Dacher erhöht die Effizienz: Schlagkraft im Stückgut steigern

Dachser erhöht die Effizienz
Schlagkraft im Stückgut steigern

Herausforderungen und Chancen: Dachser-Vorstandschef Burkhard Eling spricht über die Dauerbrenner Rampe und Fahrermangel sowie die Potenziale der Digitalisierung. Ein Projekt ist für ihn besonders wegweisend, wie er im Gespräch mit der Fachzeitschrift trans aktuell erläutert.

Schlagkraft im Stückgut steigern
Foto: Thomas Küppers
trans aktuell: Herr Eling, nach einem Rekordjahr 2022 dämpfen Sie für dieses Jahr die Erwartungen. Worauf stellen Sie sich konkret ein?

Eling: Wir erwarten einen Umsatzzuwachs im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Im Bereich Road Logistics wird er voraussichtlich etwas höher ausfallen, in der Luft- und Seefracht eher leicht rückläufig sein. Grund dafür sind nicht etwa rückläufige Volumina, sondern die zurückgehenden Frachtraten, vornehmlich in der Seefracht.

Hätten Sie damit gerechnet, dass das Pendel so schnell umschlagen würde?

Vor einem dreiviertel Jahr hätte das wohl niemand für möglich gehalten, doch ab Herbst hat ein deutlicher Ratenverfall eingesetzt. Die Kombination aus Zurückhaltung bei den Kunden und Überkapazitäten bei den Reedereien hat eben diese Entwicklung zur Folge.

Dachser
Dachser-CEO Eling ruft angesichts des Fahrermangels zum Handeln auf: „Der Fahrermangel ist ein Riesenthema, der sich nicht in Luft auflösen, sondern verstärken wird. Wir müssen intensiv daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern, um den Beruf attraktiver zu machen."
Dachser ist mit gleich zwei Übernahmen ins Jahr gestartet – dem Lebensmittellogistiker Müller aus den Niederlanden und der Luft- und Seefrachtspedition ACA International aus Australien. Sind weitere Akquisitionen geplant? lmmerhin ist Ihr Investitionsvolumen mit mehr als 300 Millionen Euro dieses Jahr so hoch ist wie noch nie.

Wir haben jedes Jahr einen gewissen Betrag für anorganisches Wachstum eingeplant, das ist auch 2023 der Fall. Bei Dachser gibt es Bestrebungen, in bestimmten Märkten in beiden Bereichen – Road Logistics und Air & Sea Logistics – auch anorganisch zu wachsen.

Bahnt sich hierzu schon etwas an?

Wir arbeiten an Projekten. Ich kann hierzu keine weiteren Details nennen.

Was ist mit DB Schenker? Wären Sie daran interessiert, bei einer Veräußerung durch die Deutsche Bahn Teile des Unternehmens zu erwerben?

Legt man die Nummer 1 und Nummer 2 im europäischen Stückgutmarkt auf- oder nebeneinander, ergeben sich viele Überlappungen. Doch ob ein Erwerb für Dachser sinnvoll wäre oder nicht – die Spekulation darüber überlasse ich anderen.

Sehr konkret ist dagegen Ihr Plan, sich zwei neue Branchen zu erschließen: Sie haben angekündigt, globale Branchenlösungen für die Kosmetik- und Textilbrache zu etablieren. Wie muss man sich den Markteintritt von Dachser hier vorstellen?

Wir waren auch schon vorher für Kunden in diesen Branchen tätig. Nun geht es darum, ein Signal zu senden, dass wir diese Branchen großflächig und global bedienen wollen. Branchenlösungen sind bei Dachser auch nichts ganz Neues: Seit etwa 25 Jahren sind wir in der DIY-Branche für den Baumarkt- und Heimwerkerbereich tätig, seit etwa 15 Jahren mit Dachser Chem Logistics für Kunden aus der Chemieindustrie. Branchenlösungen bieten uns die Möglichkeit, definierte Branchen mit spezifischen Logistiklösungen zu bedienen und diese mit der hohen Performance unseres Netzwerks in Einklang zu bringen.

