Nein, leider noch nicht. Ich würde den Lkw-Führerschein gerne machen, aber die Lücken in meinem Terminkalender sind momentan nicht so groß, dass ich dies dazwischen schieben könnte. Ich bin aber schon verschiedene Lkw auf abgeschlossenen Versuchsgeländen gefahren, was mir große Freude bereitet hat. Es sind beeindruckende Fahrzeuge, keine Frage. Und mein Respekt gegenüber dem Beruf des Lkw-Fahrers ist sicherlich dadurch nochmal gestiegen.
Unsere Branche ist natürlich von der realwirtschaftlichen Entwicklung nicht entkoppelt und diese ist im Moment von einigen Risiken geprägt. Wir haben verschiedene Krisenherde in der Welt, wir haben nach wie vor gesamtwirtschaftliche Probleme in Brasilien und in Russland auf Grund von Sanktionen. In Europa sehen wir dagegen eine positive Entwicklung der Lkw-Produktion, die voraussichtlich auch im kommenden Jahr anhalten wird. Der Markt in Nordamerika ist nach einem sehr guten Jahr 2015 aktuell rückläufig. Asien hat sich im vergangenen Jahr, vor allem durch China geprägt, gegenüber dem Vorjahr nach unten entwickelt. Dennoch konnten wir speziell in China im vergangenen Jahr zulegen, Marktanteile hinzugewinnen und sehen dort auch weitere Wachstumspotenziale für uns.
Unser Joint Venture mit Dongfeng, dem größten Lkw-Bauer Chinas, ist äußerst erfolgreich. Das zeigt sich auch daran, dass wir erst jüngst einen großen Auftrag von Dongfeng bekommen haben. Das sehe ich als großen Erfolg. Auch unsere Aktivitäten in Dalian entwickeln sich sehr gut, wir wachsen deutlich schneller als der Markt.
Rund 90 Millionen Euro hat Knorr Bremse in sein neues Entwicklungszentrum investiert.
Es handelt sich dabei um die größte Einzelinvestition in der Geschichte unseres Unternehmens. Wir haben sehr bewusst ein gemeinsames Entwicklungszentrum für beide Divisionen, also Nutz- und Schienenfahrzeuge, geschaffen. Wir sind davon überzeugt, dass sich die beiden Bereiche befruchten können, wenn sie die nächsten Generationen neuer Bremssysteme entwickeln.
Nicht unbedingt: Zum einen kommen sowohl in Schienen- als auch in Nutzfahrzeugen druckluftbetriebene Bremssysteme zum Einsatz. Zum anderen findet in beiden Bereichen ein Blending unterschiedlicher Bremssysteme statt: Im Nutzfahrzeug haben wir die Motorbremse, die Auspuffklappenbremse, den Retarder und die Reibbremse. Im Schienenbereich ist es neben der Reibbremse beispielsweise die dynamische Bremse sowie die Wirbelstrombremse. Der größte Unterschied ist natürlich die Reibpaarung von Reifen und Straße beim Nutzfahrzeug und meistens Stahl auf Stahl bei der Schiene. Dennoch gibt es jede Menge Ähnlichkeiten, mit denen sich Technologie vom Schienenbereich ins Nutzfahrzeug übernehmen lässt und umgekehrt.
Wir liefern nicht erst seit gestern sondern schon seit geraumer Zeit Systeme für die Fahrerassistenz – und diese sind der Einstieg in das Automatisierte Fahren. Denken sie an ACC-Systeme, den Notbremsassistent oder Spurverlassungswarner. Wir werden konsequent auf diesem Weg weiter gehen und Systeme für das automatisierte Fahren entwickeln.
Wir werden auf der IAA einen Abbiegeassistenten präsentieren, der das Unfallrisiko beim Rechtsabbiegen in der Stadt reduzieren soll. Dieses System sensiert den entsprechenden Bereich und warnt den Fahrer vor einer drohenden Kollision. Weiter zeigen wir ein Konzept, das wir Autonomes Yard Maneuvering nennen. Mit diesem System kann sich ein Lkw vollkommen autonom auf einem abgesperrten, nicht öffentlichen Gelände bewegen, beispielsweise auf einem Speditionshof oder im Hafengelände. Wir können damit den Fahrer entlasten; er kann sich anderen Aufgaben zuwenden oder die Zeit nutzen, um seine Ruhezeiten einzuhalten. Dieses System, das mit einer Fusion von Radar- und Kamerasystemen arbeitet, ist inzwischen so weit entwickelt, dass wir Hindernisse auf dem Fahrweg detektieren und das Fahrzeug automatisch zum Halten bringen können. Wir werden den Bereich Fahrerassistenz und automatisiertes Fahren verstärkt ausbauen, haben dafür kürzlich einen fünften Geschäftsführer an Bord genommen und sind im Moment in Abstimmung mit unseren Kunden dabei, eine Roadmap mit den Funktionen zu erstellen, die wir in nächster Zeit entwickeln wollen.
