Interview Boris Höltermann, VDL Deutschland: Kontrolliertes Wachstum steht im Vordergrund

Interview Boris Höltermann, VDL Deutschland
Kontrolliertes Wachstum steht im Vordergrund

Zum 30-jährigen Bestehen schaut VDL Deutschland optimistisch in die Zukunft. Geschäftsführer Boris Höltermann im Interview.

Kontrolliertes Wachstum steht im Vordergrund
Foto: Thorsten Wagner
Wie hat sich die neue Aufteilung der Geschäftsführung zwischen Ihnen und Herrn Marcus Schmidt in den letzten beiden Jahren bewährt?

Höltermann: Das hat sich nach der üblichen Anlaufphase gut bewährt. Mit Marcus Schmidt als Betriebsleiter habe ich den freien Rücken, aber auch den internen Rückhalt, den ich brauche, um das Unternehmen zu leiten. Ich selbst versuche dafür dann, immer ganz nah an den Kunden in Deutschland und Österreich dran zu sein, was viel Reisetätigkeit mit sich bringt und sehr zeitaufwendig ist. Wir stocken daher weiter auf im Personal, zum Beispiel haben wir mit Herrn Gerhard Ros einen neuen Vertriebsleiter ÖPNV seit rund einem halben Jahr, und für den Bereich Reisebus möchten wir gerne die gleiche Position besetzen zeitnah. Dann wären wir im Vertriebsaußendienst 14 Kollegen, plus zwei im Innendienst.

Von den deutschen 14 Kollegen sind 4 im ÖPNV tätig, reicht das denn bei dem Elektrobus-Boom den manche erwarten für die nächsten Jahre? 

Höltermann: Langsam wird es schon etwas eng, aber bei VDL steht immer kontrolliertes Wachstum im Vordergrund. Wir wachsen gerne, aber immer so, dass wir es auch noch managen können. Gerade beim Thema Elektromobilität geht es um viel mehr als verkaufen, es geht ja um ganze Systemintegration, das fängt man nicht mit ein paar neuen Außendienstlern auf. Natürlich nutzen wir hierzu viele Experten aus Eindhoven und den Werken, die dann zu einem Projektteam zusammengezogen werden. Und wir sind ab Tag 1 beim Kunden mit im Boot bei der Planung. Wir gehen sehr gezielt auf den Markt und schauen uns an, wo unser Konzept denn auch wirklich passt.

Wurden denn die Ziele im letzten Jahr erreicht für VDL Deutschland?

Höltermann: Der große Vorteil eines familiengeführten Unternehmens ist es ja zumeist, dass man Ziele gemeinsam absteckt. In einigen Teilen haben wir diese Ziele mit 230 Autos fast erreicht, unser Ziel wären 250 bis 300 für 2018. Gerade für 2018 sehen wir sehr optimistisch in die Zukunft, da wir einen sehr gesunden Vorlauf beim Auftragseingang haben, noch besser als 2017. Im Midibereich haben wir einen Mitarbeiter auf das Thema angesetzt und wir können sehr flexibel agieren gerade im Ruftaxi-Bereich. Wir hoffen sehr auf den Elektro-Sprinter, wenn der soweit ist. Alles, was auf dem alten Printer aufbaut ist gewissermaßen ausverkauft. Auf VW Crafter oder MAN TGE werden wir zumindest vorerst nicht aufbauen. Gerade weil es noch kein Massenmarkt ist, denke ich, dass wir in der Nische sehr erfolgreich sein können. Die Nachfrage nach elektrischen Minibussen ist gerade einfach irre.

Wie positionieren Sie sich in dem Systemstreit zwischen Depot- und Gelegenheitsladung?

Höltermann: Wir können natürlich auch Depotladung anbieten, aber wir sind nicht diejenigen, die sagen, mit einer Ladung kommt man über den ganzen Tag. Wir setzen auf zwei Typen von leistungsfähigeren, schnellladefähigen Batterien, die dann nicht so stark beansprucht werden und auch über eine Lebensdauer von acht Jahren durchhalten. Aktuell gibt es aus unserer Sicht auf dem Markt keine Batterien, die die Anforderungen der Kunden nach einer Reichweite von rund 200 Kilometern mit einer Nachtladung gerecht werden. Aber es wird hier sicher schnelle Entwicklungen geben, dass sich Depotladung ebenfalls in dem Maße rechnet. Den Zwischenschritt mit Hybriden haben wir uns nach einem Versuch hier in Deutschland aber gespart.

Gibt es Leasing- oder Wechselkonzepte für die Batterien bei VDL?

Höltermann: Wir haben schon verschiedene Konzepte und Ideen durchgerechnet und durchgeplant, aber bisher kamen sie noch nicht zum Zuge. Teilweise sind ja wir auch selbst Energielieferant und wir testen Anwendungen für das „Second Live“ der Batterien, aber Leasingkonzepte gibt es noch nicht, da gehen wir eher auf feste Kilometerpreise. Wartungsverträge sind hier natürlich auch in diesem Bereich sehr sinnvoll.