Heißt mit Blick aufs Netzwerk konkret: Die jeweiligen Branchen müssen Europaletten-tauglich sein?

Ganz genau. Wir sind Freunde von standardisierten Prozessen. Wir achten auch beim Hängeversand von Textilien beziehungsweise in der Fashion-Branche auf Netzwerk-kompatible Ladungsträger. Diese Ladungsträger haben dieselben Abmessungen wie Europaletten und sind damit gut für unser Stückgutnetzwerk geeignet.

Branchenlösungen fallen ja auch unter die Kontraktlogistik, die bei Dachser an Bedeutung gewinnt. Warum machen Sie aus ihr eigentlich kein eigenes Geschäftsfeld?

Dachser erbringt umfangreiche Kontraktlogistiklösungen. Sie stehen aber immer in Verbindung mit Road Logistics oder Air & Sea Logistics und sind daher diesen Geschäftsfeldern zugeordnet. Es stimmt, dass die Kontraktlogistik an Bedeutung gewinnt, weil Kunden ihre Logistik neu ausrichten und ihre Supply Chains neu ordnen. Im vergangenen Jahr hielt Dachser weltweit mehr als 2,7 Millionen Palettenstellplätze vor. Damit haben sich unsere Kapazitäten innerhalb von zehn Jahren nahezu verdoppelt. Wir betreiben weltweit 163 Lager-Standorte, weitere 14 Anlagen kommen 2023 hinzu.

Betrachten wir den Landverkehr, ist die Produktivität beeinträchtigt – unter anderem durch die „Klassiker“ Rampen-Wartezeiten und Fahrermangel. Beginnen wir mit dem Dauerbrenner Rampe: Wie sehr machen Ihnen die Wartezeiten zu schaffen?

Sie machen uns stark zu schaffen, weil sie die Produktivität des Lkw-Einsatzes schmälern, ebenso wie die der Fahrer-Arbeitszeit. Leider hat sich hier in den vergangenen Jahren nur wenig bis gar nichts getan. Die Rampenzeiten sind nicht nur ein Zeitfresser, sondern auch ein enormer administrativer Aufwand – man denke nur an das Umbuchen von Zeitfenstern, wenn der Lkw im Stau steht. Die Kundenseite ist gefragt, hier praxisgerechte Lösungen zu erarbeiten.

Sehen Sie sich nicht auch selbst gefordert?

Selbstverständlich sind wir auch selbst gefordert, im Gespräch mit den Rampenbetreibern die Planung zu verbessern oder die Peak-Zeiten zu entzerren – was bei kurzen Wochen rund um Ostern aber erfahrungsgemäß immer ein Ding der Unmöglichkeit ist. Wir monitoren die Wartezeiten und sind im ständigen Gespräch, um mit Industrie und Handel individuelle Lösungen zu finden, um unnötige und unproduktive Wartezeiten zu reduzieren.

Allen voran die Fahrer leiden am oft ruppigen Umgangston an der Rampe und den Wartezeiten. Und es wird immer schwieriger, neue Fahrer zu finden. Wie macht sich der Fahrermangel bei Ihnen und Ihren Transportpartnern bemerkbar?

Der Fahrermangel ist ein Riesenthema, der sich nicht in Luft auflösen, sondern verstärken wird – aufgrund des demographischen Wandels auch durch das Ausscheiden einer ganzen Fahrergeneration. Wir müssen intensiv daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen weiter zu verbessern, um den Beruf attraktiver zu machen. Und natürlich ist die Branche gefordert, in die Ausbildung zu investieren. Wir engagieren uns hier seit einem knappen Jahrzehnt intensiv in Deutschland und Europa und unterhalten enge Partnerschaften mit unseren Transportunternehmen.

Gab es schon Phasen, in denen Sie bestimmte Linien gar nicht mehr bedienen konnten, weil die Fahrzeuge wegen fehlender Fahrer still standen?

