Liachovicius: Zunächst einmal muss ich sagen: Wachstum ist für uns normal. Nach dem Ende der Sowjetunion 1991 startete Litauen bei null, einige Jahre später begann Girteka-Gründer Mindaugas Raila ebenfalls bei null. Wir wachsen mit Profit und setzen auf Effizienz.
Natürlich, das hört sich schon verrückt an: Girteka kauft 2.000 Lkw auf einmal. Aber wir haben hart dafür gearbeitet. Es war uns immer wichtig, zu reinvestieren. Nicht in Luxus, sondern in das Konzept des Lean Managements oder neue Gebäude für die Mitarbeiter. Mein Büro sieht zum Beispiel genauso aus wie das meiner Mitarbeiter. Der Grundsatz bei Girteka lautet: Alle sind gleich.
Die Fahrer, die in Russland unterwegs sind, kommen aus Russland. Der Großteil stammt aus Litauen, aber auch aus den umliegenden baltischen Ländern beschäftigen wir viele. Die Bezahlung hängt von der politischen Situation in den jeweiligen Ländern ab, doch im Durchschnitt verdient ein Fahrer bei uns rund 2.000 Euro netto. Damit bekommen sie mehr als ihre Chefs, die Disponenten.
Ich denke, diese Vorurteile werden von Jahr zu Jahr weniger. Es ist auch unser Fehler, sie nicht zurechtzurücken und über die tatsächlichen Umstände aufzuklären. Wir sehen uns als europäisches Unternehmen, nicht als osteuropäisches.
Vor etwa vier Jahren verbrachte ich einige Zeit in Japan und besuchte vor allem mittelständische Unternehmen, nicht nur aus dem Transportsektor. Ich wollte verstehen, wie diese Firmen funktionieren. Es war nicht einfach, das Konzept auf Girteka zu übertragen, aber wenn man daran glaubt, dann funktioniert es. Jeden Morgen finden nun die etwa zehnminütigen Asaichi Meetings statt. Wir arbeiten damit effizienter, denn sind die Zahlen auf der Tafel morgens rot, weiß jeder sofort, wo er ansetzen muss.
Anm. d. Red.: Liachovicius trifft sich jeden Morgen um 10.15 Uhr mit dem Top-Management. Der CEO ist bei jedem Meeting anwesend, wenn nicht physisch, dann per Skype – um 10.13 Uhr klingelt das Smartphone zur Erinnerung. Es hat oberste Priorität, er unterbricht dafür auch dieses Interview.
Vor 15 Jahren war es noch Russland. Dann starteten wir in den baltischen Ländern und seit dem EU-Beitritt 2004 auch in Europa. Wir haben nun drei Märkte: Europa ist der wichtigste und macht 50 Prozent unserer Einnahmen aus. Dort wachsen wir auch am stärksten. Vor allem in Deutschland sitzen viele unserer wichtigsten Kunden wie Daimler und Lidl. Die anderen 50 Prozent entfallen zu etwa gleich großen Teilen auf Skandinavien und auf Russland. Das hat sich verändert: Früher machte der Russland-Verkehr etwa 70 Prozent unserer Einnahmen aus.
Ja, denn 70 Prozent unserer Flotte sind ja Kühl-Trailer und von einem Tag auf den anderen wurden 2014 Lebensmittel-Transporte verboten. Das war hart, aber da es zu dieser Zeit schon nicht mehr unser größter Markt war, haben wir es verkraftet. Das wird sicher nicht unsere letzte Krise gewesen sein, aber in jeder Krise sehen wir neue Möglichkeiten.
Darauf legen wir unseren Fokus, weil sich Komplettladungen für lange Strecken am besten eignen. Wir müssen überlegen, wo wir am schnellsten und am einfachsten wachsen, und das ist hier der Fall. Unser Wachstum verdanken wir dabei vor allem den „großen“ Namen wie Unilever, Kia oder Amazon. In Nischen fahren wir auch Stückguttransporte. Wir beliefern zum Beispiel Supermärkte oder Restaurants in ganz Litauen.
Wir haben nicht die Marken im Blick, sondern vor allem die Kosten. In diesem Jahr haben wir einen großen Vertrag mit Volvo abgeschlossen, aber wir werden auch die Partnerschaft mit Daimler vorantreiben. Beide Unternehmen zählen wir zu unseren engen Partnern, denn wir beliefern sie auch: eine klassische Win-win-Situation.
Nein, dafür sehe ich momentan keinen Grund. Mindaugas und ich sind beide Anfang 40, warum sollten wir das tun?
Anm. d. Red.: Während sich Liachovicius um das operative Geschäft kümmert und in der Firma präsent ist, trifft Raila die strategischen Entscheidungen im Hintergrund.
Ja, wir arbeiten jeden einzelnen Tag am Erfolg des Unternehmens. Wir wollen einerseits ein familiäres Gefühl etablieren, andererseits sind wir sehr strukturiert. Wir akzeptieren zum Beispiel keine Familienmitglieder von Kollegen im Unternehmen. Es sollte meiner Meinung nach eine Grenze zwischen Privatem und Beruflichem geben.
Wir wollen das Wachstum beibehalten. In den nächsten Jahren soll die Flotte auf 5.000 Fahrzeuge anwachsen.

Zur Person
- Liachovicius studierte Transportmanagement und heuerte schon als Student bei Girteka an
- In Vollzeit dabei seit 1997
- Macht momentan den Master of Business Administration (MBA) im Fernstudium
- Spricht neben litauisch fließend russisch, polnisch und englisch
- 42 Jahre alt, verheiratet, drei Kinder