Alle sprechen ja vom High-Way-Pilot, der Truck, der auf die Autobahn fährt und alles automatisch erledigt. Der wird bestimmt auch kommen, es handelt sich dabei aber um einen riesigen Schritt. All die damit verbundenen Funktionen müssen wir in „Scheibchen schneiden“, diese einzeln entwickeln und das Ganze dann wieder zusammenfügen. Dabei werden sicher auch ein Ausweich-, ein Baustellen- und auch ein Stau-Assistent mit dabei sein.
Diese Unfälle sind sehr schlimm, wir alle müssen daran arbeiten, das Unfallrisiko weiter zu reduzieren. Wir können dafür auch die Technologie zur Verfügung stellen. Bei Knorr Bremse sind Systeme in der Erprobung, die den Lkw in einer Notbremsfunktion auf ein stehendes Hindernis von 80 Kilometer pro Stunde auf null bremsen.
Es ist sicher auch weiterhin notwendig, den gesamten Komplex „Truck und Fahrer“ so weit wie möglich sicher zu gestalten. Dazu gehört eine penible Überwachung der Lenkzeiten ebenso wie eine schnelle Durchdringung der eben angesprochenen Assistenzsysteme. Das sind Dinge, die wir unterstützen müssen.
Der Gesetzgeber ist sicherlich ein wichtiger Partner. Aber wenn sie etwa nach Nordamerika schauen, setzen sich dort in großen Flotten auch Sicherheitssysteme durch, die eben nicht vorgeschrieben sind. Dort haben wir beispielsweise das erfolgreiche System Wingman Fusion unserer Marke Bendix auf dem Markt. Auch ESP setzt sich dort durch, obwohl es nicht vorgeschrieben ist. Der Grund dafür ist, dass die Fuhrparkbesitzer einfach rechnen, was sie das System kostet, wenn sie damit Unfälle vermeiden können. Es ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Zulieferern, Spediteuren, Fahrern und der Politik notwendig, um Wege und Mittel für mehr Verkehrssicherheit zu finden.
Diese Frage lässt sich immer stellen. Ich kann nur antworten, wir sind dabei, diese Systeme nicht nur unter funktionalen sondern auch unter Kosten-Gesichtspunkten kontinuierlich weiter zu entwickeln. Da haben wir einen Beitrag zu leisten und auch einiges zu bieten. Wir brauchen allerdings ein gewisses Volumen, um solche Systeme kostengünstig darzustellen.
Wir beobachten natürlich den relevanten Markt. Knorr Bremse hat in den letzten Jahrzehnten an der Marktkonsolidierung sehr aktiv mitgewirkt, die natürlich weiter geht. Wir befinden uns mit unseren drei jüngsten Akquisitionen von tedrive Steering Systems, der GT Group und dem Getriebekomponentengeschäft für On-Highway-Nutzfahrzeuge von Bosch in Japan weiterhin auf dem Weg nach vorne und sind sicher, mit diesen Übernahmen ein attraktives Portfolio sowie neue Funktionen darstellen zu können.
Wir haben in den letzten Jahrzehnten immer wieder akquiriert. Aber unser Wachstum fußt ja nicht nur auf Akquisition, sondern kommt erstmal durch organisches Wachstum und die Weiterentwicklung unserer Produkte zustande. Dass wir auf dem Weg mit unseren drei Akquisitionen nicht am Ende sind, ist auch klar. Wir werden weiterhin unsere Augen und Ohren offenhalten.
Es geht dabei also nicht darum, Umsatz zuzukaufen, der nicht mehr zu generieren ist?
Wir werden keinen Umsatz kaufen sondern Unternehmen, die zu unserem Portfolio passen, die unser Systemangebot erweitern können. Ein typisches Beispiel ist der Kauf des Lenkungsunternehmens tedrive Steering Systems. Das Thema automatisiertes Fahren verändert die Branche, Bremse und Lenkung passen dabei perfekt zusammen. Das sind die Kernfunktionen, um ein Fahrzeug fahrdynamisch zu kontrollieren. Aus diesem Grund ist die Lenkung eine logische Ergänzung, mit der wir den Marktzugang von tedrive und den weltweiten Footprint von Knorr nutzen können. Da bietet tedrive ein attraktives Umfeld. Auf der anderen Seite können wir mit der Komponente „Lenkung“ als elektrohydraulische Überlagerungslenkung von tedrive automatisierte Fahrfunktionen darstellen und somit unser Systemangebot wiederum erweitern.
