DSV nach der Übernahme der Agility-Logistik: Globale Abdeckung erreicht

DSV nach der Übernahme der Agility-Logistik
Globale Abdeckung erreicht

DSV-CEO Jens Bjørn Andersen und Air-&-Sea-Experte Frank Sobotka über M & A und globale Lieferkettenprobleme.

Globale Abdeckung erreicht
trans aktuell: Herr Andersen, DSV ist mit der Übernahme der Logistiksparte von Agility in der Logistikliga zu Deutsche Post DHL und Kühne + Nagel aufgerückt. Wohin geht die Reise weiter?

Andersen: Wir haben wirklich keine Ambitionen auf bestimmte Ranglisten und keine Strategie, in x Jahren die Nummer eins zu werden. Wir wollen für unsere Kunden die Nummer eins sein und ein attraktiver Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter. Dafür ist die Unternehmensgröße nicht so wichtig. Aber natürlich macht in der Logistik für die Servicequalität auch die Größe des Netzwerks etwas aus.

Welchen Preis hat DSV für Agility Global Integrated Logistics, kurz GIL, gezahlt?

Andersen: Etwa vier Millionen US-Dollar. Dafür wird Agility acht Prozent der DSV-Anteile bekommen. Wir sind stolz, dass Agility dieses Angebot angenommen hat und uns damit auch zeigt, dass es Vertrauen in DSV hat. Nach der Akquisition von Panalpina ist dies der zweithöchste Kaufpreis für uns bisher.

Jens Bjørn Andersen, Group CEO von DSV Panalpina in Hedehusene (Dänemark).
Versprechen Sie sich durch die Übernahme von Agility GIL vor allem weiteren Aufwind in der Luft- und Seefracht oder gibt es auch Synergieeffekte im Landverkehr?

Andersen: Natürlich war der Hauptgrund, Zugang zu den Luft- und Seekompetenzen von GIL zu gewinnen. Mit der Übernahme haben wir im Transportbereich eine globale Abdeckung erreicht, von ein paar Lücken abgesehen. Zudem wächst der Bereich auch noch schneller und deutlicher als der Landverkehr. Durch die Übernahme kommen natürlich noch weitere Bereiche dazu. Bei GIL sind dies einige Landverkehrs- und Lageraktivitäten, vor allem im Mittleren Osten und Asien, aber auch in Europa.

Gibt es Überschneidungen mit bestehenden DSV-Standorten?

Andersen: Das zu sagen, wäre noch zu früh, schließlich haben wir die Übernahme erst verkündet und noch keine Zustimmung der zuständigen Behörden erhalten. Aber wir würden natürlich immer die bessere Option wählen, auch bei den Niederlassungen.

Die Übernahme von Panalpina wurde durch ein Sparprogramm begleitet, 3.000 Mitarbeiter wurden entlassen. Wird sich das wiederholen?

Andersen: Auch hier würde eine Aussage verfrüht sein. Aber leider ist es natürlich so, dass sich nach einer Zusammenlegung manche Jobs überschneiden – dafür kann ich keine Zahlen nennen. Man muss aber auch fairerweise erwähnen, dass wir über die Jahren durch unsere Mergers & Acquisitions (M & A) weitaus mehr Arbeitsplätze geschaffen als reduziert haben.

Welche Regionen und Bereiche sind für weiteren M & A interessant?

Andersen: Jetzt halte ich es für wichtig, sich voll auf die Integration von GIL zu fokussieren. Unsere Mitarbeiter schenken uns dafür ihr Vertrauen. Wir dürfen nicht wie selbstverständlich davon ausgehen, dass jede Übernahme so gut läuft wie die vergangene, wobei wir bisher immer viel Erfolg hatten. Aber sicher war die Agility-Sparte auch nicht die letzte Übernahme. Die Branche ist noch sehr fragmentiert. DSV hat jetzt vielleicht einen Marktanteil von vier bis fünf Prozent, die 20 größten Logistiker decken insgesamt nur 30 bis 40 Prozent des Markts ab, während in den Branchen unserer Kunden teilweise ein Konzern allein einen solchen Marktanteil trägt. Da ist also noch viel Luft nach oben. Unser Favorit wäre weiterhin ein Kandidat mit Luft- und Seefracht, und wenn Kontraktlogistik dabei ist, ist das auch in Ordnung. Mit jeder Übernahme gewinnen wir weitere Kompetenzen in diesen Geschäftsfeldern dazu – zum Beispiel mit Panalpina in Form des Air Charter Networks oder durch die UTI-Übernahme im Jahr 2016, ein Netzwerk in Südafrika, in dem wir heute 7.000 Mitarbeiter haben.

