Daum: Das lässt sich so einfach nicht beantworten. Wie definiert man, wer der Bessere ist? Macht man es an der Kraftstoffeffizienz, an der Ertragsstärke oder an der Marktposition fest? Das ist, als müsste ich sagen, welches meiner drei Kinder mir das liebste wäre. In ihrer Unterschiedlichkeit sind mir alle gleich lieb. Genauso verhält es sich bei Daimler Trucks mit den Marken Mercedes-Benz, Freightliner und Fuso.
Daum: Aufgrund der Fuhrparkgrößen sind die US-Flotten sehr professionell organisiert. Wir haben es mit bis zu 12.000 Lkw zu tun. Es hat sich in den USA durchgesetzt, dass Speditionen ihre Frachteinnahmen und Kosten in Cent pro Meile berechnen. Dazwischen gibt es nur eine geringe Differenz. Daher sind die Unternehmen bestrebt, möglichst viele Meilen zu fahren – also die Auslastung zu optimieren. Die Margen sind so kalkuliert, dass es auch auf die zweite und dritte Kommastelle hinter dem Dollar ankommt.
Daum: Ich bin in meinem Berufsleben schon ein paarmal zwischen den USA und Deutschland hin- und hergesprungen. Was ich in den 1990ern in den USA als bereichernd empfand, war der ausgeprägte Kundenfokus. In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, dass man nicht an Althergebrachtem hängen darf. Statt Verteidigungskämpfe zu führen, sollte man sich schnell an neue Anforderungen anpassen. In Deutschland tendiert man dazu, sich zu rechtfertigen, wenn man eine Kursänderung vornimmt.
Daum: Ich bin einer der dienstältesten Mitglieder des Bereichsvorstandes von Daimler Trucks und war dort immer ein aktiver Gestalter. Auch zuvor war ich als Finanz- und Produktionschef von Mercedes-Benz-Lkw in die Entscheidungen involviert. Daher ist der Wechsel zu meiner neuen Tätigkeit nicht als radikaler Bruch, sondern eher als Evolution zu verstehen.
Daum: Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir weiterhin an der Spitze unserer Industrie stehen. Ich definiere das nicht durch Dominanz in Form von Größe. Es geht vielmehr darum, die Zukunft des Gütertransports aktiv mitzugestalten und Lösungen für die Herausforderung unserer Kunden zu entwickeln.
Daum: Westeuropa erweist sich dieses Jahr erneut als stabiler Markt. Wir merken das auch an der Auslastung im Werk Wörth, die im Moment sehr zufriedenstellend ist. Schauen wir uns die langfristigen Mittelwerte an, ist das eine überdurchschnittliche Zahl.
Daum: Als ehemaliger Werkleiter kann ich sagen, dass immer noch mehr geht. Wir können in unseren Werken die Schichten verlängern, samstags arbeiten und vieles mehr. Grundsätzlich ist die Auslastung derzeit aber schon sehr erfreulich. Das könnte ein Nachhol- oder ein Vorzieh-Effekt sein. Wir beobachten die Marktentwicklung wie immer sehr genau, damit wir flexibel und schnell reagieren können.
Daum: Es geht voran, und solche Programme sind etwas ganz Normales. Jedes Unternehmen – egal aus welcher Branche – muss kontinuierlich an seiner Effizienz arbeiten, Prozesse verschlanken und moderne Technologien nutzen. Wenn ich das ein oder zwei Jahre nicht mache, muss ich es nachholen. Das ist wie mit dem eigenen Körpergewicht: Achte ich nicht auf die Ernährung und vernachlässige ich meine Work-outs, nehme ich zu. Bei Mercedes-Benz Lkw müssen wir noch einige Pfunde abwerfen …
Daum: Wir sind nicht da, wo wir hin wollen – eine Rendite von acht Prozent. Es darf in guten Zeiten, also bei einer guten internationalen Marktlage, aber auch etwas mehr sein. Wobei die Rendite kein Selbstzweck ist, sondern auch die Voraussetzungen dafür schafft, weiterhin kräftig zu investieren. Davon profitieren Kunden und Mitarbeiter gleichermaßen.
Daum: Betrachten wir den Fernverkehr, gleicht das einem Blick in die Glaskugel. Es geht zum einen darum, was technisch möglich ist, und zum anderen, was der Kunde bereit ist, zu bezahlen. Ab dem Moment, ab dem sich eine Investition lohnt, kann der Markt kippen.

