Reifenhersteller Hankook: Interview mit Manfred Zoni

Reifenhersteller Hankook
Interview mit Manfred Zoni

Der koreanische Reifenhersteller Hankook nimmt die europäischen Nutzfahrzeug-Märkte in den Fokus. Manfred Zoni, Vertriebsdirektor für Lkw- und Busreifen in der DACH- Region, über die Ambitionen seiner Marke.

Interview mit Manfred Zoni
Foto: Thomas Küppers
Seit September 2016 sind Sie Vertriebsdirektor für Hankook in der Lkw- und Busreifensparte. Wie würden Sie Ihren Einstieg zusammenfassen?

Zoni: Als sehr positiv. Die Kollegen haben mich gut aufgenommen, das Team ist dynamisch und ehrgeizig. Hier wollen alle etwas bewegen, innovativ die Märkte erobern. Das macht Freude.

Was haben Sie sich für Ziele gesetzt, als Sie bei Hankook angefangen haben?

Zoni: Nach 27 Jahren bei einem großen Hersteller hatte ich gewisse Vorstellungen von meinem neuen Arbeitsplatz. Ich hatte gehofft, mich freier bewegen und schneller agieren zu können – und genau das ist eingetreten. Hankook hat sich im Lkw-Segment in den letzten Jahren besonders gut entwickelt: Mit unseren Innovationen sind wir seit 2011 bei diversen Nutzfahrzeugherstellern eingestiegen.

Wir haben es geschafft, bei Daimler und MAN homologiert zu werden. Auf der letzten IAA Nutzfahrzeuge haben wir überdies präsentiert, dass wir jetzt auch exklusiver Erstausrüstungslieferant bei Scania sind. Und wir haben noch viel vor. Wenn nach sechs Monaten die Arbeit schon getan, alles schon gesagt ­wäre, dann wäre das zu kurz gefasst. Wir haben unsere Ziele gesteckt, diese gilt es jetzt zu implementieren und umzusetzen, lokal und international.

Was wären denn mittelfristige Ziele?

Zoni: Wenn Sie Hankook heute betrachten, sehen Sie ein dynamisches Unternehmen mit einem hervorragenden Produktportfolio – im Ersatzgeschäft und in der Erstausrüstung. Die Qualität unserer Produkte ist bekannt. Doch heutzutage muss ein Premium-Reifenhersteller wie Han­kook mehr bieten als den bloßen Reifen, daher konzentrieren wir uns auf das Gesamtpaket für den Kunden. Wir sehen uns als Rundum-Service-Provider – ob es sich nun um das erste, zweite oder dritte Leben des Reifens handelt. Darüber hinaus möchten wir Themen wie die Rund­erneu­e­rung, zentrale Abrechnungssysteme, Renting, Leasing und Central Invoicing angehen.

Planen Sie auch mit weiteren Kooperationen?

Zoni: Wir sind mit diversen international renommierten Nutzfahrzeugherstellern in Gesprächen. Das Ziel ist, uns bei allen Herstellern zu platzieren. Auch im Bereich 17,5- und 19,5-Zoll-Bereifung wollen wir uns neu positionieren.

Das Thema "Letzte Meile" ist in aller Munde. Sehen Sie da eine Zukunft für Hankook?

Zoni: Wir sind dort schon jetzt bei den meisten Herstellern in der Erstausrüstung. Wir kennen die Logistiker, deren Fuhrpark sich heute im Wandel befindet. Der Markt verändert sich. Nehmen Sie den Mercedes Antos: Er ist der erste Schritt in Richtung der 19,5-Zoll-Bereifung. Wenn ich mir heute das Hankook-Portfolio anschaue und es mit denen der Mitbewerber vergleiche, macht mich unsere Entwicklung stolz. Wir haben in allen Bereichen – 17,5, 19,5 und 22,5 Zoll – eine umfangreiche Palette. Gemeinsame Flottenverträge, die das Thema Leicht-Lkw und schwere Lkw zusammenlegen, können noch mal für einen Aufschwung sorgen.

Als koreanischer Konzern müssen Sie eine große Distanz zu Europa überwinden. Wie wollen Sie die Nähe zum deutschen Kunden ausbauen?

Zoni: Wir arbeiten weltweit in fünf Entwicklungszentren. Mit OE-Kunden wie Daimler Trucks North America oder Toyota Truck hat Han­kook sich im Lkw-Bereich als globaler Hersteller etabliert. Im Moment kommen die meisten Schwer-Lkw-Reifen für Europa aus Korea, der Rest stammt aus unserem ultramodernen Werk in China. Damit die Qualität auf einem identischen Niveau verbleibt, sind unsere Fabriken gleich aufgebaut. Jede Fabrik arbeitet nach demselben Schema, alle Maschinen sind auf dem neuesten Stand. So oder so erproben wir die Lkw-Reifen für den deutschen Markt vor Ort auf Testgeländen und auf der Straße. Neben der Deutschland- und Europazentrale in Neu-Isenburg bei Frankfurt unterhalten wir in Hannover ein Entwicklungszentrum, in dem wir Lkw-seitig zu Laufleistung, Labeling, Geräuschentwicklung und Rollwiderstand forschen. Wir sind nah dran am europäischen Markt.

Auf der transport logistic waren Sie mit einem großen Stand vertreten. Was haben Sie dort vorgestellt?

