Witzig: Die Entwicklungsziele für CeTrax lassen sich zu den Schwerpunktthemen höchster Wirkungsgrad, ausreichende Performance auch für anspruchsvolle Anwendungen – sowohl aus dem Bus- wie auch aus dem Verteiler-LKW-Bereich – mindestens gleiche Zuverlässigkeit und Lebensdauer wie konventionelle Antriebe, Kostensensitivität sowie kurze Entwicklungszeit zusammenfassen. Daraus ergeben sich verschiedene Randbedingungen für die Entwicklung. Wir haben beispielsweise mit dem Asynchronmotor (ASM) in der Entwicklung angefangen, weil wir das Konzept aus dem Nutzfahrzeugbereich und den laufenden Hybridaktivitäten bereits gut kennen und es unserer Meinung nach auch viele Vorteile bietet. Dazu gehören Robustheit und geringere Kosten ebenso wie der hohe Wirkungsgrad insbesondere bei hohen Drehzahlen. Außerdem lässt sich der ASM-Motor ohne so genannte seltene Erden produzieren, was einkaufsseitig eine Herausforderung sein kann. Wie gesagt ist eines der Entwicklungsziele bei CeTrax also, den hohen Wirkungsgrad der ASM im Hochdrehzahlbereich auch auf den Bereich mittlerer Motordrehzahlen zu erweitern, da dieser insbesondere im Stadtverkehr relevant ist und eins zu eins auf die Fahrzeugreichweite einzahlt. Wir haben es in mehreren Entwicklungsschleifen geschafft, das Optimum des Wirkungsgrades in den Bereich von 3.000 bis 4.000 Umdrehungen zu verlagern, das entspricht in etwa einer Fahrzeuggeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h. Mit dem sehr ambitionierten Zeitplan für die Entwicklung haben wir uns natürlich zuerst auf das Konzept konzentriert, mit dem wir bereits am meisten Erfahrungen hatten. Nur so können wir mit einer zuverlässigen Lösung schnell am Markt sein, wo ein kurzfristiger Bedarf für ein wirkungsgradoptimiertes Konzept besteht. Wir gehören im Markt vielleicht nicht zu den ersten, die ein solches Konzept bieten, aber wir bieten einige wesentliche Punkte, die andere so nicht anbieten können, da wir den gesamten Antriebsstrang bei der Systemoptimierung betrachten können und nicht auf bestehende Lösungen, die vielleicht nicht optimal passen, zurückgreifen müssen. Beim Projektstart im Oktober 2016 hatten wir uns zum Ziel gesetzt, im dritten oder vierten Quartal 2018 zumindest mit einer volumenbeschränkten Vorserie ins Feld zu gehen – große Stückzahlen können dann ab 2019 geliefert werden. Ziel ist also, die genannten Vorteile der ASM-Technologie auf die Bedürfnisse im städtischen Nutzfahrzeugverkehr hin zu erweitern und die technologisch größeren Herausforderungen einer PSM-Maschine, wie beispielsweise höhere Sicherheitsanforderungen beim Fahrzeugabschleppen sowie der Gefahr einer Demagnetisierung durch Überhitzung außen vor zu lassen.
Witzig: Der Wirkungsgrad-Unterschied zwischen beiden Konzepten im relevanten Fahrbereich liegt bei unserem Konzept nur noch bei rund einem Prozent, da haben die Kollegen im ASM-Projekt einen guten Job gemacht. Allerdings ist der jeweilige Wirkungsgrad stark abhängig von den dominierenden Betriebsbedingungen, so dass es auch Anwendungsfälle mit teilweise sehr geringen Durchschnittsgeschwindigkeiten wie es z.B. in London der Fall ist, bei der die PSM-Technologie nach wie vor Vorteile hat. Außerdem gibt es Marktregionen, die die Verwendung von seltenen Erden präferieren. Genau deswegen entwickeln wir beide Konzepte. Oder um einen Vergleich zu ziehen: Es handelt sich um einen analogen Unterschied wie beim Gas- und Dieselmotor im Bus. Beide haben ihre Vorteile und ihre Berechtigung und beides wird es noch eine ganze Weile geben. Wir möchten daher in der Lage sein, beide Konzepte anbieten zu können, und das im gleichen Gehäuse. Damit bieten wir den Kunden die Möglichkeit einer Plattformstrategie bei einer gleichzeitig optimal auf den Einsatzfall abgestimmten technischen Lösung.
