CSDDD und die nationale Umsetzung: EU-Lieferkettenrecht bringt Pflichten

CSDDD und die nationale Umsetzung
EU-Lieferkettenrecht bringt Pflichten

Das EU-Lieferkettengesetz CSDDD verändert die Spielregeln für Transporte, Lagerung und Beschaffung. Logistiker müssen Risiken systematisch prüfen und dokumentieren. Doch während Verbände vor Überforderung warnen, wächst der politische Streit.

Lieferketten
Foto: Travel mania - stock.adobe.com

Mit dem EU-Lieferkettengesetz wächst der Druck auf Unternehmen – besonders in der Logistik. Ob Transport, Lagerung oder Beschaffung: Kaum ein Bereich bleibt unberührt. Offiziell heißt die neue Regelung Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD). Sie verpflichtet große Unternehmen in Europa, menschenrechtliche und ökologische Risiken in ihren Lieferketten systematisch zu erkennen, zu mindern und bei Verstößen gegenzusteuern. Dazu gehören Risikoanalysen, Präventionsmaßnahmen und Berichtspflichten. Wer die Vorgaben missachtet, muss mit Bußgeldern oder dem Ausschluss von öffentlicher Auftragsvergabe rechnen.

EU-Vorgaben und deutsche Gesetzeslage

Während Brüssel die Anforderungen mit der CSDDD verschärft, sieht der Koalitionsvertrag 2025 von CDU/CSU und SPD vor, das bestehende deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) vollständig abzuschaffen. Das LkSG war 2021 vom Bundestag beschlossen worden und gilt seit 2023 für Unternehmen ab 3.000 und seit 2024 ab 1.000 Beschäftigten. Es verfolgt ähnliche Ziele wie die CSDDD, indem es menschenrechtliche und ökologische Risiken in Lieferketten adressiert. An seine Stelle soll ein neues Gesetz über internationale Unternehmensverantwortung treten, das die EU-Vorgaben „bürokratiearm und vollzugsfreundlich“ in deutsches Recht überträgt – ein Schritt, der ohnehin zwingend ist. Denn bis zum 26. Juli 2027 müssen alle Mitgliedstaaten die CSDDD in nationales Recht überführen. Begleitet wird der Prozess von einer kontroversen Debatte zwischen Politik und Verbänden.

Frank Huster Hauptgeschäftsführer DSLV Bundesverband Spedition und Logistik
Regina Sablotny

„Die Berichtspflichten sind für mittelständische Logistikunternehmen eine übermäßige Belastung.“ Frank Huster, Hauptgeschäftsführer Deutscher Speditions- und Logistikverband (DSLV)

Auswirkungen auf Logistikunternehmen

Besonders relevant für die Logistik: Die Sorgfaltspflichten der CSDDD – von Risikoanalysen über Präventions- und Abhilfemaßnahmen bis hin zu Berichtspflichten – gelten ausdrücklich auch für Transport, Lagerung und Vertrieb. Betroffen sind ab 2029 Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitenden und 450 Millionen Euro Umsatz, bereits ab 2028 greifen die Regeln für Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und 900 Millionen Euro Umsatz.

Kritik von Verbänden an den Pflichten

Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik (DSLV), erklärt gegenüber trans aktuell, die Richtlinie sei in der jetzigen Form für viele mittelständische Logistikunternehmen kaum umsetzbar. Die umfassenden Berichtspflichten stellten eine erhebliche Belastung dar – ohne erkennbaren Mehrwert für den Menschenrechtsschutz. Vor allem bei komplexen internationalen Lieferketten mit hunderten oder gar tausenden Zulieferern sei es schlicht unmöglich, jeden einzelnen Akteur zu überprüfen. Huster warnt zudem vor dem sogenannten Trickle-Down-Effekt: Große Unternehmen reichen hierbei ihre Pflichten systematisch an kleinere Auftragnehmer weiter. Damit geraten Speditionen laut Huster unter Druck, die selbst gar nicht direkt berichtspflichtig sind.

Forderungen nach Begrenzung auf Konzerne

Der DSLV fordert deshalb, dass die CSDDD nur für sehr große, global tätige Konzerne gilt und deren unmittelbare Zulieferer – nicht aber für kleine und mittlere Betriebe in der Transportwirtschaft.

Ricarda Lang MdB (Grüne)
Elias Keilhauer

„Ohne klare Regeln müssten nur noch 120 Unternehmen ihre Lieferketten prüfen.“ Ricarda Lang MdB (Grüne)

SPD betont Planungssicherheit

Auf die Bedenken aus der Branche reagiert die Politik mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Bernd Rützel, MdB (SPD) und amtierender Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales sowie zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für die EU-Lieferketten, macht gegenüber trans aktuell deutlich, dass es nun vor allem auf Planbarkeit ankommt. Ein ständiges Auf und Ab bei den Vorgaben sei Gift für die Unternehmen. Er wendet sich klar gegen Vorschläge, die Schwellenwerte auf 5.000 Beschäftigte oder mehr anzuheben. Das würde die Zahl der betroffenen Firmen drastisch reduzieren und damit den Kern der Richtlinie verfehlen: Zwangsarbeit, Kinderarbeit und Ausbeutung konsequent auszuschließen.

