Fahrer vor Gericht: Modell gestanden

Fahrer vor Gericht
Modell gestanden

Wie demonstriert man dem Richter, wie eine Kaltfräse einen Kipper belädt? Am besten mit einem Modell.

Modell gestanden
Foto: Thomas Küppers

Seinen Kipper soll Horst* um 6,75 Prozent überladen haben. "Kleinkram", sagt Horst und ist sich keiner Schuld bewusst. Er fährt meist im Straßenbau. Am fraglichen Tag war er eingesetzt, um auf der A  4 den abgefrästen Fahrbahnbelag abzutransportieren. Horst erklärt mir, dass er hierbei keinerlei Einfluss auf die Lademenge habe. Vertrauen sei angesagt. Er sei demjenigen, der auf der Kaltfräse sitzt, praktisch ausgeliefert. Er wisse auch nicht genau, ob gerade der Unterbau oder der Asphalt aufgeladen werde. Beides habe ein unterschiedliches Gewicht und Volumen. Er könne deswegen aus der Menge dessen, was er auflädt, kaum einen Rückschluss aufs Gewicht ziehen. Außerdem sei sein Kipper vollluftgefedert. 6,75 Prozent seien da nichts, das Fahrverhalten bliebe absolut gleich, betont Horst, als er mir in der Autobahnkanzlei Mellingen gegenübersitzt. Also lege ich Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein.

Der Fachmann hilft aus

Plausibel klingt das schon, was Horst mir erzählt hat, aber der Richter muss überzeugt werden. Wie so oft geht es um besondere Tatumstände. Der Fall muss als Einzelfall, der vom gesetzlichen Regelfall abweicht, dargestellt werden – und das überzeugend. Zuerst mache ich mich auf zu Jochen Deppe vom Truckstore in Erfurt. Jochen kennt sich mit Mercedes-Lkw bestens aus. Da macht ihm so schnell keiner was vor. Ich will von ihm bestätigt haben, dass die Luftfederung verhindert, dass sich das Fahrverhalten bei dezenter Überladung deutlich verändert. Ungefähr eine Stunde dauert der Nachhilfeunterricht zum Thema Lkw-Federung. Danach bin ich schlauer und habe eine schriftliche Bestätigung in der Hand. Was Horst zu diesem Thema gesagt hat, ist demnach absolut richtig.

Als nächstes nehme ich mit dem Arbeitgeber Kontakt auf. Der ist ausgesprochen hilfsbereit. Ich bitte ihn, einen Lkw zur Verfügung zu stellen, den wir in der Nähe des Amtsgerichts Stadtroda – sozusagen für den Fall der Fälle – bereitstehen haben. Horsts Chef stimmt sofort zu. Ihn nervt das Verfahren gegen seinen Mitarbeiter auch ziemlich und er spielt mit. In zwei Wochen ist der Gerichtstermin. Das kann er so disponieren, sagt er. Top! Ich freue mich schon darauf, dem Richter aus Stadtroda anzubieten, sich in den Lkw zu setzen. Ich will dem Juristen damit demonstrieren, dass Horst vom Fahrersitz aus die Höhe der Ladung auf dem Kipper gar nicht sehen konnte.

Aber mir fehlt noch ein Baustein, um das Gericht zu überzeugen. Ich will dem Richter die Zusammenarbeit zwischen Kaltfräse und Kipper demonstrieren. Am besten dürfte das gelingen, wenn ich den Fräs- und Beladevorgang irgendwo auf einer Baustelle filme. Ich wende mich an die Firma Zeppelin Baumaschinen. Mist, die haben in Deutschland, wie sie mir mitteilen, keine Kaltfräsen. Der Arbeit­geber von Horst weiß auch nicht, wo gegenwärtig im Autobahnbau mit Kaltfräsen gearbeitet wird. Die Firma Kutter soll ein Spezial­unternehmen in diesem Bereich sein. Ich rufe dort an.

Auch hier sind die Mitarbeiter sehr hilfsbereit und wollen mir ­wenigstens ein Foto von einer Kaltfräse schicken. Aber das reicht mir nicht. Ich muss dem Richter irgendwie den Vorgang demonstrieren können. Richtern geht es wie allen anderen Menschen auch: Was sie mit den Augen wahrnehmen, nehmen sie besser auf als eine mündliche Erklärung. Außerdem soll der ­Richter spüren, dass wir uns mit der Vorbereitung der Verhandlung Mühe gegeben haben. Auch das kann ausschlaggebend für den Ausgang eines Verfahrens sein. Wie gesagt: Richter sind eben auch nur Menschen und psychologisch genauso zu erreichen wie alle anderen auch.

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