Daum: Von vier Faktoren. Erstens: die technische Machbarkeit. Dabei hat sich die Leistungsfähigkeit der Batterien in den vergangenen drei Jahren schon radikal verändert. Zweitens: die Reichweite und Kosten der Batterie in Kombination mit ihrem Gewicht. Auch hier geht die Entwicklung rasant voran. Drittens: die Ladezeiten. Ich kann nicht einen ganzen Tag warten, bis die Akkus geladen sind. Viertens: die Langlebigkeit der Batterie. Ich muss mit einer Batterie so viele Ladezyklen hinbekommen, dass ich eine Million Kilometer fahren kann.
Daum: Wer eine wirtschaftliche Elektrolösung entwickelt, dem gehört gerade in der Triade der Markt der Zukunft. Es geht nun darum, die beste Kundenlösung zu finden und daraus ein praxistaugliches Konzept zu machen. Ob das die Brennstoffzelle sein wird, sei mal dahingestellt. Generell gilt für Start-ups wie für unsere etablierten Wettbewerber: Wir nehmen jeden ernst. Nichts spornt mehr an, als Wettbewerber, die gute Ideen haben. Arroganz ist der erste Weg zum Niedergang.
Daum: Wir wollen – wie erwähnt – die Branche von der Spitze weg gestalten. Und wir wollen der Beste sein, wenn es um die Serienproduktion geht. Prototypen zu produzieren, ist das eine. Aber eine erfolgreiche Serienfertigung ist das andere. Da trennt sich die Spreu vom Weizen. Es herrscht ein enormer Effizienz- und Qualitätsanspruch.
Daum: Im Verteilerverkehr geht es schneller voran, da die Energiemengen kleiner und die Routen kürzer sind. Wir sind mit möglichen Betreibern im Gespräch. Jedes Fahrzeug wird in die Hände von Kunden kommen, bei denen die Nachhaltigkeit Teil des Geschäftsmodells ist. Je unterschiedlicher die Kunden aufgestellt sind, desto höher fällt der Erkenntnisgewinn aus.
Daum: Mit Blick auf Fahrverbote muss uns die große Bedeutung von Nutzfahrzeugen für unsere Wirtschaft und damit unseren Wohlstand bewusst sein: Wenn wir es Lkw beispielsweise untersagen, Schutt von der Baustelle zur Deponie zu bringen, müssten wir auf Schubkarren umstellen. Bei allen Chancen der E-Mobilität muss auch gesagt werden: Es bringt nichts, Anreize für Elektrofahrzeuge zu geben und gleichzeitig dafür Braunkohle zu verbrennen. Die gleiche Politik, die die Fahrzeugindustrie antreibt, muss auch die Versorger dazu bewegen, auf regenerative Energien umzustellen – nur dann macht es Sinn.
Daum: Es gibt noch Potenziale im konventionellen Antrieb, aber es wird immer herausfordernder, diese zu heben. Und am Ende gilt der Lehrsatz: Man kann die Physik nicht schlagen. Wir kommen nun an die Grenzen des Machbaren. Bei jedem Einzelelement sind wir schon sehr weit. Nun geht es darum, das Zusammenspiel der Systeme zu perfektionieren. Hier kommt die Kombination von Antrieb mit Elektronik und Vernetzung ins Spiel. Wir müssen Systeme entwickeln, durch die unsere Kunden den Lkw noch effizienter betreiben können.
Daum: In diesem Fall müssen Sie sich noch etwas gedulden. Dazu werden wir im Herbst noch etwas verkünden.
Zur Person
Im März hat der Aufsichtsrat der Daimler AG Martin Daum (57) als Vorstandsmitglied für die Geschäftsfelder Daimler Trucks und Daimler Buses berufen. Die Bestellung erfolgte für fünf Jahre. Daum folgt damit auf Dr. Wolfgang Bernhard, der das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlassen hat. Daum blickt auf eine 20-jährige Erfahrung in der Branche zurück.
Seit 2009 stand er an der Spitze von Daimler Trucks North America und der damit verbundenen Unternehmen Freightliner Trucks, Western Star Trucks, Thomas Built Buses, Freightliner Custom Chassis Corporation und Detroit Diesel Corporation. Zuvor war er als Vice President Produktion Mercedes-Benz Lkw Mitglied der Geschäftsführung von Mercedes-Benz Trucks in Europa und gleichzeitig Standortverantwortlicher für das Mercedes-Benz-Werk Wörth. Der Diplom-Kaufmann Daum begann seine Karriere im Konzern im Jahr 1987 und begleitete zunächst vor allem kaufmännische Positionen.