Interview Hartmut Schick zur Busworld 2017: „Im Jahr 2018 genau richtig mit unserem Elektrobus.“

Interview Hartmut Schick zur Busworld 2017
"Im Jahr 2018 genau richtig mit unserem Elektrobus.“

Daimler Buses Leiter Hartmut Schick über den neuen Citaro hybrid, die geänderte Brennstoffzellenstrategie und die Chancen für Digitalisierung und autonomes Fahren.

"Im Jahr 2018 genau richtig mit unserem Elektrobus.“
Foto: Thorsten Wagner
Wie steht es um die Entwicklung der Brennstoffzelle? Es ist etwas ruhig geworden um diese Technologie.

Schick: Wir beschäftigen uns ja schon sehr lange mit dem Thema und bleiben auch ständig am Ball. Der Konzern wird ja bekanntermaßen Brennstoffzellenfahrzeuge im Pkw-Bereich einführen, und wir werden uns zeitnah hier anschließen. Mit den heutigen Leistungen der Batterien für unsere rein elektrischen Busse, die 2018/19 auf den Markt kommen werden, können wir bereits 20 Prozent aller typischen Linien abdecken. Trotzdem gibt es immer noch Einsatzbereiche, bei denen ein Bus den ganzen Tag über 350 Kilometer ohne Lademöglichkeit unterwegs ist, und für diesen Bereich denken wir über die Brennstoffzelle im Sinne eines Reichweitenverlängerers nach. Der Fokus hat sich also verschoben – weg von der Brennstoffzelle als dem einzigen Energielieferanten an Bord, wie wir es bisher umgesetzt haben. 

Ist die Elektromobilität ein reines Stadtbusthema?

Schick: Nein durchaus nicht, wir denken, dass sich das Thema auch sukzessive für den Überlandbereich entwickeln wird. Vorerst sehen wir aber vor allem Stadtlinien im Fokus.

Auch beim Hybridantrieb haben Sie ja aktuell hier auf der Busworld einen neuen Ansatz gewählt als beim ersten Citaro Hybrid Gelenkbus. Ist hier Ihr Ziel vor allem, dem Verbrennungsmotor ein weiteres Überleben zu sichern?

Schick: Wir wollen auch in zehn Jahren noch Dieselbusse verkaufen. Wir gehen ja davon aus, dass 2025 rund 30 Prozent elektrisch angetriebene Busse verkauft werden, aber auch noch 70 Prozent konventionelle Diesel. Wenn man sich den Weltmarkt ansieht, wird es in einigen Ländern sogar noch viel langsamer gehen. Uns ist es wichtig, im Sinne einer Parallelstrategie 2018 nicht nur mit dem Elektrobus zu starten, sondern auch den Diesel in Sachen Effizienz weiter zu verbessern. Und da werden wir mit diesem neuen, milden Hybrid sicher nicht stehen bleiben, wir haben da durchaus noch weitere Ideen. Mit diesem System allein lassen sich bis zu 8,5 Prozent Kraftstoff einsparen – seit Einführung der Euro V-Norm konnten wir so insgesamt rund 20 Prozent Einsparung realisieren. Wenn man sich die geringen Systemkosten für den neuen Hybrid anschaut, dann kommt man in Sachen Fahrzeugeffizienz durchaus schon an die Werte eines Vollhybriden heran. Und natürlich arbeiten wir auch in Zukunft weiterhin an Effizienzsteigerungs-Paketen – einmal um den CO2-Ausstoß immer weiter zu senken aber auch um im Wettbewerberfeld ganz vorne zu sein bei dem Thema.

Und diese Technik bieten Sie in welchen Modellen konkret an? Auch da hat sich die Herangehensweise ja geändert.

Schick: Genau, wir wollen das nicht nur für ein Stadtbusmodell einführen, sondern über die gesamte Baureihe ausrollen. Zudem können wir durch die Synergien mit dem Pkw-Bereich, in dem ja zum Beispiel auch der 48-Volt-Elektromotor eingesetzt wird, deutliche Skaleneffekte erzielen. Das ist ein schöner Nebeneffekt. Auch die neue, elektrohydraulische Lenkung wird im rein elektrischen Stadtbus Verwendung finden und ist auch für weitere Assistenzsysteme mit aktivem Lenkeingriff vorbereitet– es baut also vieles aufeinander auf und wird so zum cleveren Gesamtkonzept.

Immer häufiger sind ja kleine, autonome People Mover zu sehen. Überlassen Sie dieses Geschäft anderen oder denken Sie über einen Einstieg nach?

