Orten: Wir sind einer der Pioniere im Bereich der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen. In den vergangenen sieben Jahre haben wir ein erhebliches Know-How in diesem Bereich aufgebaut. Wir sind jetzt allerdings an einem Punkt angekommen, an dem erhebliche Investitionen notwendig gewesen wären, um das Geschäft zu skalieren. Mit 68 Jahren und nach 45 Jahren in geschäftsführender Rolle wollte ich diese Herkulesaufgabe nicht alleine angehen, so dass ich – auch und vor allem im Sinne des Unternehmens und der Belegschaft – einen Partner gesucht und gefunden habe.
Gewiss fällt es einem nicht leicht, loszulassen und das Steuerrad aus der Hand zu geben. Aber ich weiß auch, dass dies eine notwendige Entscheidung für den Fortbestand des Unternehmens ist und nicht ewig aufgeschoben werden kann. Nach meinem Studium der Fahrzeugtechnik mit Schwerpunkt Nutz- und Sonderfahrzeugbau an der Fachhochschule Hamburg bin ich mit 23 Jahren in 3. Generation in das elterliche Unternehmen eingetreten, habe sozusagen ein ganzes Leben dort verbracht und das Unternehmen weiterentwickelt.

Nun war es an der Zeit, das, was geschaffen wurde, für die kommenden Jahre zu sichern, die Arbeitsplätze zu erhalten und den Mitarbeitern eine Perspektive zu geben. Jeder, der in meinem Alter ist und 45 Jahre Berufsleben in einem Mittelstandsunternehmen hinter sich hat, weiß, dass natürlich die Vitalität und Kräfte nachlassen. Notwendige Investitionen und Zukunftspläne sowie weiteres Wachstum, was naturgemäß dann auch mit notwendigen Investitionen verknüpft ist, wären für mich schwerer zu stemmen, als für ein an der Börse notiertes, aufstrebendes Unternehmen.
Zunächst war es für mich und meine Berater bei der Nachfolgeregelung wichtig, dass wir einen strategischen Käufer bevorzugen, also ein Unternehmen, das über eine eigene Technologie und Know-how verfügt und Voraussetzungen bietet, unser Unternehmen weiterzuentwickeln und dauerhaft zu sichern. Ein Finanzinvestor war immer zweite Wahl. Finanzinvestoren leben davon, übernommene Unternehmen in kurzer Zeit zu entwickeln und möglichst in drei bis fünf Jahren wieder weiterzuverkaufen. Damit verdienen sie ihr Geld.
Das wollte ich nicht. Mit Hyzon haben wir den idealen Partner für eine gemeinsame Zukunft gefunden: Wir ergänzen uns hervorragend hinsichtlich unserer Fähigkeiten, Produkte und Märkte. Hyzon ist ein junges börsennotiertes Unternehmen, aber mit traditionellem Hintergrund und großen Zielen. Hyzon sucht für den Eintritt und die Ausweitung der Aktivitäten im europäischen Markt einen Partner, der sowohl über Erfahrung in der E-Mobilität verfügt als auch die technischen und Fertigungsvoraussetzungen mitbringt, später die Hyzon Wasserstoff-Brennstoffzellen-Technik in Deutschland zu fertigen. Die Partnerschaft mit Hyzon macht beide Unternehmen nicht nur größer, sondern auch erfolgreicher und verstärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit und sichert damit unsere Arbeitsplätze.
Das stimmt. Die Geschichte des Unternehmens reicht dennoch deutlich länger zurück: Hyzon ist als Spin-off aus dem Brennstoffzellenhersteller Horizon hervorgegangen. Das Unternehmen aus Singapur hat immerhin 17 Jahre Erfahrung bei der Herstellung von Brennstoffzellen und gilt als einer der Pioniere dieser Technologie.
Ja, die Aussage ist zutreffend: Hyundai hat bereits schon Lkw mit Wasserstoffantrieb im Markt, insbesondere in der Schweiz, und auch Clean Logisitic ist ein neuer weiterer Anbieter und Marktbegleiter, der ähnliche Ziele verfolgt wie wir.
Wenn man aber heute davon ausgeht, dass nach Beschluss der EU ab 2035 keine Verbrenner mehr verkauft werden sollen, entsteht hier für den Schwer- und den Fernverkehr eine sehr große Nachfrage, der noch kein ausreichendes Angebot der angestammten OEM gegenübersteht. Diese sprechen davon, erst im Jahr 2026/2027 Wasserstoff-Brennstoffzellen-Trucks am Markt anzubieten. Hier kann Hyzon mit seiner mehrjährigen Erfahrung mit eigenen Produkten aufwarten und ab kommendem Jahr Angebote unterbreiten.
Die Lieferkapazitäten sind derzeit, wie bei allen Herstellern gut ausgelastet, sodass wir uns bei Neuaufträgen bei Lieferterminen in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 befinden – sowohl für die reine E-Mobilität als auch bei Wasserstoff Brennstoffzellenfahrzeugen. Aber das ist bei Diesel-Lkw aktuell ja nicht anders: Die Lieferfristen für Diesel-Lkw- Fahrgestelle betragen ein Jahr und länger.
Es gibt keine Überschneidungen. Im Gegenteil: Usere langjährige Kompetenz als erfahrener innovativer Fahrzeugbauer stellt eine ideale Ergänzung dar. Wir können Kunden komplett emissionsfreie Nutzfahrzeuge inklusive Aufbau anbieten – sowohl zum Kauf aber auch zur Anmietung auf Basis der Modelle „Pay per use“ oder „Pay per km“.
