Ausbildung: Abwärtstrend setzt sich fort

Ausbildung zum Berufskraftfahrer
Abwärtstrend setzt sich fort

Im direkten Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der jungen Leute, die bundesweit eine dreijährige Lehre zum Berufskraftfahrer  begonnen haben, wieder einmal verringert.

Lkw und Pkw auf einer Autobahn
Foto: Alev Atas/ETM

Im März gab der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die Zahlen für das Ausbildungsjahr 2015/16 gekannt. Der Abwärtstrend bei den Azubis zum Berufskraftfahrer setzt sich danach weiter fort. Tanktransporteur Stefan Weigand aus Sittensen bildet erfolgreich aus. Für Insider wie ihn sind die Zahlen nicht wirklich überraschend.

Nur noch 3.000 neue Fahrer-Azubis

Im direkten Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der jungen Leute, die bundesweit eine dreijährige Lehre zum Berufskraftfahrer  begonnen haben, wieder einmal verringert. Sie liegt jetzt nur noch knapp über der magischen Zahl von 3.000, die im deutschen Transportgewerbe erstmals im Jahr 2011 übersprungen wurde.

"Auch wir merken seit Jahren, dass es immer schwerer geworden ist, motivierte und reiselustige Lehrlinge nicht nur zu gewinnen, sondern vor allem in der Lehre zu halten", so Weigand.  Dennoch ist er mit der Ausbildungsbilanz seines Betriebes sehr zufrieden. Seit 2001 bildet Weigand Berufskraftahrer aus, um der drohenden Überalterung seiner Belegschaft, in der es kaum Fluktuation gibt, langfristig entgegenzuwirken. 20 junge Leute hat er durch die Lehre bekommen, zehn haben sie sehr bald abgebrochen, weil es sich schnell herausgestellt hat, dass sie komplett falsche Vorstellungen über den Beruf hatten.

Familiengründung sorgt für Fluktuation

Von den Fahrern, die nach drei Jahren die Prüfung bestanden haben, sind 15 im Laufe der Zeit zu anderen Firmen gewechselt. "Das lässt sich kaum verhindern", so Weigand. Die Begründung ist einleuchtend. "Sobald eine Freundin ins Spiel kommt oder sogar eine Familie gegründet wird, suchen sich die jungen Leute eine Stelle im Nahverkehr. Das können wir leider nicht bieten. Unsere Fahrer sind in der Regel von Montag bis Freitag im nationalen und internationalen Fernverkehr nach Belgien und in die Niederlande unterwegs."

Mehr Glück hatte Weigand mit Dennis Everding, der seine Ausbildung von 2007 bis 2009 bei Weigand absolvierte. Danach war Everding drei Jahre mit einem schwarzen Scania und einem silbernen Tankzug mit dem Slogan "Mit Bock aufn Bock"  im Fernverkehr unterwegs und wurde einer der Ausbildungsfahrer, die Nachwuchskräfte mit auf Tour nehmen.

Vom Fahrer zum Fuhrparkleiter

Everding wollte schließlich auch eine Familie gründen, gab im Februar 2015 schweren Herzens den Lkw-Schlüssel ab und sattelte innerbetrieblich um. Heute ist er bei Weigand Fuhrparkleiter – und zusammen mit Stefan Weigand auch für die Betreuung der neuen Azubis zuständig.

Wie die Grafik verdeutlicht, ist ein Problem der Branche immer noch die hohe Quote der Abbrecher. Auch Everding hat sich darüber Gedanken gemacht: "Das Bild des Lkw-Fahrers in der Öffentlichkeit ist immer noch schlecht", klagt Everding, "Und dann gibt es diese Fernsehsendungen wie Asphalt Cowboys, in denen meines Erachtens das Bild des Berufs völlig falsch rübergebracht wird."

Die meisten jungen Leute würden den Beruf nicht von der Pike auf lernen, sondern am liebsten gleich einen Scania V8 mit vielen Lampen haben wollen. "Was aber wirklich dahintersteckt, das sehen die Jungs dann nicht." Ausnahmen bestätigen die Regel – auch bei Weigand. Neben Everding, der aufgrund seiner Kenntnisse mit 28 Jahren einen enormen Respekt genießt, sind Weigand weitere fünf Auszubildende geblieben. "Das sind alles tolle Typen geworden", lobt Weigand, "die brennen regelrecht für den Beruf."

Viele Stationen für breite Ausbildung

Bis dahin ist der Weg der dreijährigen Ausbildung kein Zuckerschlecken. Bei Weigand durchlaufen die Azubis Stationen wie die eigene Werkstatt, die eigene Tankreinigung und die Disposition. Samstags gibt es freiwillige Rechtschreibstunden. Für eine möglichst breite Ausbildung schickt Weigand die Azubis für ein Berufspraktikum etwa zu einem nahe gelegenen Unternehmen, das Baustoffe transportiert. Mit dem Führerschein werden sie dann an der Seite der Ausbildungsfahrer langsam an das Objekt der Begierde herangeführt.

Weigand hat einen sehr exquisiten Fuhrpark für den Fernverkehr. Alle Fahrzeuge sind mit sämtlichen Assistenzsystemen und Standklimaanlage ausgestattet, ein Kühlschrank ist selbstverständlich. Neuerdings haben sie auch firmenseitig direkt ein TV-Gerät – auch um zu verhindern, dass die Fahrer selbst in die Elektronik eingreifen.

Ansporn: Fahrt nach Osteuropa

Jeder Fahrer, der ein festes Auto hat, darf dieses mit seinem Namenszug auf der Tür "individualisieren". Das alles ist natürlich für einen Azubi, der den Beruf wirklich leben will, die Krönung. "Manchmal machen wir für unsere festen Kunden auch Sondertouren nach Südeuropa, bei denen wir unter normalen Umständen mit den Wettbewerbern aus Osteuropa gar nicht mithalten können", so Weigand. "Die nutzen wir dann oft als Ansporn für unsere Lehrlinge. Das zieht immer noch. Aber es ändert nichts an der Tatsache, dass wir in Zukunft im ersten Schritt überhaupt an neue Interessenten kommen müssen."
Aus der Initiative "Pro Lkw", die Weigand mitgegründet hat, ist er wieder ausgestiegen. Die Arbeit für die drei Fahrertage, die man auf dem Autohof Sittensen ausgerichtet hat, ist bei wenigen Unternehmen hängen geblieben. Nun laufen Versuche, über die örtlichen Schulen den Beruf des Lkw-Fahrers zu bewerben. Aber zu viele junge Leute würden heute aufs Gymnasium gehen. "Und die Konkurrenz um lernbereite und motivierte Auszubildende ist groß", so Weigand. "Hier in der Region haben wir viel Industrie. Gegen die Aussichten auf eine Lehre bei Airbus oder Daimler können wir nicht wirklich mithalten."

Das Unternehmen

  • Weigand Transporte wurde 1971 durch Wolfgang Weigand gegündet. 2004 übergab er den Betrieb zu gleichen Teilen an seine beiden Söhne Stefan und Karsten
  • Flotte bestehend aus 43 ziehenden Einheiten sowie 55 Aufliegern. 70 Mitarbeiter, davon 48 Fahrer. Jährlicher Umsatz rund 8,5 Millionen Euro
  • Schwerpunkt ist der Transport von technischen Ölen und Fetten in Deutschland sowie nach Benelux