Wie schlägt sich DSV in der Coronapandemie?

Andersen: Alle Passagierflugzeuge waren zu Anfang der Pandemie am Boden, und damit war fast die Hälfte der Luftfrachtaktivitäten stillgelegt. Im Lauf des Jahres 2020 sind die Volumen erfreulicherweise gestiegen, auch dank der Maßnahmen der diversen Regierungen, die auch den privaten Konsum wieder angekurbelt haben.

Wie war das im deutschen Markt?

Sobotka: Natürlich war das eine nie da gewesene Situation. Und ja, Volumen sind inzwischen wieder zurück, aber man muss unterscheiden. Regionen wie die USA und China sind wieder auf dem Stand von 2019, aber in Teilen Europas hängt diese Entwicklung noch hinterher. Vor allem in der Seefracht ist das Volumen noch unter Plan, aber auch in der Luftfracht sind die Kapazitäten etwa zwischen Asien und Europa noch nicht auf dem Stand von 2019. Hier haben wir aber durch unsere eigenen Charteraktivitäten etwas ausgleichen können, und bei den Raten sind wir in der Luftfracht ja eine volatile Entwicklung gewohnt – die aktuell extremen Ausschläge bei der Seefracht aber nicht.

Wo liegen denn weiter die Schwierigkeiten?

Sobotka: Immerhin können wir bei der Luftfracht wieder die großen Wirtschaftsregionen miteinander verbinden, etwa Europa und die USA, China, Hongkong, Südafrika und Brasilien. Dafür haben wir unsere Charterkapazitäten für unsere Kunden erheblich vergrößert, vor allem ab Luxemburg. Inzwischen sind auch die großen Kunden aus den Bereichen Automobil, Konsumgüter und Hightech wieder zurück. Bei der Seefracht ist die Situation schwieriger: Die Reeder planen ihre Mengen sehr strikt, die Raten sind unglaublich hoch, teilweise zahlt man im Vergleich zu früher einen bis zu zehnfachen Preis.

Was bedeutet das für die Prozesse?

Sobotka: Es ist unglaublich schwierig für die Mitarbeiter. Zuletzt waren wir da sehr verwöhnt, jetzt heißt es „pay or stay“. Man bekommt keine Leercontainer und wartet sechs bis acht Wochen, bis eine Buchung überhaupt bestätigt wird – das setzt die Lieferkette weiter unter großen Druck. Während anfangs die Halbleiter für die Automobilindustrie fehlten, sind es jetzt die Rohstoffe für die chemische Industrie, Kunststoffe für die Bauindustrie und so weiter. Ich denke, in den nächsten zehn bis zwölf Monaten warten noch einige Herausforderungen auf uns. Eine schnelle Erholung ist nicht in Sicht.

Also keine Erholung in der zweiten Jahreshälfte?

Sobotka: Nein, durch die Öffnung der durch Corona geschlossenen Geschäfte wird ja der Konsum wieder befeuert. Aber es gibt keine zusätzlichen Luftfrachtkapazitäten, die Fluggesellschaften planen erst sehr langsam, wieder ihren Flugplan hochzufahren, und konzentrieren sich aktuell eher auf die Touristendestinationen, was die Sache nicht einfacher macht. Und bei der Seefracht – da haben die Schiffsbauer volle Auftragsbücher, aber bis weitere Containerschiffe zur Verfügung stehen, dauert es. Zumal weiter auch die Probleme bei der Infrastruktur bestehen, etwa in den Terminals in den USA.

Für deutsche Kunden bedeutet das was?

Sobotka: Für die deutschen Kunden heißt das, dass Vorplanung jetzt besonders wichtig ist, um überhaupt Kapazitäten zur richtigen Zeit zu haben. Aber auch das garantiert noch nichts, man muss meiner Meinung nach jetzt sehr flexibel sein, um die Lieferkette überhaupt aufrechtzuerhalten, und das haben wir meiner Meinung nach bei DSV erreicht. Zusammen mit unseren eigenen Charterkapazitäten und den Rahmenvereinbarungen mit unseren Transportpartnern stehen wir ganz gut da.

