Rückblick Volvo FH 16 700: Der erste jenseits der Schallmauer

Rückblick Volvo FH 16 700
Der erste jenseits der Schallmauer

2009 ist es soweit: Kurz vor Ende des Jahrzehnts fällt die nächste Leistungsgrenze. Sagenhafte 700 PS produziert der 16-Liter-Reihensechser im Volvo FH16. Frank Zeitzen hat den Boliden erstmals getestet.

Der erste jenseits der Schallmauer
Foto: Fotograf Lars Ardarve AB, Volvo

Völlig gleichgültig, ob 40 oder 60 Tonnen – ab 1.000 Touren geht im FH16 die Post ab." So lautet damals sein markiges Fazit zum neuen Antrieb des Volvo-Flaggschiffs, obwohl ganz korrekt die volle Leistung von 700 Pferden erst bei 1.500 Umdrehungen pro Minute anliegen. Doch das Triebwerk schiebt dermaßen an, dass es soweit gar nicht kommen muss. 3.150 Nm stemmt der Motor D16G obendrein auf die Kurbelwelle. Die exakt 16,12 Liter Hubraum verteilen sich zu jeweils knapp 2,7 Liter auf sechs Zylinder – Bohrung mal Hub ist gleich 144 mal 165 Millimeter. Aus Fahrersicht sei der Motor eine erfreuliche Erscheinung. "Denn die langen Zündabstände (120 statt 90 Grad Kurbelwellenwinkel) vermitteln zusammen mit den überwiegend niedrigen Drehzahlen und dem 165 Millimeter langen Hub den Eindruck, mit einem Dampfer unterwegs zu sein." Der Motor schüttle seine Kraft mit ganz ruhigem Puls aus dem Ärmel.

"Die Steigung am Ende des Parkplatzes nimmt der FH16 genauso wenig zur Kenntnis wie die 40 Tonnen, die er ziehen muss", attestiert Frank Zeitzen. Und er nimmt gleich die Stoppuhr zur Hand: 30 Sekunden auf Tempo 80 sind tatsächlich ein Wort – aus dem Stillstand, wohlgemerkt! Doch nicht nur der Motor hat damals überzeugt. "Die Ausstattung und Einrichtung des FH16 ist generell eine Nummer feiner und nobler als im Standard-FH mit 13-Liter-Motor, der, für sich betrachtet, auch schon recht elegant daherkommt. Hier aber soll der Fahrer spüren, dass er in einem besonderen Lkw unterwegs ist." Auch äußerlich gebe es deutliche Unterschiede zum Standard-FH. Neben der selbstbewussten Zurschaustellung der magischen 700 trägt der FH16 jede Menge Chrom und hat von Volvo einen eigenständigen Kühlergrill verpasst bekommen. Dazu gehören, so Zeitzen, auch größere Lufteinlässe an der Front, um den Sechszylinder thermisch gesund zu halten.

Wer braucht überhaupt so viel Leistung?

Natürlich stellte sich schon damals die Frage nach dem Sinn solcher Leistungswerte. Die wird sich in Deutschland neben emotionalen Aspekten nur schwer beantworten lassen. Doch in Schweden sieht es ganz anders aus. So gibt es als Testexemplare für den neuen Motor nicht nur einen 40-Tonnen-Zug, sondern auch einen 60-Tonner, der in Skandinavien kein Exot ist und auch gesetzlich erlaubt. "Und der Fahrer merkt zum ersten Mal, dass der D16G ab und an arbeiten muss. Dies allerdings macht er leise und äußerst kultiviert. Die Beschleunigung gerät nicht ganz so vehement wie mit 40 Tonnen, auch die erstaunlich kräftige Motorbremse hat hier mehr Arbeit, doch auch die 60 Tonnen bringen den starken Sechszylinder nicht an die Grenzen seiner Kraft."

Zur Kür hat Volvo damals noch einen imposanten Holztransporter aufgefahren mit satten 90 Tonnen. 2009 lief gerade ein Feldversuch in Nordschweden mit solchen Kalibern. Der Zug besteht einem Motorwagen in 6x4-Ausführung und einem Zweiachs-Dolly mit Dreiachsauflieger, der wiederum einen weiteren Dreiachser aufgesattelt hat. Rund 30 Meter Gesamtlänge, 90 Tonnen Gesamtgewicht, gut 65 Tonnen Nutzlast. Pro transportierter Tonne ging man damals von einem Verbrauchsvorteil von 25 Prozent aus. Vorne zieht aber der schwächere Bruder mit "nur" 660 PS und 3.100 Nm, Volvos ehemaliger Leistungsprimus. "Jetzt erst stellt sich das Gefühl ein, dass Leistung und Gewicht zusammenpassen", resümiert Frank Zeitzen. "Denn mit Blick auf die Fahrdynamik bewegt sich der 90-Tonner wie ein ganz normaler Lastzug."Mit Blick auf die heutige Zeit muss man sich die Frage stellen, ob das Leistungsrennen so langsam doch entschieden ist. Ist es noch relevant, ob ein Lkw 750 oder 770 PS leistet? Oder will sich Volvo vielleicht doch früher oder später die Krone von Scania zurückholen? Wahrscheinlich ist aber (leider), dass beim Diesel nun tatsächlich das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Der nächste stärkste Truck wird ziemlich sicher elektrifiziert unterwegs sein. Das waren halt noch Zeiten.