Stenqvist: Ich möchte den Semi nicht im Detail analysieren. Aber ich denke, es ist fair zu sagen, dass man seine Präsentation nicht mit einer traditionellen Markteinführung gleichsetzen kann. Heute ist der Lkw nicht erhältlich, auch wenn man den Truck schon reservieren kann. Es handelt sich also mehr um eine Vorpremiere. Die größte Herausforderung, die von jedem angegangen werden muss, der batterieelektrisch den Fernverkehr bedienen möchte, ist sicher die Performance und die Energiedichte der Batterien – das ist der "secret key".
Aber auch die Lebensdauer ist eine Herausforderung. Wenn man derart kostenintensive Akkus baut, muss man sicherstellen, dass sie über einen langen Zeitraum performen. Man kann sie nicht einfach alle zwei Jahre ersetzen. In diesem Zuge muss man auch das Laden der Batterien betrachten. Wenn man kurze Ladezeiten realisieren möchte, muss man mit starker Energieleistung arbeiten. Da ist die Frage, welche elektrische Verbindung man wählt. Nutzt man eine Art von Kühlung? Denn man wird sehr wahrscheinlich ein Hitzeproblem bekommen. Eine Batterie pfleglich zu behandeln, heißt, auf sie an Bord des Lkw, aber auch in der Ladesituation zu achten. Am Ende muss man die nötige Lebensdauer einer derart kostenintensiven Batterie einfach garantieren können.
Stenqvist: Ich denke, der Semi ist ein gesunder Beitrag zur aktuellen Diskussion. Was die nahe Zukunft betrifft, glauben wir als Volvo Group mehr an die Möglichkeiten des Verbrennungsmotors in Verbindung mit der Hybrid-Technik, sodass man, wo es nötig ist, rein elektrisch fahren kann. Da sehe ich eine Nachfrage von vielen Kunden in vielen verschiedenen Teilen der Welt. Beim rein batterieelektrischen Fernverkehr sehen wir einen weniger großen Bedarf. Die Kunden werden das in Erwägung ziehen, wenn damit ein besserer TCO-Wert machbar ist. Aber der Wunsch, die letzte Meile rein elektrisch fahren zu können, wird größer. Für mich ist das der natürliche nächste Schritt.
Stenqvist: Ich glaube definitiv daran, dass wir auf ausgewählten Straßen elektrifizierte Autobahnen bekommen werden. Nicht flächendeckend in den USA, Europa oder China, aber auf bestimmten Verbindungspassagen – auf Nord-Süd- und Ost-West-Trassen beispielsweise. Dann glaube ich auch, dass auf diesen Strecken bestimmte Lkw verkehren werden, die eine relativ kleine Batterie an Bord haben, um zu nah an den Autobahnen gelegenen Logistikzentren zu kommen. Das ist aus finanzieller, aber auch aus umweltpolitischer Sicht sinnvoll. Denn es ist finanziell wie umweltpolitisch nicht ganz unkritisch, riesige Batterien zu fertigen, um damit rein elektrisch im Fernverkehr zu fahren.
Stenqvist: Nein. Wir werden einen Mix aus batterieelektrischen Vehikeln bekommen, die beispielsweise den Regionalverkehr bedienen, und aus Hybrid-Fahrzeugen, die in naher Zukunft den Fernverkehr managen. Hier sind elektrifizierte Autobahnen vorstellbar, bei denen die Fahrzeuge während der Fahrt aufgeladen werden. Wir testen derzeit beide Varianten, die Oberleitungs-Lkw und Ladesysteme, die in die Straßenoberfläche eingebaut sind. In der fernen Zukunft glaube ich dann absolut auch an batterieelektrische Lösungen im Fernverkehr. Was die Energiedichte und die Kosten betrifft, ist die aktuelle Entwicklung in der Batterie-Technologie sehr beeindruckend.

Stenqvist: Doch, absolut.
Stenqvist: Bald. (Amerk. d. Red.: Kurz vor Redaktionsschluss hat Volvo Trucks den Marktstart eines elektrifizierten Verteiler-Lkw für 2019 angekündigt.) Für uns ist das ein logischer Schritt. Schon als wir die Busse gestaltet haben, haben wir uns dafür entschieden, ein modulares Konzept zu kreieren. So können wir Komponenten der Busse in den Lkw wieder verwenden. Daneben können wir auf unsere Kompetenz, unser Know-how in diesem Bereich zurückgreifen. Wir hätten einen derartigen Lkw schon vor ein paar Jahren einführen können, aber wir sahen keine Nachfrage. Heute sehen wir einen Bedarf, es entsteht ein Business Case für unsere Kunden. Auch im Zuge der Diskussion um Dieselfahrverbote in Städten. Denn in diesem Fall geht es dann nicht mehr um die Total Costs of Ownership (TCO), sondern um die Frage, ob man überhaupt fahren darf oder eben nicht.
Stenqvist: Wenn der für die Herstellung nötige Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, ist das eine sehr interessante Sache. Es gibt keinen Zweifel daran, dass flüssiger Kraftstoff im Vergleich zu einer Batterie einen enormen Vorteil bei der Energiedichte hat. Wenn man hier einen industriellen Ansatz findet, der es erlaubt, große Mengen E-Fuels aus Öko-Strom herzustellen, wäre das eine fantastische Lösung. Wenn das funktioniert, könnte das heißen, dass der Verbrennungsmotor eben nicht am Ende ist – sondern auch eine Lösung für die Zukunft. Aber: Bis zur industriellen Produktion von E-Fuels ist es noch ein langer Weg.

Stenqvist: Aktuell planen wir nicht, neben FM und FH einen weiteren LNG-Lkw zu entwickeln. Das Prinzip auf kleinere Motoren zu übertragen, wäre allerdings sicher nicht schwer umzusetzen. Für den Einsatz leichterer Lkw im urbanen Bereich, wie zum Beispiel im Verteiler-, Entsorgungs- und Bauverkehr, bieten wir den FE mit CNG-Antrieb an.
Stenqvist: In den USA sehen wir im Moment ein begrenztes Interesse an LNG. Doch das Interesse, den CO2-Ausstoß pro Tonnenkilometer weiter zu reduzieren, ist riesig. Wir haben dort schon heute klare CO2-Vorgaben, die auch in Europa kommen werden.
Zur Person
Seit Oktober 2016 ist Lars Stenqvist als Chief Technology Officer (CTO) und Executive Vice President Group Trucks Technology bei der Volvo Group tätig. Der 1967 geborene Wirtschaftsingenieur war zuvor CTO und Leiter der Forschung und Entwicklung von Volkswagen Truck & Bus. Seine Karriere begann Lars Stenqvist im Jahre 1992 bei Scania. Dort war er zunächst in verschiedenen leitenden Positionen tätig, im Jahre 2007 wurde er dann zum Senior Vice President Vehicle Definition R&D berufen.