Inwiefern ist der Schienentransport zwischen Europa und Asien eine Alternative?

Sobotka: Das haben wir vor sechs Jahren eingeführt, inzwischen ist es ein Standardprodukt. Es ist eine sehr gute zusätzliche Alternative für den Seetransport, aber rein volumenmäßig eben kein Ersatz. Gleichwohl sind aufgrund der Situation auch hier alle Züge derzeit voll ausgebucht. Auch unser Truckingservice von und nach China, den wir 2019 eingeführt haben, läuft voll – derzeit wird eben alles angenommen, was angeboten wird.

Eine weitere aktuelle Herausforderung ist das Thema Nachhaltigkeit.

Andersen: Hier haben wir den Vorteil, dass wir ein dänischer Konzern sind – als Land haben wir bereits viel Erfahrung, etwa im Einsatz regenerativer Energie. Die dänische Regierung hat per Gesetz eine CO2-Reduktion von 70 Prozent bis 2030 auf Basis von 1990 vorgeschrieben. Nachhaltigkeit ist für uns also kein Hokuspokus, sondern eine tägliche Verpflichtung.

DSV hat sich verpflichtet, die Emissionen auch von Scope 3 zu reduzieren. Viele Ihrer Wettbewerber gehen noch nicht so weit.

Andersen: Natürlich könnten wir auch nur mit Scope 1 und 2 arbeiten, also die Emissionen reduzieren, die wir selbst verursachen, etwa durch Solaranlagen auf unseren Hallen oder den Einsatz von E-Fahrzeugen als Dienstwagen. Sie machen aber nur fünf Prozent der Emissionen von DSV aus. Allein Scope 3 macht wirklich Sinn, das sind die Emissionen, die auch unsere Subunternehmen verursachen.

Worauf setzen Sie?

Andersen: Ich bin Teil eines Beratergremiums für die Regierung, und im Rahmen dessen sind wir schon weit fortgeschritten, etwa in Bezug auf die Power-to-X-Technologie, mit der wir Energie aus Windkraftanlagen zu flüssigem Kraftstoff umwandeln wollen als CO2-neutraler Kraftstoff für Lkw. Wenn der Transport grüner sein soll, muss auch der Kraftstoff grün sein, und das gilt für alle Verkehrsträger. Wir sind der einzige Logistikkonzern, dessen Nachhaltigkeitskonzept durch die Initiative Science-based Targets zertifiziert wurde. Das zeigt, dass wir den richtigen Weg beschreiten.

Viele internationale Konzerne setzen zudem die Kompensation als Mittel ein. Halten Sie das für zielführend?

Andersen: Ich glaube nicht an Kompensation. Natürlich sind wir als Kaufleute nicht begeistert von jeder Art von Regulierung, aber daran führt einfach kein Weg vorbei. Die Ziele zum Klimaschutz gelten für alle. Und wenn wir in Europa, den USA, China und eventuell Indien das beherzigen und als größte Verursacher von CO2-Emissionen diese reduzieren, dann sieht es für die Welt schon ein Stückchen besser aus.

Zur Person

  • Jens Bjørn Andersen ist seit 2008 Group CEO von DSV Panalpina mit Sitz in Hedehusene (Dänemark). Der Transport- und Logistikdienstleister ist in weltweit 80 Ländern aktiv
  • Andersen begann seine berufliche Laufbahn 1988 als Speditionstrainee bei dem dänischen Unternehmen Samson Transport, das 1995 von DSV übernommen wurde
  • Weitere Stationen führten ihn nach Norwegen und Großbritannien

Zur Person

  • Frank Sobotka ist seit fast drei Jahren Geschäftsführer von DSV Air & Sea Germany sowie Executive Vice President Central Eastern Europe
  • Seit 2010 ist er für DSV tätig, davor war er in unterschiedlichen Positionen in großen Logistikunternehmen beschäftigt
  • Sobotka (Jahrgang 1970) ist gelernter Speditionskaufmann und Diplom-Betriebswirt (DAV)