL Freight Deutschland.
- Begonnen hatte alles klassisch mit einer Ausbildung zum Speditionskaufmann bei der damaligen Rhenania-Organisation, es folgten Stationen bei Danzas und DHL.