Frank Erschkat von TFG Transfracht: Lieferkette ist unter Druck

Frank Erschkat von TFG Transfracht
Lieferkette ist unter Druck

Frank Erschkat, neuer Chef von TFG Transfracht, zu den Herausforderungen und Plänen im Hinterlandverkehr.

Frank Erschkat TFG
Foto: TFG Transfracht
trans aktuell: Herr Erschkat, seit Dezember sind Sie an der Spitze von TFG Transfracht – eine turbulente Zeit für einen neuen Job, oder?

Erschkat: Ja, die Zeiten sind spannend, aber es ist ja auch nicht die erste herausfordernde Situation, die wir im Schienengüterverkehr durchmachen. Die Auswirkungen der Coronapandemie auf die weltweite Wirtschaft sind aber erheblich. Das spüren wir natürlich auch und fahren den Umständen entsprechend auf Sicht. In den vergangenen Monaten ist es uns in enger Abstimmung mit unseren Kunden gelungen, die Versorgungssicherheit und unser Netzwerk aufrechtzuerhalten. Hierbei konnten wir sowohl im kontinentalen als auch im maritimen Bereich Mengenschwankungen durch zusätzliche Züge ausgleichen.

Welche Bilanz ziehen Sie für 2020?

2019 hat TFG zum 50. Geburtstag die Marke von einer Million TEU geknackt. Leider konnten wir 2020 nicht an das tolle Ergebnis anknüpfen. Insgesamt sind die Mengen um acht Prozent zurückgegangen, was im Wesentlichen der Covid-19-Pandemie geschuldet war. Besonders während des ersten Lockdowns im Frühjahr kam es zu deutlichen Mengeneinbrüchen. Umso erfreulicher, dass uns das zweite Halbjahr dann eine spürbare Erholung gebracht hat. In diesem schwierigen Jahr 2020 hat sich gezeigt, dass auf die Schiene Verlass ist. Wir haben dazu beigetragen, dass Lieferketten aufrechterhalten wurden, sei es bei Produkten aus dem Konsumgüterbereich oder bei dringend benötigten Schutzausrüstungen.

Wie ist die Situation im Hinterlandverkehr jetzt?

Momentan besteht weiterhin ein hohes Ungleichgewicht zwischen Import und Export. Dazu kommt der Zwischenfall im Suezkanal, durch den die ankommenden Mengen in den Häfen zunächst deutlich gedrosselt wurden. Aktuell laufen die Mengen wieder auf hohem Niveau, aber wir erleben weiterhin erhebliche Schiffsverspätungen, welche die Hafenprozesse spürbar verzögern. Diese Effekte haben natürlich auch Auswirkungen auf die Hinterlandverbindungen: Züge können nur stark verspätet abfahren, Verladeslots sind in den Häfen teilweise um Tage verschoben. Ressourcen wie Güterwagen und Personal müssen nachgesteuert werden, und Wartezeiten in den Hafen-Infrastrukturen verlängern sich.

Was bedeutet das für die globale Lieferkette?

Die gesamte Lieferkette ist unter Druck geraten, und das wird auch ein Stück weit so anhalten – frühestens im Verlauf des zweiten Halbjahrs können wir damit rechnen, dass sich das wieder mehr ausbalanciert.

Frank Erschkat TFG
DB Cargo/Oliver
Frank Erschkat ist seit Dezember an der Spitze von TFG Transfracht.
Ein Problem ist derzeit die Verfügbarkeit von Containern.

Das stellt an uns als Bahnoperateur im Steuern unseres Netzwerks besondere Herausforderungen. Die Reeder investieren aktuell erheblich in neues Equipment und Schiffsneubauten. Aber es dauert seine Zeit, bis neue Container in ausreichender Menge auf den Markt kommen und die Logistikkette spürbar entlastet wird. Auch wir bereiten uns für das weitere Mengenwachstum im maritimen KV vor. Hierzu investieren Transfracht und DB Cargo erheblich in Loks, Güterwagen und Depoterweiterungen sowie in die Ausbildung von Betriebspersonal.

Inwiefern hilft die Digitalisierung bei der Planung?

Bezogen auf die Planung und Steuerung unserer Verkehre setzen wir auf Datenaustausch und eine zunehmende Automatisierung in der Datenverarbeitung. Und innerhalb unserer Wertschöpfungsstufen Schienentransport, Umschlag, Depot und Trucking legen wir großen Wert auf eine durchgehende Auftragssicht. Dazu arbeiten wir in verschiedenen Projekten und mit unterschiedlichen Partnern an der Digitalisierung unserer Prozesse sowie an der Weiterentwicklung unserer IT-Landschaft.

Wo wird das Netzwerk von TFG wachsen?

Wir haben 2020 trotz des Mengenrückgangs nicht nur das Netz so beibehalten, sondern auch unser Netzwerk ausgeweitet. Unter anderem haben wir den Stuttgarter Hafen, Bremen Roland und Passau an unser Albatros-Netzwerk angebunden. Als große Erweiterung unseres Leistungsangebots haben wir im Dezember des vergangenen Jahres unser neues Produkt Albatros Express West gestartet. Auch hier gehen wir zum Juli mit der Anbindung von Regensburg an die Westports den nächsten Schritt.