Verantwortung der großen Unternehmen

Auch bei mittelständischen Zulieferern müsse sichergestellt sein, dass sie nicht mit Formularen allein abgespeist werden. Für Rützel ist klar: Die Hauptverantwortung liegt bei den großen Playern, nicht beim Mittelstand. Zugleich spricht er sich für Bürokratieabbau aus – so solle ein Bericht genügen, anstatt unterschiedliche Nachweispflichten für verschiedene EU-Regelwerke zu schaffen.

CDU will Richtlinie zurücknehmen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) geht am weitesten: Er forderte in Brüssel die komplette Abschaffung der EU-Lieferkettenrichtlinie. Aus seiner Sicht bürdet die CSDDD der europäischen Wirtschaft unverhältnismäßige Pflichten auf und gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Menschenrechte und Umweltschutz seien zwar wichtige Ziele, so Merz, doch dürften sie nicht durch „überbordende Bürokratie“ ins Gegenteil verkehrt werden.

Bernd Rützel MdB (SPD), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für die EU-Lieferketten
DBT/Stelle von Saldern

„Ein ständiges Hin und Her beim Lieferkettengesetz ist Gift für die Planbarkeit.“ Bernd Rützel MdB (SPD), Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales und zuständiger Berichterstatter der SPD-Bundestagsfraktion für die EU-Lieferketten

Grüne verteidigen strengere Vorgaben

Auf diesen weitreichenden Vorstoß folgt die Gegenposition aus den Reihen der Grünen: Ricarda Lang, Bundestagsabgeordnete und bis 2024 Bundesvorsitzende der Partei, sieht das diametral anders als Friedrich Merz. Sie warnt bereits vor jeder Verwässerung und betont gegenüber trans aktuell, dass schon eine Abschwächung den Kern der CSDDD zerstören würde: Nur noch rund 120 Unternehmen in Deutschland müssten dann überhaupt ihre Lieferketten prüfen – und das auch nur beim direkten Zulieferer. Das würde bedeuten, dass nahezu alle übrigen Firmen aus der Pflicht entlassen wären.

Konsequenzen für Wettbewerb und Vertrauen

Lang warnt, dass dies nicht nur das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher untergraben würde, sondern auch jene Unternehmen bestrafe, die schon jetzt massiv in faire und nachhaltige Lieferketten investieren. Für sie sind verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und wirksamer Umweltschutz unverzichtbar, ebenso wie einheitliche europäische Standards, die fairen Wettbewerb garantieren. Die Bundesregierung müsse „klar Stellung beziehen und sich zur EU-Lieferkettenrichtlinie bekennen, wie sie von der Kommission vorgeschlagen wurde“, betont Lang.

Christine Wiederkehr, Global Head of Sustainability, Kühne+Nagel
Kühne+Nagel

„Es muss um konkrete Verbesserungen gehen, nicht nur um Berichtspflichten.“ Christine Wiederkehr, Global Head of Sustainability, Kühne+Nagel

Praktische Folgen für die Unternehmen

Während Politik und Verbände noch über den richtigen Kurs diskutieren, blicken die Logistikunternehmen bereits auf die praktischen Folgen. Kühne+Nagel hat mit dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) bereits Erfahrungen gesammelt. Christine Wiederkehr, Global Head of Sustainability des Logistikkonzerns, sagt gegenüber trans aktuell, dass die nun bevorstehende Ausweitung auf einen globalen Anwendungsbereich durch die CSDDD erheblichen administrativen Mehraufwand bedeutet – nicht zuletzt wegen der komplexen internationalen Wertschöpfungsketten, in die das Unternehmen eingebunden ist.

Umsetzung erfordert zusätzliche Ressourcen

Zwar verfügt Kühne+Nagel über ein globales Lieferantenmanagementsystem, einen verpflichtenden Verhaltenskodex für Lieferanten sowie einen anonymen Whistleblowing-Kanal. Doch die neue EU-Richtlinie erfordert zusätzliche Ressourcen: neue Softwarelösungen, umfassende Schulungen und die Sensibilisierung internationaler Partner. Grundsätzlich begrüßt das Unternehmen eine EU-weite Harmonisierung. Entscheidend sei jedoch, dass die Umsetzung nicht im Dickicht von Berichtspflichten steckenbleibt, sondern echten Fortschritt in den Lieferketten ermöglicht und die Wettbewerbsfähigkeit Europas stärkt.

Wichtige Eckpunkte der CSDDD (EU-Lieferkettengesetz)

Inkrafttreten: 25. Juli 2024

  • Umsetzung in nationales Recht: bis 26. Juli 2027
  • Anwendungsbereich für EU-Unternehmen (gestaffelt nach Größe):

- ab 26. Juli 2028: mehr als 3.000 Beschäftigte / mehr als 900 Millionen Euro Umsatz

- ab 26. Juli 2029: mehr als 1.000 Beschäftigte / mehr als 450 Millionen Euro Umsatz

  • Pflichten: Risikoanalyse, Prävention, Abhilfemaßnahmen, Berichterstattung
  • Sanktionen: Bußgelder, Ausschluss von öffentlicher Auftragsvergabe
  • Geltung: auch für Unternehmen außerhalb der EU mit relevanter Tätigkeit in Europa