Karin Rådström exklusiv im Interview: Die Pläne der neuen Mercedes-Lkw-Chefin

Karin Rådström exklusiv im Interview
Die Pläne der neuen Mercedes-Lkw-Chefin

Die neue Chefin von Mercedes-Benz-Lkw, Karin Rådström, über die Potenziale des eActros, Renditeziele, Lieferengpässe und die Ausgliederung der Truck-Sparte bei Daimler.

Die Pläne der neuen Mercedes-Lkw-Chefin
Foto: Daimler Trucks & Buses Communications
Frau Rådström – seit fünf Monaten nun sind Sie für die Geschicke von Mercedes-Benz-Lkw verantwortlich. Wie ist der Start verlaufen?

Rådström: Ich bin sehr glücklich, in Stuttgart zu sein. Es war aufgrund des besonderen Umfelds ein sehr spezieller Start. Mit meiner Familie bin ich im Januar hergezogen und musste meine Kinder dann gleich mit Homeschooling in der neuen Heimat vertraut machen. Das war schon eine Herausforderung. Aber nun haben sich Arbeit und Privates etwas eingespielt.

Gleichzeitig haben Sie bei Daimler in einer Phase begonnen, in der die Abspaltung des Nutzfahrzeuggeschäfts vom Konzern verkündet wurde. War das nicht etwas viel auf einmal?

Das war in der Tat viel auf einmal. Ich habe am Montag begonnen, und bereits am Dienstag wurden die Pläne für die Ausgliederung der Nutzfahrzeugsparte verkündet. Die Vorbereitungen darauf bedeuten logischerweise eine gewisse Mehrarbeit. Da der Tag nur 24 Stunden hat, gilt es, Prioritäten setzen. Ein wenig Zeit gewonnen haben wir ja durch die Einschränkungen beim Reisen, sodass ich mich in Stuttgart auf die Hauptthemen konzentrieren kann. Die Pläne sind ehrgeizig, Ende des Jahres soll das Spin-off vollzogen sein.

Wie stehen Sie zu den Plänen?

Die Ausgliederung bringt für Daimler positive Effekte. Vorteile sehen wir bei unseren Händlern und Werkstätten, die sich nun noch besser auf ein Geschäft und eine Zielgruppe konzentrieren können. Dadurch rücken sie näher an die Kunden.

Eine Differenzierung zwischen Pkw, Vans sowie Trucks und Bussen ist für die Mitarbeiter wichtig, weil sie sich gedanklich voll auf ein Geschäftsfeld einlassen können. Vielleicht ergeben sich auch Standort-Veränderungen, da Nutzfahrzeug-Niederlassungen nicht in Stadtzentren, sondern in Gewerbegebieten oder der Nähe von Bundesstraßen angesiedelt sein sollten. Die Ausgliederung der Truck-Sparte allein ist aber noch kein Erfolgsgarant, wir brauchen unsere gesamte Mannschaft, um unsere Kunden noch besser zu verstehen.

Noch nicht am Ziel sind Sie auch mit Blick auf die Profitabilität. Hier gilt Ihr ehemaliger Arbeitgeber als Benchmark der Branche. Wo möchten Sie mit Mercedes-Benz-Lkw hin?

Die Profitabilität ist noch nicht auf dem Level, wo sie sein könnte. Doch wir können eine Menge tun, um sie positiv zu beeinflussen – auf der Kostenseite als auch auf der Umsatzseite. Es gilt nun die entsprechenden Themen zu adressieren. Ich bin guter Dinge, dass wir die gewünschten Fortschritte erzielen werden: Daimler Truck ist die Nummer 1 in fast allen Kernmärkten und hat einen klaren Zukunftsplan bei Null-Emissions-Fahrzeugen.

Wo wäre bei der Rendite denn das Wunschlevel?

Unser Ziel ist eine zweistellige Umsatzrendite bei Daimler Truck unter guten Marktbedingungen. Daran arbeiten wir in allen Bereichen. Ende Mai anlässlich des Daimler Truck Strategy Day haben wir unsere finanziellen Ziele ja klar aufgezeigt.

Landauf, landab kämpfen die Hersteller mit den Folgen der Corona-Krise und nun auch mit Lieferengpässen. Wie sehr ist Daimler Truck davon betroffen?

Zum Glück verfüge ich über eine entsprechende Ruhe und Gelassenheit. Sonst könnte man verrückt werden, wenn man sich anschaut, was sich gerade auf dem Markt abspielt. Daimler hat wie die anderen Hersteller auch mit Engpässen zum Beispiel bei Halbleitern zu kämpfen. Wir sind im ständigen Austausch mit unseren Lieferanten und arbeiten mit Hochdruck daran, die Auswirkungen für unsere Kunden so gering wie möglich zu halten.

Welche Folgen ergeben sich für die Lieferzeiten?

Das lässt sich schwer verallgemeinern, sondern hängt immer von mehreren Faktoren ab. Generell versuchen wir trotz der Besonderheiten am Markt so viel wie möglich zu produzieren. Das Auftragsbuch ist voll.

Ab Oktober nehmen Sie auch Bestellungen für den eActros entgegen. Wie sind die Erwartungen?

Die Erwartungen an unseren ersten Null Emission-Lkw in Serienproduktion sind hoch. Wir werden im Oktober mit der Produktion beginnen und sie dann schrittweise hochfahren. Aktuell ist es aber schwer, eine belastbare Prognose zu treffen. Noch haben wir ja keine Bestellungen angenommen.

Und wie fallen die Erwartungen speziell bezogen auf Deutschland aus?

Hier sind die Erwartungen deutlich höher als in anderen Märkten. Deutschland ist ein großer E-Mobilitätsmarkt, der auch von der Regierung eine entsprechende Unterstützung erfährt.

Der eActros ist um ein Vielfaches teurer als ein konventioneller Verteiler-Lkw. Wie wird trotzdem ein Business Case daraus?

Indem man sich die Gesamtbetriebskosten und nicht nur die Anschaffungskosten anschaut. In der Anschaffung rechnen wir mit dem Faktor 3 gegenüber einem Diesel-Lkw. Der Betrieb ist jedoch deutlich günstiger, zusätzlich gibt es durch die Mautbefreiung und ein Förderprogramm erhebliche staatliche Anreize.

Braucht es eigentlich noch einen GenH2 Truck, wenn Sie mit dem eActros auf 400 Kilometer Reichweite kommen und mit dem späteren eActros LongHaul möglicherweise auf 800 Kilometer?

Wir sind davon überzeugt, dass es für die unterschiedlichen Einsatzzwecke beide Konzepte braucht. Die Brennstoffzelle bringt nicht nur höhere Reichweiten, sondern auch eine höhere Nutzlast. Und sie ist wegen der hohen Reichweiten weniger abhängig von einer engmaschigen Tankinfrastruktur.

Zur Person

  • Karin Rådström ist seit Februar Mitglied des Vorstands bei Daimler Truck und verantwortlich für die Marke Mercedes-Benz-Lkw
  • Die Schwedin war zuvor seit 2004 bei Scania, wo sie als Trainee begann und zuletzt unterschiedliche Führungsfunktionen bekleidete.
  • Die 42-Jährige studierte Industrial Management an der Königlichen Technischen Hochschule in Stockholm. Die ehemalige Leistungssportlerin im Rudern wohnt seit Jahresbeginn mit ihrer Familie (zwei Kinder) im Raum Stuttgart.