Zehn bis 80 Prozent in 20 Minuten, 100 Kilometer in fünf Minuten – das sind nicht nur Fabelzahlen, sondern bei manchen neuen BEV-Pkw-Modellen (Batterie electric vehicle) bereits echte Praxiswerte. Das liegt an der eingebauten Technik – 800 Volt, laden mit mehr als 200 kW bei Gleichstrom – aber vor allem an einem nutzbaren Schnellladenetz. Quasi als Abschiedsgeschenk hat der scheidende Verkehrsminister Andreas Scheuer noch einen weiteren Ausbau angestoßen. Beim Pkw wäre damit also der Wechsel von „im Schnitt fährt jeder Pkw pro Tag nur wenige Kilometer“ zu „genug Reserven für alle Eventualitäten“ prinzipiell schon vollzogen. Beim Elektro-Lkw sieht das allerdings noch ganz anders aus.
Die vorgestellten BEV-Lkw haben bis auf wenige Ausnahmen allesamt am Verteiler-Verkehr ausgerichtete Reichweiten. Selbst wenn hier und da Zahlen in Richtung 500 Kilometer pro Akkuladung fallen, reicht dies bei Weitem nicht aus, um wirklich im Fernverkehr zu reüssieren. Geladen wird zu Hause im Depot. Stuttgart-München und zurück wäre damit also im Zweifel machbar – wenn denn alle Rahmenbedingungen angefangen bei der Temperatur stimmen, um den Wert auch im Realbetrieb zu erreichen. Mehr wird schwierig. Denn an den schicken neuen Pkw-Schnellladern fällt leider kein noch so kleines Elektron für den Lkw ab.
Werte kritisch betrachten
Und selbst wenn: auch mit 300 kW Ladeleistung braucht eine zünftige Langstrecken-Lkw-Batterie noch viel zu lange. Ein eActros tritt bei 400 Kilometer Reichweite mit einer Batteriekapazität von 420 kWh an. Daimler beziffert die maximal Ladeleistung auf 160 kW mit Gleichstrom. Der Wert ist schonmal mit Vorsicht zu genießen, da diese Spitzenleistung ja nicht über den gesamten Ladevorgang anliegen kann. Unterm Strich bräuchte der eActros laut Daimler bei drei von vier Ladepaketen (315 kWh), also einer maximalen Reichweite von 300 Kilometer, daher gut eine Stunde fürs Nachladen von 20 auf 80 Prozent. Über 80 Prozent sackt die Ladeleistung bei Stromern in der Regel merklich ab, was den Ladevorgang erheblich verlängert. Unter 20 Prozent sollte man den Akku der Lebensdauer zu Liebe möglichst nicht zu oft entladen. Wer dies alles befolgt, tankt also in einer Stunde (diese rechnerische Vereinfachung sei erlaubt) 60 Prozent Reichweite nach, also 180 Kilometer. Unter optimalen Bedingungen, bei freier Autobahn, der Annahme, dass die Reichweite auch bei konstant 80 km/h gilt und entsprechend potenten Ladesäulen im richtigen Abstand, könnte der Fahrer also auf der Langstrecke gerade einmal die Hälfte seiner Lenkzeit absolvieren, bevor der Lkw wieder an die Steckdose muss. Doch wie eingangs erwähnt: Für die Langstrecke sind aktuelle Lkw und die vorhandene Infrastruktur nicht gemacht.
- Zugang zu allen Webseiteninhalten
- Kostenloser PDF-Download der Ausgaben
- Preisvorteil für Schulungen und im Shop
Sie haben bereits ein Digitalabo? Hier einloggen.
* Sie sind DEKRA-Mitglied? Dann loggen Sie sich ein und ergänzen ggf. in Ihrem Profil Ihre DEKRA-Mitglieds-Nummer.
Mitgliedsnummer ergänzen* Jahrespreis 22,65 Euro, Preis für FERNFAHRER Flexabo Digital in Deutschland,flexible Laufzeit, jederzeit kündbar.
Weiter zum Kauf