US-Elektro-Reisebusse: Elektrische First-Mover

US-Elektro-Reisebusse
Elektrische First-Mover

In den USA kommen immer mehr Elektro-Reisebusse auf den Markt – und sie werden gekauft! Wir haben uns auf der UMA in Long Beach einen Überblick verschafft.

Elektrische First-Mover
Foto: MCI

Elektrobusse sind in aller Munde und werden immer häufiger verkauft. Das stimmt in Europa genauso wie in den USA – zumindest wenn es um Stadtbusse geht, die auch in der neuen Welt fast 50 Prozent der Neuzulassungen ausmachen.

Sobald die Rede aber vom Überland- oder gar Reiseverkehr ist, werden die Busbauer schnell still und verweisen auf zu geringe Nachfrage und die ferne Zukunft. So stellte Daimler Coaches North America auf den beiden wichtigen Messen zu Beginn des Jahres erstmals einen Mercedes-Reisebus vor, der mit dem umfangreichsten Sicherheitspaket aufwartet, das es in den USA derzeit gibt. Aber zum Thema Elektrifizierung: kein Wort, kein Zeitplan – einfach nichts. Man freut sich, überhaupt wieder ein wettbewerbsfähiges Produkt zu haben. Und in Europa? Da heißt es auf Nachfrage, frühestens Ende der Dekade werde der Reisebus elektrifiziert. Begründung: keine Nachfrage und keine ausreichende Förderung. Man lernt eben eher ungern aus den Fehlern der Vergangenheit. Das sieht in den USA schon anders aus, getrieben durch die massive Nachfrage im Sonnenstaat Kalifornien und der hier angesiedelten Big-Tech-Unternehmen Google, Amazon, Facebook, Apple und Co.

THW
Brent Maitland, Vice President Sales und Marketing, Motor Coach Industries (MCI): "Viele Kunden merken, dass sie gar nicht für jeden Einsatzzweck 800 Meilen Reichweite brauchen und nehmen ein paar Elektro-Coaches in den Fuhrpark."

"Wir haben unsere komplette Modellpalette elektrifiziert," berichtet daher Brent Maitland, Vice President Private Sector Sales und Marketing bei Motor Coach Industries (MCI), das zum New Flyer Industries (NFI) Konzern gehört, der unlängst auch den schottischen Busbauer Alexander Dennis erworben hat. "Der Grund liegt erstens darin, dass Kalifornien verlangt, emissionsfreie Fahrzeuge anzubieten, und zweitens viele der Big Tech-Unternehmen starke Corporate Social Responsibility Standards haben und stark in Richtung Zero Emission gehen." Ab 2040 dürfen laut der Innovative Clean Transit (ICT) Regulation der mächtigen kalifornischen Luftreinhaltungsbehörde Carb nur noch emissionsfreie Flotten betrieben werden. "Zudem benötigen die Werkverkehrs-Einsätze, die gefahren werden, nicht viel Gepäckraum, was ja leider oft der Trade-off beim Elektro-Reisebus ist", erklärt Maitland. Wir erinnern uns da an den ersten Van Hool CX45e, der 2019 in Brüssel gezeigt wurde und sich bisher fast 100 Mal in den Staaten verkauft hat, obwohl er wenig mehr als zwei Kubikmeter Kofferraum bietet.

Überlandbus D45 CRT LE Charge fällt aus dem Rahmen

MCI
October 2, 2019
Photo by Scott Strazzante
Die D-Baureihe von MCI gilt in den USA als Pendler- und Transit-Bus, was nicht ganz unserer europäischen Defintion von Überlandbussen entspricht.

Ein besonders spannendes Fahrzeug hat MCI schon über 20 Mal verkauft und einen Betreiber im Norden von Los Angeles (Avta) somit zum ersten vollständig emissionsfreien Überland-Transporteur mit jährlich rund drei Millionen Passagieren gemacht. Der Überlandbus D45 CRT LE Charge, der hier konstruktiv näher am Reisebus als in Europa angesiedelt ist, fällt nicht nur antriebsmäßig aus dem streng reglementierten amerikanischen Rahmen, er ist auch einer der wenigen Busse, die aus dem gängigen US-Design und -Konzept herausfallen. Schon seine dynamische, beinahe europäische Gestalt lässt den Busfreund aufschauen. Sogar der obligate, dicke USA-Bumper fällt in der schmissigen Front kaum auf. Der Clou findet sich aber in der Wagenmitte: Die eher unübliche hintere, doppeltbreite Tür macht einem Low-Entry "Vestibül" Platz, so die wörtliche Übersetzung. Das ist eine auf dem Wagenboden untergebrachte, helle Stehfläche bis inklusive des Mittelgangs des Wagens, wo ein Rollstuhl, drei weitere Personen oder sogar ein zweiter Rollstuhl untergebracht werden können. Linkerhand führt sodann eine schmale Treppe in den Fahrgastraum. Im Falle einer Evakuierung dürfte diese Art der Barrierefreiheit deutlich allen anderen Versionen überlegen sein.

Der typischerweise 45 Fuß (13,71 Meter) lange Wagen kann maximal 54 Personen befördern und hat mit seinem NMC-Batteriepaket von Xalt (seit 2019 mehrheitlich eine Freudenberg-Tochter) mit 369 kWh Kapazität eine Reichweite von rund 170 Meilen (272 Kilometer). Das reicht auch im Land der unbegrenzten Horizonte für so manchen Einsatzzweck. Der höher angesiedelte Reisebus-Hochdecker J4500 Charge schafft mit seinem 544 kWh Batteriepaket sogar rund 230 Meilen (368 Kilometer). Beide Busse werden per US-typischem CCS-1-Stecker mit 150 kW in drei bis vier Stunden aufgeladen. Allerdings sieht es mit der Ladeinfrastruktur in den USA ähnlich mau aus wie in Deutschland – ein echtes Problem für Überlandbus-Betreiber.

Und wie reagieren die Kunden auf derlei elektrische Innovationen? Marketa und Zdenek Kozisek sind 2019 aus Prag übergesiedelt, wo sie im Auftrag von Flixbus den Buspartner Umbrella aufgebaut haben. Diesen Erfolg wollten sie nun wiederholen – leider kam die Corona-Pandemie dazwischen. "Wir sind im Dezember 2019 gestartet und hatten bereits 20 Fahrer eingestellt. Dann mussten wir für drei Monate völlig dicht machen. Erst im Juni 2020 konnten wir wieder loslegen und zum Glück waren alle Fahrer noch an Bord, da wir sie eher wie Familie behandeln," so Marketa Kozisek auf der UMA in Long Beach. "Wann der elektrische Bus zu uns kommt, ist schwer zu sagen, da wir viele Kilometer fahren mit unseren Bussen, durchschnittlich 90.000 Meilen pro Monat in ganz Florida. Das würde sich also nur für kurze Linien oder Nachtlinien anbieten. Wir sehen die Verantwortung für die gesamte Philosophie und das Linien- und Ladekonzept für Elektrobusse bei Flixbus. Ohne das und weitere finanzielle Incentives für uns kommt ein Elektro-Reisebus vorerst nicht in Frage!"

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