Zoni: Zunächst waren wir auf der BUS2BUS in Berlin. Der Busbereich wird immer wichtiger, da haben wir ein starkes Produkt neu entwickelt, den A03+ mit verstärkter Seitenwand und breiterem und tieferem Seitenwandindikator sowie die neue Fernbusreifenlinie SmartTouring für die Rundumbereifung. Auf der transport logis­tic haben wir unsere 45er- und 55er-Serie gelauncht. Im Fokus des Messeauftritts stand auch der neue Trailerreifen SmartFlex TH31. Dieser bietet durch seinen breiten, geschlossenen Schulterbereich einen stabilen Geradeauslauf und eine gute Seitenführung. Unser nächstes großes Event ist dann der Truck-Grand-Prix – wie Sie sehen, ist Hankook im Lkw-Segment immer auf Achse und mit vollem Elan nach vorne strebend.

Welche Marktposition hat die Nutzfahrzeugsparte von Hankook in Europa und in Deutschland?

Zoni: In Deutschland sehen wir uns auf der fünften Position. Unser Ziel ist es, mittelfristig die vierte Position zu besetzen. Europaweit stehen wir auf dem sechsten Platz. Wobei das von Land zu Land unterschiedlich ausfällt. In England sind wir Marktführer im Lkw-Bereich, auch die deutschsprachigen Märkte sind stark. Aber wir haben noch Entwicklungspotenzial. Einen Lkw-Reifen zu verkaufen, ist mehr als der bloße Verkauf des Gummis. Die Beratung ist wichtig, Tonnagen und Geschwindigkeiten spielen eine große Rolle. Man muss dem Endverbraucher vermitteln, dass man einen wirtschaftlichen Reifen mit einem geringen Rollwiderstand und einer hohen Widerstandsfähigkeit hat.

Wie ist Hankook im Service aufgestellt?

Zoni: Ein zuverlässiges Netzwerk ist ein Muss. Ich brauche Service-Provider, die die Reifen montieren, demontieren und lagern können – und das, wenn nötig, direkt beim Kunden. Dafür haben wir deutschlandweit viele namhafte Partner. Wir können mit einem 24-Stunden-Pannenservice aufwarten. Der Kunde bekommt für jedes Fahrzeug eine Scheckkarte samt Hotlinenummer, die er europaweit anrufen kann. Die Mitarbeiter sprechen alle Sprachen Europas. Wir sind in der Lage internationalen Service anzubieten. Unsere Intention ist es, mit unseren Partnern weiter nach vorne zu preschen.

Ihre Konkurrenz legt großen Wert auf Value-added-Services. Viele Reifenhersteller möchten zukünftig Predictive Maintenance anbieten und auch bei der Kraftstoffeinsparung und der Routenoptimierung helfen können. Wie sieht das bei Hankook aus?

Zoni: Ich halte nichts davon, dem Endverbraucher unzählige Daten zur Verfügung zu stellen, die ihm am Ende des Tages nur wenig helfen. Ein Reifenhersteller, der die Route vorgibt, wird es schwer haben. Ich muss es vielmehr schaffen, die vorgegebenen Routen wirtschaftlich darzustellen. Unser European Headquarter erstellt aktuell eine Fuhrparkdatenbank, in der wir Daten über unsere Produkte und die der Mitbewerber sammeln. Wir arbeiten an einem Sensor im Reifen, der die Hitzeentwicklung, den Luftdruck und die Laufleistung aufzeichnet. Auf Grundlage dieser Daten kann der Spediteur mit einem gewissen Wert rechnen, um seine Kosten pro Kilo­meter zu kalkulieren – und das nicht erst am Ende der Reifenlaufzeit. Mit dieser Innovation wollen wir Mitte 2018 auf den Markt kommen.

Das Sammeln und Auswerten von Daten wird gerne als die Zukunft der Reifen tituliert, Logistik 4.0 und automatisiertes Fahren sind in aller Munde. Wohin geht die Reise im Bereich der Nutzfahrzeuge?

Zoni: Eine funktionierende Vernetzung wird immer wichtiger. Vom Produzenten bis zum Verbraucher muss offen mit Daten umgegangen werden – nur so können die Möglichkeiten der Technik genutzt werden. Nehmen wir die Reifenfabriken: Wenn ich dort auf Daten aus dem Markt zugreifen kann, kann ich just in time produzieren und muss weniger Ware weniger lange lagern. In diesem Bereich wird es zu tiefgreifenden Veränderungen kommen. Auch das autonome Fahren ist ein Thema. Auf der Autobahn ist ein führerloser Lkw für mich vorstellbar, aber sobald der Wagen die Ausfahrt nimmt, wird wieder ein Mensch das Steuer übernehmen müssen. Grundsätzlich wird das für uns als Reifenhersteller keine großen Auswirkungen haben – der Reifen wird kaum weniger beansprucht, wenn der Lkw selbstständig lenkt und bremst. Der Einzug der Logistik 4.0 dagegen ist schon zu spüren. Der Lkw muss nach unten, das Ladevolumen maximal vergrößert werden – daher der Trend hin zu den schmalen Reifenquerschnitten der 55er-, 50er- und 45er-Serien.

Zur Person

Seit 2016 verantwortet Manfred Zoni bei Hankook als Sales Director Truck das Ersatzteilgeschäft und betreut die Trailerhersteller. Er will die Zukunft der Marke in der DACH-Region gestalten und Hankook im Lkw-Segment weiter nach vorne bringen. Als Key Account Manager ist Zoni vor 27 Jahren bei Pirelli Österreich eingestiegen, übernahm dann den Vertrieb im Lkw-Segment. Nach drei Jahren widmete er sich dem Aufbau des Vertriebs in Osteuropa, 2002 folgte der Wechsel in die DACH-Region. 2015 übernahm Zoni die Geschäftsleitung von TP Industrial, dem ersten ausgegliederten Bereich von Pirelli Lkw.