Autositze werden ähnlich wie Reifen häufig erst dann wirklich wahrgenommen, wenn sie nicht gut oder verschlissen sind. Genauso ist es mit Lkw-Sitzen, obwohl die Fahrer auf ihnen hunderttausende Kilometer zurücklegen. Mit neuen Technologien sollen die Sitze nun nachhaltiger und auch komfortabler werden. Wie der Automobil-Zulieferer Forvia dieses Ziel erreichen möchte.
Futuristische Sitz-Konzepte sind quatsch
So etwas hat fast jeder schon mal gesehen: Auf dem Foto eines futuristischen Konzeptfahrzeugs schweben die Sitze scheinbar schwerelos in der Fahrerkabine und versprechen so ein Sitzen wie auf Watte. „Alles quatsch“, sagt Christan Neyrinck, Global Manager Customer Innovations, beim Automobiltechnologiezulieferer Forvia. „Sitze müssen gut sein und immer besser werden, aber auch in Zukunft stehen harte Faktoren wie Kosten, Gewicht, Sicherheit und Nachhaltigkeit im Vordergrund.“
Lkw-Fahrer bemerken nur schlechte Sitze
Fortschritte bei der Sitztechnologie werden von den Insassen eines Fahrzeugs auf Anhieb häufig gar nicht wahrgenommen. „Wenn Sitze gut sind, merkt man es nicht, wenn sie schlecht sind, auf Dauer schon“, erklärt Neyrinck. Neben der grundlegenden Auslegung eines Sitzes – etwa mit Schwerpunkt auf Komfort oder Sportlichkeit – die von Hersteller zu Hersteller variieren kann, rückt künftig immer mehr der Aspekt der Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Worunter unter anderem Aspekte wie Materialien, Langlebigkeit und Modularität also Reparatur und Austausch von Sitzteilen zu verstehen ist.
Lkw-Sitze weichen oft nur beim Bezug voneinander ab
Während Pkw-Sitze für einen Hersteller aufgrund der individuellen Vorgaben meist speziell entwickelt werden und selbst die Produktionswerkzeuge häufig in der Hand der Hersteller bleiben, verhält sich das bei Lkw-Herstellern etwas anders. Christian Neyrinck: „Die Hersteller möchten hier bevorzugt fertige, technische Hauptbestandteile wie Metallstruktur und Komfortkomponenten – wie etwa die Lordosen-Verstellung zur ergonomischen Unterstützung des Lendenwirbelsäulenbereichs mit der zugehörigen Pneumatik – geliefert bekommen. Lediglich bei designrelevanten Komponenten, wie beispielsweise Bezugsmaterial oder auch Bezugsfarben wollen die Lkw-Hersteller individuell mitbestimmen.“
Forvia bringt Sitze für leichte und schwere Nutzfahrzeuge
Forvia widmet sich aktuell erstmals einer ganzen Reihe von Sitzen für die Nutzfahrzeugindustrie. Hierfür hat das Unternehmen Sitze entwickelt, von leichten Nutzfahrzeugen bis hin zu schweren Langstrecken-Lkw. Letztere sind wegen der hohen Belastung durch den Fahrer auf den größtenteils sehr langen Strecken und vielen hunderttausend Kilometern besonders anspruchsvoll. Der jetzt entwickelte Sitz für die Langstrecke ist rund zehn Prozent leichter als ein herkömmliches Gestühl. Bei diesem modularen Konzept, Sitzkissen und Rückenlehne sind zum Beispiel austauschbar, kommt als Basis immer die gleiche Plattform zum Einsatz.
Besonderheiten und Marktstart der Forvia-Sitze
Die Besonderheit: Neben den gängigen Komfort- und Sicherheitsfeatures wie Massage, Heizung, Lendenwirbelstütze oder Vibrationen – letztere etwa zur Warnung oder in Kombination mit Klimaanlage oder Ambientelicht – verfügt der Sitz auch über eine neuartige Füllung. Statt Schaum kommen Fasern auf Polyesterbasis zum Einsatz, die aus verschiedenen Biomasse-Quellen und recycelten Kunststoffen produziert wird. Dies reduziert nicht direkt nur den CO₂-Fußabdruck, sondern auch langfristig, weil das Material fünfmal länger halten soll als Schaum. Ein weiterer Effekt ist der hohe Komfort für den Fahrer. Forvia steht derzeit in Verhandlungen mit mehreren Lkw-Herstellern und hat bereits den Zuschlag erhalten, zehntausende schwere Lkw ab 2027 mit seinem speziellen Sitz auszustatten.