Orten Electric-Trucks ist im deutschsprachigen Raum ein Pionier in der Umrüstung von Diesel-Lkw zwischen 3 und 26 Tonnen auf Elektroantrieb. Hyzon ist ein Anbieter von H2 angetriebenen Brennstoffzellen-Trucks im Schwerlastverkehr. Gemeinsam sind wir in der Lage, Kunden in die Dekarbonisierung zu begleiten und CO2-freie Lkw anzubieten – ob mit Brennstoffzelle oder rein batteriebetrieben.
Orten bleibt als Marke für den Fahrzeugbau erhalten. Mehr als das: Gemeinsam mit Hyzon wollen wir als Marktführer für Aufbauten in der Getränkeindustrie weiter wachsen. Für unsere langjährigen Kunden ergeben sich nun weitere Vorteile. Beispielsweise bieten wir unseren Kunden die Begleitung bei der Transformation in eine emissionsfreie Antriebstechnik und helfen bei der Erfüllung der CO2-Reduzierung. Wichtig ist auch, dass wir uns mit anderen Elektro-Fahrzeugherstellern in einer sehr guten Kooperation befinden und diese beibehalten wollen. So fertigen wir derzeit 30 Getränkeaufbauten auf vollelektrisch angetriebenen Renault- und Volvo-Fahrzeugen für die Schweiz. Hierbei kommt uns unsere Erfahrung zugute – nämlich, dass wir in der Lage sind, selbst Nutzfahrzeuge auf Elektroantrieb umzurüsten.
Grundsätzlich will Hyzon mit Orten im Zero Emission-Markt, sowohl was elektrisch angetriebene Lkw als auch was Wasserstoff-Brennstoffzellen-Trucks anbelangt, einen wichtigen Platz einnehmen, um die Klimaziele zu erreichen und die Transformation der Logistik hin zu emissionsfreier Antriebstechnik und CO2 freien Logistikketten voranzutreiben. Gemeinsam mit ausgewählten Finanzpartnern und Lieferanten von grünem Wasserstoff will Hyzon ein Full-Range-Anbieter für zukunftsweisende Nutzfahrzeugtechnik und Wasserstoff Technologie werden – getreu dem Slogan „for a better future“.
Zur Person
- Robert Orten (68) führt den Fahrzeug- und Aufbautenbauer Orten in Bernkastel-Kues seit 45 Jahren als Geschäftsführender Gesellschafter.
- Nach seinem Studium der Fahrzeugtechnik mit Schwerpunkt Nutz- und Sonderfahrzeugbau an der Fachhochschule Hamburg trat er mit 23 Jahren in 3. Generation in das elterliche Unternehmen ein.
- Robert Orten wird nach Abschluss des Verkaufs dem Unternehmen unbefristet als Berater erhalten und verbunden bleiben.
Das Unternehmen
- Der Fahrzeug- und Aufbautenhersteller Orten beschäftigt an drei Standorten insgesamt 105 Mitarbeiter. Er fertigt etwa 800 Einheiten pro Jahr, der Jahresumsatz beträgt rund 30 Millionen Euro. Das Hauptwerk und die Hauptverwaltung befinden sich in Bernkastel-Kues an der Mosel. Zur Gruppe gehören auch die Unternehmen GeBoKit (German-Body-Kit) sowie Christophorus Nutzfahrzeuge, die Trucks & Trailer für die Getränkeindustrie handeln und vermieten.
- Das Unternehmen hat 2015 mit der Elektrifizierung von Nutzfahrzeugen begonnen. Seit 2018 erfolgt dies in einer neuen Halle am Standort Wittlich-Wengerohr, etwa zehn Kilometer vom Hauptsitz entfernt. Hier werden Nutzfahrzeuge von 3 bis 26 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht elektrifiziert. Etwa ein Fünftel des Gruppenumsatzes erwirtschaftet Orten bereits mit emissionsfreien Nutzfahrzeugen.
- Mit bislang mehr als 300 emissionsfrei umgerüsteten Transportern, Lkw und Bussen in den vergangenen fünf Jahren gehört Orten zu den Pionieren von elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeugen. Die aktuellen Kapazitäten im Elektrobereich belaufen sich auf etwa 50 Fahrzeugeinheiten pro Jahr. Diese sollen mit dem neuen Partner Hyzon in den kommenden Jahren erheblich ausgeweitet werden.
- Ein weiteres Werk in Rothnausslitz in Sachsen produziert seit 15 Jahren mit rund 20 Mitarbeitern vornehmlich Getränkefahrzeuge, aber auch Sonder- und Eventfahrzeuge.
Die Meilensteine
Noch ist die Transaktion – der Verkauf des Unternehmens Orten an Hyzon – nicht vollzogen. Das sind die Meilensteine auf dem Weg dorthin:
- Mitte Juni gaben Hyzon und Orten bekannt, dass sie eine bindende Vereinbarung zum Verkauf der Orten-Gruppe unterzeichnet haben – das sogenannte Signing.
- Die vorangegangenen Gespräche inklusive sogenannter Due Dilligence – die eingehende Prüfung des zum Verkauf stehenden Unternehmens durch den potenziellen Käufer – dauerten mehr als neun Monate.
- Innerhalb der Orten-Gruppe werden in den nächsten Wochen die vorbereitenden, rein formalen gesellschaftsrechtlichen Vorbereitungen getroffen, um das Closing vorzubereiten.
- Das Closing, also der eigentliche Vollzug des Kaufvertrages, soll im 4. Quartal dieses Jahres erfolgen, somit nach der diesjährigen IAA Transportation im September in Hannover. Auf der IAA werden die beiden Parteien daher noch mit separaten Ständen auftreten (Orten in Halle 27, Hyzon in Halle 21).