Wir werden ein komplett neues System für die elektronische Bremse namens Global Scaleable Brake Control (GSBC) vorstellen. Es handelt sich dabei um ein skalierbares System für ABS- und EBS-Anwendungen. Durch die Skalierbarkeit bietet dieses System einerseits die Möglichkeit, den verschiedenen Marktanforderungen zu genügen, obwohl es auf einer Plattform basiert. Andererseits sind damit deutlich geringere Applikationsaufwendungen notwendig als bei den Vorgängersystemen. Zudem ist GSBC als Basisplattform für Funktionen des automatisierten Fahrens entwickelt.
Dazu gehört eine neue Scheibenbremse, die die von unseren Kunden geforderten Zuspannkräfte realisiert. Und dies bei einem deutlich geringeren Gewicht, mit dem sich bis zu 16 Kilogramm im Truck einsparen lassen. Verbunden mit speziellen Scheiben und anderen Teilen kann die Gewichtseinsparung schnell auch doppelt so viel betragen. Vom Aufbau her bietet sie alle Voraussetzungen, mit weiteren Sensoren und Aktuatoren versehen zu werden, die für erweiterte Funktionen im Bereich des automatisierten Fahrens oder der zustandsbasierten Wartung (Condition Based Maintenance) erforderlich.
Vorausschauende Wartung ist ein gutes Stichwort. Dieses Thema wird ganz klar kommen. Hier befinden wir uns im intensiven Dialog mit unseren Partnern, nicht nur was die Komponente an sich angeht sondern auch bei der Frage, wie die Daten vom Fahrzeug in die Werkstatt kommen und wer die Daten für weitere Dienstleistungen nutzt.
Wir haben inzwischen über 210 Werkstätten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien, die sich vertraglich an Alltrucks gebunden haben. Die Niederlande kommen jetzt hinzu, so dass wir das Konzept schrittweise über Europa ausrollen können. Was bei unseren derzeitigen Partnern sehr gut ankommt ist das Thema Mehrmarken-Diagnosesysteme.
Ein Schwerpunkt auf der IAA wird natürlich auch das Thema Trailer sein. Was wir mit unserem Informations- und Bedien-System für den Trailer neu zeigen werden, ist die kabellose Verbindung von iTAP mit einer Kamera, beispielsweise zur Laderaumüberwachung oder für den Blick hinter das Fahrzeug.
Wir bekommen ein sehr positives Feedback von unseren Kunden, sowohl für die Überwachungs- und Bedienfunktionen als auch für die Kamerafunktion.
Für System-Zulieferer wie Knorr Bremse ist der IT-Bereich inzwischen zu einem weiten Feld gewachsen, das enorme Herausforderungen mit sich bringt.
Wenn die sogenannte Wartung nach Bedarf kommt, ist das ein typisches Cloud-Thema. Darauf bereiten wir uns vor. iTAP ist ein weiteres Beispiel mit seiner Funktion FleetRemote. Sicherlich wird die diesjährige IAA neben der Fahrerassistenz und dem automatisierten Fahren auch von der Telematik dominiert sein, und die geht ebenfalls in diese Richtung.
Wir werden beim Datenmanagement hinsichtlich sicherheitsrelevanter Systeme keine Kompromisse machen. Wir sind hundertprozentig konform mit den Richtlinien für sicherheitsrelevante Systeme im Fahrzeug, entwickeln diese nach den entsprechenden Standards und das gilt auch für die Schnittstellen.
Wir halten uns an die vorgegebenen Richtlinien, um Gefahren, soweit es menschenmöglich ist auszuschließen. Das bedeutet, dass wir für die Entwicklung der einen oder andere Funktion etwas länger brauchen, weil wir die Dinge gemäß der relevanten Normen und Spezifikationen prüfen. Aus diesem Grund können wir auch nicht, wie oft gewünscht, manche Signale auf den öffentlich zugänglichen CAN-Bus im Lkw legen.
Letztendlich ist damit ja eine Vernetzung von Dingen gemeint, die lokale Informationen senden und empfangen können. Das spielt für uns sowohl im Produkt- als auch im produktionstechnischen Umfeld eine Rolle. Das wird ebenso beim sogenannten Platooning relevant sein, das ja auf der Car-to-Car-Kommunikation basiert. Produktionstechnisch können wir damit eine Vernetzung von der Sublieferantenkette bis hin zu unseren Kunden durchführen und so die Logistik weiter optimieren. Die Themen Mensch-Maschine-Kooperation oder Wartung bei Bedarf gehören ebenfalls dazu – das Feld ist groß. Es stellt uns vor enorme Herausforderungen, bietet aber auch viele Möglichkeiten. Wir sehen dies als Chance!
Zur Person
- Diplomingenieur mit Schwerpunkt Maschinenbau, Studium in Schweinfurt und Stuttgart
- Berufliche Stationen am Fraunhofer Institut (IPA) in Stuttgart, bei Continental in Frankfurt und Tokio, bei Osram Licht in München und Benteler International in Salzburg
- Seit 2016 bei Knorr-Bremse als Vorstandsmitglied für die Nfz-Systeme weltweit verantwortlich