Wir hatten immer mal wieder Ausfälle in Peak-Zeiten, die Performance und Geld kosten. Der Fall, dass wir Kunden nicht mehr bedienen konnten, ist aber glücklicherweise noch nicht eingetreten.

Als Gegenstück zu den Produktivitätskillern gibt es Effizienzbooster, mit denen Sie Ihre Performance deutlich verbessern könnten. Sie haben hierzu einige Pilotprojekte am Laufen – alle im Zusammenhang mit dem Megathema Digitalisierung. Von welchem versprechen Sie sich aktuell am meisten?

Zweifellos vom Projekt @ILO, das in Sachen Effizienzverbesserung einem Quantensprung gleichkommt. @ILO steht für Advanced Indoor Localization and Operations und ist ein Forschungsprojekt aus dem Dachser Enterprise Lab, das wir gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund betreiben. Dachser hat zwei Pilotanlagen in den Niederlassungen Unterschleißheim und Öhringen errichtet. Alle ein- und ausgehenden Packstücke werden automatisch von optischen Scaneinheiten erfasst und in einem digitalen Zwilling abgebildet.

Das bringt vor allem einen Zeitvorteil, oder?

Ja, das bringt einen Zeitvorteil: Jedes Sammelgut-Packstück mit all seinen Informationen wie dem Gewicht und Volumen wird in Sekundenschnelle erfasst. @ILO bringt aber noch weitere Vorteile: Jedes Packstück wird eindeutig einer Relation zugeordnet, wir können es im Lager immer tracken, somit gehören etwaige Suchen und Fehlverladungen der Vergangenheit an. Damit werden wir noch agiler und können unsere Produktion sehr flexibel auf die Anforderungen unserer Kunden anpassen.

Ist das Scannen im Umschlaglager dann Geschichte?

Ja, das Scannen fällt komplett weg. Wir haben in den Umschlaglägern der Pilothäuser optische Scaneinheiten, also Kameras, angebracht, die alle Packstücke erfassen. Dies geschieht mithilfe eines spezielles QR-Codes – dem Data Matrix-Code, in dem alle wichtigen Informationen hinterlegt sind. Noch sind die Packstücke trotzdem mit Barcodes ausgestattet, denn @ILO ist ja – wie erwähnt – erst in zwei unserer Häuser installiert.

Lässt sich der Effizienzvorteil durch @ILO eigentlich schon in Zahlen ausdrücken?

Es handelt sich um eine signifikante Produktivitätsverbesserung. Noch sind es Pilotanlagen, so dass die Zahlen noch nicht belastbar sind. Drei weitere Standorte sollen noch in diesem Jahr hinzukommen. Mitte des Jahres werden wir entscheiden, ob wir @ILO flächendeckend in Europa an den Start bringen werden.

Weitere Effekte hätte eine automatisierte Disposition mithilfe Künstlicher Intelligenz. Hierzu gibt es in der Branche schon einige Projekte, auch bei Dachser?

Ja, bei Dachser ist es aber schon über das Projektstadium hinaus. Es handelt sich um eine graphische Dispositionsoberfläche für den Nahverkehr und einen Tourenplanungsalgorithmus, der bei der Dispo-Planung zum Einsatz kommt. Das Ganze heißt Short Distance Planning Tool. Das Tool ist im Rollout, so dass die Disponenten es flächendeckend nutzen können.

Zur Person

  • Burkhard Eling (51) ist seit Jahresbeginn 2021 Vorstandsvorsitzender (CEO) beim Logistikdienstleister Dachser aus Kempten.
  • 2012 trat er in das Familienunternehmen ein und war seit 2013 bis zu seiner neuen Tätigkeit Finanzvorstand (CFO).
  • Der Diplom-Wirtschaftsingenieur war jahrelang in führenden Positionen in der Baubranche tätig. Stationen absolvierte er unter anderem bei Hochtief und Philipp Holzmann.