Witzig: Sie werden den Unterschied von außen nicht sehen können, auch die Fahrleistung und -performance wird sich nicht grundlegend unterscheiden. Für den Kunden stellen wir immer den für den jeweiligen Anwendungsfall wirkungsgradoptimalen Antriebsstrang zur Verfügung. Das führt bei der Designvariante für den ASM zu etwas mehr Aufwand, aber wir bekommen daraus mehr Variabilität und können im Markt flexibler agieren. Wir bieten dem Kunden beispielsweise an, seine jeweiligen Strecken exakt zu vermessen, um die Eignung der beiden Konzepte im Sinne einer Antriebsstrangberatung für diese Strecken zu verifizieren und auch eine fundierte Empfehlung für eine Variante aussprechen zu können. Dabei nutzen wir selbstverständlich auch Know How, das wir mit unseren konventionellen Getrieben gewonnen haben. Für Städte wie London dürfte dann auf den meisten Strecken sicher der PSM-Motor Vorteile bieten, für Städte mit schnelleren Routen wie Mannheim dürfte dagegen das ASM-Aggregat ihre Vorteile ausspielen. Auf der Kostenseite wird die ASM etwas preisgünstiger anzubieten sein, da man ja auf die seltenen Erden verzichten kann. Die PSM wird rund ein Jahr später Serienstart haben, da wir hier beispielsweise noch an der Entwicklung eines gesamthaften Sicherheitskonzepts arbeiten.
Witzig: In Sachen Haltbarkeit, Umweltschutz und Schaltkomfort nimmt der Markt keinerlei Abstriche gegenüber dem Status quo in Kauf, daher stehen diese Punkte ebenfalls ganz oben auf der Liste. Die Herausforderung für die neuen Technologien lautet sogar, mindestens die gleiche Performance darzustellen als bisher. Daraus resultieren dann wegen den schnelleren Technologiesprüngen beispielsweise im Bereich der Leistungselektronik oder Batterietechnik auch immer kürzere Entwicklungszyklen sowie Produktlebenszyklen auch für den Antriebsstrang. Die Entwicklungszeit für CeTrax ist sogar im Vergleich mit zu konventionellen Pkw-Getrieben, die schon immer kürzere Lebenszyklen im Vergleich zum Nutzfahrzeug hatten, extrem kurz. Wir tragen dieser Tatsache Rechnung, indem wir versuchen, so viele Baugruppen wie möglich aus den konventionellen Antriebssysteme zu übertragen, die sich ja bereits in den herausfordernden Einsatzbedingungen bewiesen haben. Dies bezieht sich im CeTrax beispielsweise auf die Planetenstufe sowie die Fahrsteuerung, die beide auf dem bewährten EcoLife-Getriebesystem basieren werden. Da sich insgesamt die Technologie in diesem Bereich sehr schnell weiterentwickelt, gehe ich davon aus, dass wir bereits rund drei Jahre nach Serienstart bereits schon wieder über die ersten Anpassungen nachdenken werden. Da haben alle Zulieferer und Hersteller noch einiges an Weg vor sich, um hier noch schneller zu werden. Auch das Recycling der Maschinen versuchen wir schon gleich mitzudenken – das aber eingepasst in ein gesamthaftes Servicekonzept. Hinsichtlich Servicekonzept bleibt auch festzuhalten, dass wir natürlich versuchen, ein einheitliches Konzept für konventionelle und elektrische Antriebsysteme darzustellen, was den Aufwand und auch die Anzahl der Ansprechpartner im Servicefall für Endkunden, die beide Antriebstypen haben, deutlich reduziert.
Witzig: In diesem Zusammenhang ist es wichtig darauf hinzuweisen, dass wir uns die Schnittstelle zwischen Batterie- und Motorsteuerung sehr genau ansehen müssen, weil wir ja erstere nicht im Portfolio haben. Je besser diese Schnittstellen aufeinander abgestimmt sind, umso weiter kann ein Bus mit einer Batterieladung fahren bzw. desto besser können die Performancereserven ausgeschöpft werden. Daher ist für uns auch die parallele Erprobung am Prüfstand und im Fahrzeug wichtig, da wir hier mit unterschiedlichen Energiequellen arbeiten. Weiterhin bemühen wir uns um einen intensiven Austausch mit verschiedenen Batterieherstellern, um auch deren Sichtweise in der Entwicklung berücksichtigen zu können. Ein hier gut abgestimmtes System bringt dann auch eine gleichbleibende Leistungsausbeute über die Lebensdauer hinweg. Ich glaube nicht, dass das Thema Depotladung versus Gelegenheitsladung am Fahrzeug entschieden wird, sondern sich vielmehr daran ausrichten wird, was in der individuellen Stadt jeweils möglich ist. Die Infrastruktur für die Gelegenheitsladung aufzubauen ist eine enorme Herausforderung, genauso wie die Energieversorgung eines Depots mitten in der Stadt. Wichtig ist in beiden Fällen eine intelligente, auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte Ladestrategie. Wir unterstützen vom Antriebsstrang her beide Konzepte. Generell sind für uns neben Batterien als Energiequelle auch andere Systeme wie Brennstoffzelle oder Trolley-Anwendungen möglich.