Schick: Beim Thema Autonomes Fahren, also in den weitgehend ohne Fahrer auskommenden Stadien Level 4 und 5, sind wir auch nach unabhängigen Instituten ganz weit vorne. Mit dem "Future Bus" haben wir ebenso wie unsere Lkw-Kollegen mit ihrem Prototypen bereits gezeigt, was wir können, auch wenn es sich hier noch um die Autonomie-Level 2 teilautomatisiert handelt. Wir haben ja schon angekündigt, den Future Bus zu Beginn des nächsten Jahrzehnts weiterzuentwickeln, und auch im Reisebus ist ein Highway Pilot wie im Fernverkehrs-Lkw durchaus zeitnah denkbar. Dabei werden wir immer "Fast Follower" unserer Pkw-Kollegen im Konzern sein. Welche Gefäßgrößen wir dann anbieten werden, da sind wir noch offen. Da gibt es sicher viele denkbare Möglichkeiten.

Wie lange werden denn die Überlandbusse ihrer beider Marken noch auf der alten Elektrikplattform laufen?

Schick: Sie konnten ja in den letzten Jahren mitverfolgen, wie wir sukzessive unsere gesamte Modellpalette erneuert haben. Ich halte sehr viel davon, nicht alles auf einmal zu machen, sondern die Technik in separaten Schritten sauber in den Fahrzeugen auf die Straße zu bringen. Sie können sicher sein, dass wir diese Entwicklungen gerade in Sachen Sicherheit, Effizienz und Komfort auch in den verbliebenen Baureihen schnell umsetzen werden.

Wie wollen Sie es schaffen, den Kunden in Sachen Digitalisierung mitzunehmen und nicht zu überfordern mit "Omniplus On", "Uptime" etc.?

Schick: Ich denke, in der heutigen Welt der Smartphones, haben sich die Menschen daran gewöhnt, Anwendungen mit Mehrwert schnell aktiv zu verwenden oder einfach zu löschen, wenn dieser nicht gegeben ist. Wir haben in unsere Apps, die wir im Rahmen der genannten Dienstleistungspakete anbieten, viele Mehrwerte hineingepackt, die sich für den Kunden wirklich im Alltag lohnen. Dabei werden immer weitere Anwendungsfälle in diese Applikationen einfließen. Und mit den Lkw-Kollegen sind wir gerade dabei, Fahrzeug-intern und –extern generierte Daten zu bündeln, um so rein mathematisch mögliche Handlungsempfehlungen sehr schnell zu erkennen. Das führt dann zu kürzeren und weniger Standzeiten und effizienteren Reparaturen. Schon die ersten Anwendungen werden den Kunden hierbei sehr effizient unterstützen können. Auch die angekündigte präventive Wartung wird sehr schnell das Angebot ergänzen und nochmals dessen Attraktivität steigern. 

Sie starten 2018 mit der Elektromobilität im Stadtbus. Gibt es schon konkrete Tender, an denen Sie sich beteiligen?

Schick: Wir haben ja einen sehr breiten Beratungsansatz mit dem neuen "e-mobility consulting"-Team und haben mit Kunden in ganz Europa intensiv gesprochen. Auch bei den Themen Ladeinfrastruktur und Energiemanagement sind wir sehr gut aufgestellt und sehr aktiv derzeit. Die ersten Tender kommen langsam auf uns zu, aber ich denke, in der breiten Fläche werden 2019 und 2020 die ersten großen Beschaffungen stattfinden. Wir sind also was die Batterien, Vorbereitung des Kunden und seiner Infrastruktur ab 2018 genau richtig mit unserem Serienprodukt. Der Elektrobus läuft im Übrigen in Mannheim über die gleiche Produktionslinie mit einer jährlichen Kapazität von rund 3.000 Dieselbussen, so werden wir also auch keine Lieferengpässe befürchten müssen.

Sie haben auch in puncto Sicherheit mit ABA4 und dem Abbiegeassistenten wieder gut vorgelegt. Wie reagieren die Kunden darauf?

Schick: Der Impact dieser neuen Sicherheitssysteme ist absolut gegeben, wie man hier auf der Messe auch sieht. Wenn ich mit Reisebuskunden spreche, dann fordern die eigentlich immer das Optimum in Sachen Sicherheit, weil die Passagiere deren höchstes Gut sind, da stellt sich selten die Frage nach dem Weglassen einzelner Komponenten. Auf dem Weg hin zum vollautonomen Fahren sind viele verschiedene Zwischenschritte mit Hilfe dieser komplexen Systeme denkbar – ich spreche da nochmal den Highway Pilot des Lkw-Bereiches an. 

Mit welchem Markt sind Sie gerade am glücklichsten?

Schick: Dieses Jahr freue ich mich am meisten über den sehr starken deutschen Markt, der bei rund 5.800 Einheiten zum Jahresende liegen wird. Wir konnten unseren Marktanteil dabei mit unseren beiden Marken um zwei auf 53 Prozent steigern.