Welche Strecken sind in Verbindung mit den Kollegen von DB Cargo in Planung?

Wir schätzen es sehr, dass wir mit DB Cargo Produktionsmöglichkeiten in ganz Europa haben. Bei den zuvor genannten Westhafen-Verbindungen bietet DB Cargo ihren Kunden Wagenladungsverkehre an. Hier nutzen wir als Gruppe die Stärken eines gemeinsamen Produktes aus gemischten Zügen aus Einzelwagen und kombinierten Verkehren. In dieser Kombination können wir unseren Kunden ein hochfrequentes, tägliches Produkt zu allen Seehafenterminals in Rotterdam und Antwerpen anbieten. Neu in unserem Produktportfolio ist auch die Abfahrt von maritimen Verkehren ab Hamburg über München nach Norditalien, genauer nach Verona und Mailand. Hier arbeiten wir eng mit unseren Partnern Optimodal und Kombiverkehr zusammen.

Sind denn die politischen Rahmenbedingungen für ein weiteres Wachstum des Schienengüterverkehrs gegeben?

Über den Nachhaltigkeitstrend in unserer Gesellschaft ist ein politischer Rückenwind zugunsten der Schiene entstanden, den wir nutzen wollen. Die Schiene ist das größte Umweltnetzwerk, und deswegen bin ich froh, dass die Politik vieles unternimmt – vom Green New Deal, bei dem die Schiene eine große Rolle spielt, bis zum Masterplan Schienengüterverkehr. Die darin verankerte Trassenpreisförderung hilft ebenso wie die Förderpolitik bei der Infrastruktur für den Ausbau der Terminals und der Hauptkorridore.

Haben Sie denn keine Forderung, mehr Verkehre auf die Schiene zu verlagern?

Unsere Konzernmutter Deutsche Bahn und ihre Tochter DB Netz tragen ja auch mit ihrem Ausbauprogramm dazu bei. Als wichtig erachte ich auf jeden Fall, dass wir beim Ausbau der Infrastruktur in puncto Bürokratieabbau noch schneller werden und die Genehmigungsprozesse, wenn möglich, verkürzen. Zudem kann ich die bekannten Themen nur unterstützen: etwa den Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr von der Maut zu befreien oder europaweit das Thema kranbare Sattelauflieger voranzutreiben. Weitere Wünsche gehen in Richtung der europaweiten Einführung der digitalen automatischen Kupplung für Güterwaggons. Und auch die Ausrüstung mit den On-Board-Units des europäischen Zugsicherungssystems ETCS würde dem Sektor Schiene deutlich helfen.

Wird die Schiene zu wenig, der Straßengüterverkehr zu viel gefördert?

Eine solche Frage stellt sich mir nicht – ich bin für Chancengleichheit unter den Verkehrsträgern und habe nichts dagegen, wenn Lkw durch entsprechende Fördermaßnahmen umweltfreundlicher werden. Allerdings muss erwähnt werden, dass der Lkw deutlich höhere externe Kosten als die Schiene verursacht. Aus meiner Sicht wäre es vor diesem Hintergrund eine problematische Entwicklung, wenn die Förderung von LNG-Lkw dazu führen würde, dass Verkehre auf längeren Strecken durch Kostenvorteile wieder von der Schiene auf die Straße zurückverlagert werden. Generell bin ich dafür, dass beide Bereiche von öffentlichen Förderungen profitieren sollen und wir insgesamt die Nachhaltigkeit des Transport- und Logistiksektors verbessern.

Noch eine letzte Frage – Sie haben ihr Amt bei TFG in Personalunion angetreten. Bleibt es bei der Konstellation?

Ich war ja schon bisher bei der DB Cargo verantwortlich für das gesamte Intermodalgeschäft, kontinental und maritim. Die Besetzung bei der TFG erfolgte bewusst – wir wollen flachen Hierarchien haben und schnell agieren können. Gleichzeitig wollen wir das Intermodalgeschäft ganzheitlich entwickeln, auch in Partnerschaft mit Unternehmen unseres Hauses.

Zur Person

  • Frank Erschkat ist seit Dezember 2020 Sprecher der TFG-Transfracht-Geschäftsführung und verantwortlich für Vertrieb, Operations und Marketing

  • Gleichzeitig bleibt er in Personalunion Senior Vice President Intermodal Sales von DB Cargo

  • Der Diplom-Ingenieur, Fachrichtung Maschinenbau, begann 1998 seine Laufbahn bei der Deutschen Bahn, zunächst als technischer Werksleiter

  • Es folgten weitere Stationen bei den damaligen DB-Töchtern Stinnes und Railion, später DB Schenker Rail, etwa als Leiter regionaler Produktionszentren

  • Seit 2019 leitet er den Bereich Intermodal bei DB Cargo