Witzig: Ich denke, das wird schon recht schnell passieren, getrieben aber wahrscheinlich vom Pkw. Generell ist der Elektromotor ja von seiner Komplexität durchaus eine Stufe unter dem modernen Verbrenner angesiedelt. Die Differenzierung wird sich aber wahrscheinlich mehr auf griffige Leistungsdaten beziehen als auf abstrakte Kennwerte wie beispielsweise die Längen der Spulen im Elektromotor oder Windungskonzepte. Die Skalierbarkeit der Motoren gibt es ja schon lange, aber sie wird vermutlich noch anwendungsfallabhängig spezifischer werden. Zusätzlich werden sich die Antriebe deutlich über die verwendete Leistungselektronik unterscheiden und Fragen wie: "Welche Tonnagen kann ich bewegen?" "Ist die Motorisierung ausreichend für einen Gelenkbus, und welche Steigungen können bewältigt werden?" werden über die Konzeptwahl mitentscheiden. Bei unserem CeTrax-Motor können wir durch die Modularität im Design hinsichtlich Motorlänge insbesondere die Dauerleistung beeinflussen, natürlich immer unter Berücksichtigung einer sinnvollen Segmentierung. Gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, verschieden starke Leistungselektroniken und Wechselrichter zu verwenden. So variieren wir z.B. die Spitzenleistung, ohne die Hardware des Motors zu verändern. Damit könnte man durchaus daran denken, eine Normalversion, eine Heavy-Duty- und eine Light-Bus-Variante anzubieten. Wir haben jetzt zwar erst mit der Serienentwicklung der Basisvariante gestartet, aber die Kunden fragen bereits heute nach dieser Art der Differenzierung. Für höhere Tonnagen arbeiten wir entsprechend auch bereits an einem Mehrgang-Modul, bei dem die Achsübersetzung ganz anders wählbar ist, so dass eine hohe Endgeschwindigkeit mit einer hohen Steigfähigkeit auch bei schwersten Fahrzeugen gewährleistet ist. Das ist allerdings noch im Vorentwicklungsstadium, und auch mit einem starken Fokus auf den Verteiler-Lkw, der hier z.T. andere Anforderungen mitbringt. Busanwendungen werden weitestgehend mit unserem CeTrax in der Basisversion abgedeckt, nur bei Gelenkbussen mit sehr anspruchsvollen Topografien oder für schwierige Witterungsbedingungen ließe sich über zwei angetriebene Achsen oder ein Mehrgang-Modul nachdenken.
Witzig: Bisherige Konzepte führen zumeist vorhandene Bauteile zusammen oder arbeiten noch mit Zugkraftunterbrechung. Unserer Ansicht nach wird der Markt dies aber so nicht mehr akzeptieren. Daher berücksichtigen wir schon in der Vorentwicklungsphase Konzepte, die sowohl als Last- wie auch als zugkraftunterbrochene Variante dargestellt werden können, um eine auf die Anforderungen abgestimmte, kostenoptimale Lösung anbieten zu können. Dabei übertragen wir auch so viel Know-How wie möglich von den konventionellen Lastschaltkonzepten sowohl hardware- wie auch softwareseitig. Was Wirkungsgrad und Leistung des Mehrgangmoduls angeht, findet immer eine Abwägung zwischen Entwicklungsrisiko, Entwicklungszeit, Zuverlässigkeit und Neuheitsgrad statt, da insbesondere in einem modular aufgebauten Konzept Innovationen und Neuentwicklungen sukzessive und einfacher eingebracht werden können.
