Der normale Gütetermin vor einem Arbeitsgericht ist in der Regel ein kurzer Prozess. Das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist zerrüttet. Meist geht es um eine Abfindung und ein vernünftiges Zeugnis. Im Takt von zehn Minuten werden die Termine abgearbeitet. Doch an diesem Donnerstag Ende Oktober erkennt die Richterin im Justizzentrum Aachen, dass sich der Kläger nicht einfach abspeisen lassen will.
Drei Abmahnungen in vier Monaten hat Lkw-Fahrer Wolfgang Schwarz bekommen. Schwarz ist nicht sein richtiger Name. Wir sollen seine Identität schützen. Er fährt seit 1979 Lkw, seit 2003 bei dem tarifgebundenen Unternehmen, gegen das er klagt. In seinem ganzen Berufsleben zuvor hat er noch nie eine Abmahnung erhalten. Er ist augenscheinlich ein Profi. Schwarz will nun vor Gericht durchsetzen, dass er sich an das Arbeitszeitgesetz halten kann. Aber das scheint für manche Tansportunternehmen ein rotes Tuch zu sein.
Bereitschaftszeiten müssen bekannt sein
Ist Warten auf die Beladung Arbeitszeit, Bereitschaft oder gar Pause? Sowohl in Paragraf 21 a des Arbeitszeitgesetzes als auch im Manteltarifvertrag des Verbandes VVWL in Nordrhein-Westfalen heißt es dazu: "Bei Bereitschaftszeiten müssen deren voraussichtliche Dauer dem Fahrpersonal im Voraus oder spätestens unmittelbar vor dem tatsächlichen Beginn bekannt sein und mindestens 15 Minuten betragen." Auf dem Papier liest sich das gut, in der rauen Wirklichkeit der Logistik ist es meist Makulatur. Die verladende Wirtschaft sitzt am längeren Hebel, sie kümmert sich nicht um Arbeitszeitgesetze, sie lässt die Lkw ihrer Frachtfüher so lange warten, wie es ihnen passt. Für jeden Frachtführer, der sich beschwert, stehen drei andere vor der Tür – zunehmend aus Osteuropa, wo es nach Recherchen des Verbandes der Transportbranche Camion Pro gar keine Arbeitsrechtskultur gibt.
diesen Druck geben die Speditionen an die Fahrer weiter. Wer das Spiel nicht mitmacht, was die meisten Fahrer aber in der Regel tun, auch aus Angst, den Job zu verlieren, spürt die Repressalien. Fahrer, die schon in der Probezeit versuchen, sich ans Arbeitszeitgesetz zu halten, werden meist ohne Angaben von Gründen wieder entlassen. Schwieriger wird es bei langjährigen Mitarbeitern wie Schwarz, die nicht mehr bereit sind, ständig den Schwarzen Peter zu bekommen. In drei Fällen hat er minutiös aufgeschrieben, wie er wann seinen Tacho gemäß Arbeitszeitgesetz eingestellt hat, als er mit einem Spezialtransporter in einem Werk auf seine Ladung gewartet hat, ohne dass man ihm dort einen konkreten Ladetermin genannt hat. Dafür hat er jedes Mal eine Abmahnung kassiert. Im ersten Fall steht dort sogar drin, er hätte den Tacho "zwischen Entladung und Beladung auf Pause stellen müssen". Pikant: Der gegnerische Anwalt hat damit argumentiert, dass Schwarz ja umfangreich geschult worden sei, den Tacho korrekt zu bedienen.

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