Wann wird es ein ähnlich großes Projekt in Deutschland geben wir in Eindhoven oder Amsterdam?

Höltermann: Die Schritte, die die KVB oder Hamburg machen, sind ja schon sehr groß, wobei die Kölner mit uns ja begonnen haben und dann bald 50 Busse ausschreiben werden. Auch in Osnabrück werden wir ja Ende 2018 mit 13 Bussen als Systemlieferant auftreten, das ist für uns schon ein großes Projekt. In Hamburg haben wir uns nach intensiven Gesprächen dann aber wie ein anderer großer Hersteller zurückgezogen, da es hier Forderungen gab, die unserem partnerschaftlichen Ansatz nicht entsprachen. Gerade beim Service brauchen wir Flexibilität und nicht nur Pönalen. Es hängt natürlich immer davon ab, wie offen sind die Unternehmen, betrachten und hinterfragen sie schon alle Möglichkeiten und Strukturen oder wollen sie einfach den bisherigen Dieselansatz – Morgens raus, abends rein – weiterführen. 

Das heißt auch der Verkauf einen Elektrobusses ist ganz anders als bisher der eines Diesels?

Höltermann: Ja, früher tat sich bei der Bestellung etwas, dann sehr lange gar nichts mehr bis zu Auslieferung und dann sehr lange wieder nichts bis zu einem Garantiefall oder eine Reparatur. Beim Elektrobus tut sich nach der Bestellung eine ganze Menge und auch nach der Auslieferung arbeitet man eng mit dem Kunden weiter zusammen. Wir nennen das Implementationsmanagement, hier in Deutschland kümmert sich mit Herrn Roggon ein sehr erfahrener Mitarbeiter um dieses Thema. Aber trotzdem haben wir auch sehr saubere und zuverlässige Diesel im Programm, das kommt mir immer ein wenig zu kurz, wir können ja gar nicht mogeln beim Nutzfahrzeug. Wir haben erst Ende 2017 mit der Rheinbahn Emissionstests mit dem TÜV auf der Straße gemacht, die sehr gut ausgefallen sind. Seit Euro 5 wissen wir, dass unsere Fahrzeuge absolut nur das emittieren, was die Grenzwerte aussagen.

Was macht der Reisebusmarkt in Deutschland, wird es auch eventuell mal einen Hybridbus geben?

Höltermann: Anschauen muss man es sich auf jeden Fall, aber bisher haben wir keine festen Pläne. Mich wundert, dass sich chinesische Hersteller mit Elektroreisebussen auf den kleinen aber sehr anspruchsvollen europäischen Markt begeben. Gehen wir zum Diesel zurück, wir sind mit dem Futura im Verkauf sehr zufrieden. Unser Brot-und-Butter-Bus ist mittlerweile der 12,90 m Wagen, der unser Standardprodukt geworden ist, da nehmen wir die großen Vorteile des Leichtbaus immer mit. Der neue 13,50 m Wagen setzt hier nochmal einen drauf, natürlich ist es einsatzabhängig, wo man ihn konkret nutzen kann, als FHD oder FMD. Aus Unternehmersicht müssen schon ein paar Kompromisse eingegangen werden, aber wir sehen hier trotzdem ein großes Potenzial. 

Und der FMD und FDD, wie machen die sich?

Höltermann: Der Hochbodenwagen FMD hat sich bisher bei den Fernlinien noch nicht durchsetzen können, obwohl er nach unserer Auffassung das ideale Fahrzeug wäre. Wir haben immer einen gewissen Hofbestand an Flixbus-Autos auf Lager und auch schon sehr viele barrierefreie Fahrzeuge verkauft. Im FMD kann ich im Gegensatz zum HD mit einem einfacheren und preiswerteren Kassettenlift arbeiten für die geforderte Barrierefreiheit. Ansonsten wird der Futura gerne eher als FHD genommen, da er einfach noch das exklusivere Erscheinungsbild hat und das emotionalere Fahrzeug ist. Der FMD ersetzt dann fast schon mehr den Futura Classic. Aber in diesem Segment kämpfen derzeit fast alle Hersteller. Nicht alle Kunden denken bereits so wirtschaftlich, wie wir das gerne hätten. Der neue, kurze Doppeldecker FDD2-139 deckt eine Nische ab, aber sobald es um hohe Kapazität geht, greift der Kunde jedoch eher zum 14,10 m Wagen. Eigentlich würde der FDD den Dreiachser-HD überflüssig machen, wir könnten alles abdecken mit Zweiachsern und FDD. Ich denke nicht, dass man mit Dreiachsern im Linienverkehr Geld verdienen kann.