Witzig: Bei den beiden Antriebssystemen handelt es sich aus unserer Sicht nicht um konkurrierende, sondern sich ergänzende Produkte. Die AVE 130 bietet natürlich den Vorteil der freieren Fahrzeugarchitektur, da der ganze Antriebstrang in den Radköpfen sitzt. Es sind so völlig neue Innenraumkonzepte, gerade im Niederflurbus, möglich. Bei Gelenkbussen lässt sich einfacher als mit einem Zentralantriebskonzept das sogenannte Puller-Prinzip umsetzen, bei dem die mittlere Achse die Antriebsachse darstellt, was fahrdynamische Vorteile und auch Kostenvorteile für das zwischen beiden Fahrzeugteilen verwendete Gelenk bringt. Weiterhin geht es auch um Gewichtsreduzierung, da die Kunden für etwa 200 Kilogramm Delta zur konventionellen Achse einen kompletten Antriebsstrang bekommen. Diese Vorteile können vor allem Hersteller nutzen, die völlig neue Fahrzeuge konzipieren. Mit dem Zentralmotor CeTrax wenden wir uns mehr an Hersteller, die im Rahmen einer Plattformstrategie vorhandene konventionelle Modelle auf die Elektromobilität umstellen wollen. Sehr vereinfacht gesagt reicht es dann, den Diesel mit Getriebe wegzulassen und stattdessen einen Elektromotor einzubauen. Solange der Hersteller also antriebsseitig zweigleisig mit konventionellen und elektrischen Fahrzeugen fahren muss, und das wird er aus unserer Sicht noch eine ganze Weile tun, hat er den Vorteil der Flexibilität in der Plattform. Er kann mit unserem Zentralantriebskonzept weiterhin konventionelle Achsen mit Standard-Achsübersetzungen einsetzen, die sich schon lange Jahre bewährt haben, da die Drehzahlverhältnisse durch die Planetenstufe entsprechend abgestimmt sind. Dies bietet Vorteile hinsichtlich Wirkungsgrad und Lebensdauer in Bezug auf die eingesetzten Achsen, was insbesondere im schweren Stadtbuseinsatz wichtig ist. Nicht zuletzt ist CeTrax auch besonders geeignet für eine Plattformstrategie zwischen Bus und Lkw. Je nach Ausrichtung des Herstellers hat also jedes System seine Vorteile, und derzeit haben 80 bis 90 Prozent der Elektrobusse ja einen Zentralmotor. Daher wollten wir unseren Kunden einfach beide Optionen im Sinne einer Portfolioerweiterung bieten. Außerdem erweitert der Zentralmotor CeTrax das Spektrum der Anwendungen deutlich über den Niederflurbus hinaus, da über die Kombination mit Direkttriebachsen auch Low-Entry und Überlandbusse einfach bedient werden können. Aufgrund der etwas geringeren Komplexität des Zentralantriebs wird dieser auch kommerziell nicht nur gegenüber der elektrischen Achse, sondern insgesamt gesehen eine sehr interessante Alternative darstellen können.
Witzig: Der große Vorteil ist, dass wir bereits mehr als 500 AVE-Achsen im Feld haben. Zudem sind beide Ansätze bei ZF in derselben Business Unit beheimatet, wenn auch an unterschiedlichen Standorten. Seien Sie also sicher, dass wir alle Erkenntnisse, die die Kollegen sammeln, in die Zentralmotorentwicklung einfließen lassen. Wichtige Erfahrungswerte waren und sind vor allem optimale Motorauslegung, Kabeldurchführungen, Lagerungen und deren Schmierung sowie die Kühlung der E-Maschine – auf diese Erfahrungen greifen wir auch bei der Entwicklung von CeTrax zurück. Weiterhin greifen wir aber auch auf unsere Erfahrungen aus dem konventionellen Antriebsstrang zu, da die Anwendungen im schweren Stadtbuseinsatz sehr herausfordernd für alle Komponenten sind. Dies bezieht sich vor allem auf der Auslegung zugrunde gelegten Lastkollektive und Lebensdauer der eingesetzten Bauteile. Aber auch in anderen Bereichen funktioniert der Wissenstransfer, so zum Beispiel beim Thema PSM. Ohne die enge Zusammenarbeit der verschiedenen Entwicklungsbereiche und auch mit den Kollegen aus der Pkw-Elektromotoren-Entwicklung wäre die kurze Entwicklungszeit nicht zu halten gewesen. Aus dieser konzernweiten engen Vernetzung resultieren dann auch technische Innovationen und Synergien wie beispielsweise unser Kühlkonzept, das wir schon als Alleinstellungsmerkmal gegenüber dem Wettbewerb sehen und daher auch nicht zu viele Details preisgeben möchten.
Witzig: Wir haben insbesondere für die Entwicklung im Bereich E-Mobility für Nutzfahrzeuge einen schlanken, aber sehr dynamischen und effizienten Entwicklungsprozess aufgesetzt, um schnell auf den Markt und auch auf technologische Weiterentwicklungen reagieren zu können. Damit einhergehend ist auch gegenüber früheren Entwicklungen eine deutlich reduzierte Entwicklungszeit bei gleichbleibend hohen Anforderungen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Lebensdauer und Performance umzusetzen. Insbesondere sind auch die hohen Anforderungen aus schweren Stadtbuseinsatz zu berücksichtigen. Das Entwicklungsteam hat inklusive der angrenzenden Prozesse eine Größe von etwa 30 Personen.